Frischer Wind fürs Rechenzentrum
Von Simon Federle
Erneuerbare Energien für Rechenzentren zu nutzen, ist ein bekanntes Thema. Anlagen, die Biogase, Erdwärme oder Wasser nutzen, sind bereits in Betrieb. Neu ist dagegen die Idee von WestfalenWind. Der Stromanbieter nutzt seine eigene grüne Energie und hat ein Datacenter direkt in eine seiner Windkraftanlagen gebaut. Das Rechenzentrum dient als Pilotprojekt für Colocation-RZ und soll neue Wege für grüne IT nach deutschen Sicherheitsstandards aufzeigen. Geplant und umgesetzt wurde das Projekt mit der dtm group. Der Spezialist für IT-Infrastrukturen und Rechenzentren konnte als Einziger eine vertretbare Lösung zeigen, um das Datacenter im Windkraftwerk zu realisieren.
Die WestfalenWind GmbH hat sich die Erschließung und Nutzung der Windkraft für ihre ostwestfälische Heimatregion zum Auftrag gemacht. Insgesamt sind dort bereits 260 Windkrafträder in Betrieb. Mit Blick auf seine zukünftige Geschäftsstrategie hat sich das Unternehmen entschieden, sein Produkt zu veredeln und den Strom als Dienstleistung für Rechenzentren anzubieten. Strom ist bekanntlich der größte Kostenfaktor eines Datacenters. Die Kombination aus Windkraftanlage und RZ ergibt eine Win-Win-Situation: Nutzer der künftigen Rechenzentren können günstigen Strom direkt von der Quelle beziehen, und gleichzeitig kann das Unternehmen den Strom verwerten, der nicht ins Netz eingespeist werden kann. Denn mit einem RZ als Eigenverbraucher kann der Anbieter die Leerzeiten effektiv nutzen, in denen sonst aus Überlastungsgründen kein Ökostrom produziert werden könnte. Diese Strategie sollte gleich konsequent umgesetzt werden und nicht etwa durch ein Container-RZ neben dem Turm, das den Strom anzapft. Der Anspruch war vielmehr, den vorhandenen Raum des Turmes zu nutzen und dort das RZ einzubauen.
Das Eckige muss in das Runde
Dafür hat WestfalenWind mehrere Jahre einen IT-Dienstleister gesucht. Mit der dtm group aus Meckenbeuren am Bodensee war dann schließlich ein Partner gefunden, der als Einziger eine umsetzbare Lösung anbieten konnte. Die Herausforderung bestand darin, den Raum von den Höheneinheiten her bestmöglich auszunutzen, dabei aber die Servicewege für die Techniker nicht zu verbauen. Das heißt: Eine IT-Sicherheitszelle war von Anfang an ausgeschlossen. Gleichzeitig musste ein Konzept für die Stromversorgung erstellt werden. Zwar ist Energie im Überfluss vorhanden, sie musste jedoch kanalisiert und für Redundanzen genutzt werden. Die beiden Gewerke Windkraft und RZ sollten sich nicht untereinander beeinflussen, weder hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit noch beim wesentlich komplizierteren Brandschutz.
Die WindCores sind als verteiltes Colocation-RZ im Cluster konzipiert. (Bild: WestfalenWind IT)
Um die Klimatisierung, die Stromversorgung sowie den technischen und baulichen Brandschutz auf relativ kompaktem Raum zu realisieren, war eine sehr detaillierte Konzeptionsphase erforderlich, die sich über ein Dreivierteljahr erstreckte. Die Datentechniker haben das RZ dabei gewerkeübergreifend geplant und die Besonderheiten der Örtlichkeit berücksichtigt. Beispielsweise wurden Rückkühler, um die Wärme abzuführen, außerhalb des Turmes platziert, da der Turm oben gekapselt ist und ein Wärmekurzschluss gedroht hätte. Die Spezialisten übernahmen auch die Datenverkabelung und das Datennetz, ebenso wie das Monitoring durch den hauseigenen EnviMonitor. Energietechnik und RZ-Infrastrukturmanagement arbeiten dabei Hand in Hand: In Kooperation mit den Energietechnikfachleuten der ee technik GmbH, die den Windpark mithilfe der Siemens-Lösung WinCC überwachen, ist ein bidirektionaler Datenaustausch zwischen WinCC und EnviMonitor aufgesetzt, sodass man die Messwerte vergleichen und die Gesamtanlage auf größtmögliche Effizienz trimmen kann.
Hochverfügbarkeit im Custer
Die Realisierung verlief dann sehr schnell. „Wir haben Ende August damit begonnen, die erste IT-Infrastruktur zu installieren. Eine Woche später folgte die Datenverkabelung und Leitungsverlegung im Turm. Wieder eine Woche darauf wurde die Klimatisierung installiert. Seit Anfang Oktober ist das RZ betriebsbereit“, berichtet Frithjof Dubberke, Projektleiter und Geschäftsführer IT bei WestfalenWind. Um den begrenzten Raum optimal zu nutzen, entschieden sich die Planer dafür, vier einzeln stehende Racks zu verketten, von denen nur zwei Schränke fixiert sind. Die anderen beiden können, beispielsweise bei der Wartung eines Trafos, kurzfristig abgebaut werden. Um den Brandschutz entsprechend der DIN EN 1047-2 zu gewährleisten, wurden nebst einer Brandmeldeanlage sowie einer Brandfrüherkennung sogenannte DC-ITSafes der DC-Datacenter-Group GmbH sondergefertigt. Dabei handelt es sich um modular kombinierbare, voll ausgestattete RZ-Gehäuse, die absolut feuerbeständig sind.
Für die komplette RZ-Kapazität wurde eine gleichfalls modulare USV mit redundanten Kontrollern ausgelegt, die auch alle anderen Gewerke 15 bis 20 Minuten versorgen kann. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eine externe Netzersatzanlage an das RZ anzuschließen. Die sekundäre Anbindung des Datacenters wird indes über einen zweiten Netzbetreiber realisiert und ist damit deutschlandweit einzigartig. Die Zertifizierung durch den TÜV sieht eine Verfügbarkeitsklasse 3 des Turms vor. Da jedoch weitere Türme folgen sollen, die alle für sich die VK 3 vorweisen können, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit durch das Cluster aus USVs, Stromanbindung, Klimatisierung und Datenanbindung gleich null. Der Windpark als RZ erreicht damit eine VK 4.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „Rechenzentren und Infrastruktur“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Distributed Hosting im Windpark
Das Turm-RZ ist nur das erste eines als verteiltes Colocation-RZ geplanten Windparks, der unter dem Namen WindCores vermarktet wird. Die Strategie sieht vor, eine Vielzahl von Türmen mit Rechenzentren auszustatten. Unternehmen mieten sich in den Windpark ein und hosten ihre Daten dann zum Beispiel in drei verschiedenen Türmen. Dafür wurden im kompletten Windpark Single-Mode-Fasern verlegt, um ein Datennetz mit einer sehr schnellen Infrastruktur abzubilden. „Die Uni Paderborn ist dabei unser erster Kunde und wird ungefähr ein halbes Jahr lang einen Testbetrieb durchführen“, sagt Dubberke. „Da sie stark im Bereich Big-Data-Analyse tätig ist, profitiert die Hochschule entsprechend von den Strompreisen. Wir profitieren natürlich von den Erfahrungswerten.“