Anzug und Krawatte sind keine Berufskleidung
Von Marzena Sicking, heise resale
Was dem Mechaniker sein Blaumann ist dem Manager sein Anzug. In beiden Fällen handelt es sich um Arbeitskleidung. Auf die Idee, zu einem Kundenmeeting in Jeans und T-Shirt aufzutauchen, wird jedenfalls kein Vertriebsmitarbeiter kommen. Er muss aus beruflichen Gründen in sein Aussehen investieren und sollte diese Kosten auch absetzen können. Soweit die Theorie. Doch in der Praxis sehen Behörden, Finanzämter und Gerichte das leider anders.
So erlaubt das Steuerrecht den Abzug solcher Ausgaben nur, wenn diese ausschließlich durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst und für die Erzielung des Einkommens wirklich notwendig sind.
Nach Unterscheidungs- oder Schutzfunktion
Was Kleidung anbetrifft, betrachtet das Steuerrecht dabei nur typische Arbeitskleidung als „wirklich notwendig“. Das bedeutet: Sie muss eine Unterscheidungsfunktion haben, wie z.B. der Arztkittel oder die Polizeiuniform, oder eine Schutzfunktion ausüben. Beide Merkmale treffen auf Business-Kleidung nicht zu – auch wenn der Anzug des Managers gerne als „Uniform“ bezeichnet wird.
Daher können Anzüge, Kostüme etc. nicht steuerlich geltend gemacht werden, auch wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Kleiderwahl erwartet oder sogar vorschreibt. Gleiches gilt natürlich auch für Friseurbesuche.
Die Argumentation des Finanzamts lautet in der Regel: Frisur, Anzug oder Kostüm werden nicht nur im Job, sondern auch in der Freizeit getragen und damit sind die dazugehörigen Kosten keinesfalls mehr rein beruflich veranlasst. Da kann der Steuerzahler noch so oft beteuern, dass er seinen Rasen am Wochenende sicher nicht im Anzug mäht – es nützt nichts.
Vermögensberatung im ALG-Kittel
Diese Auffassung hat zuletzt auch das Bundessozialgericht in Kassel in seinem Urteil vom 19. Juni 2012 (Az. B4 AS 163/11R) bestätigt. Geklagt hatte eine Frau, die nachträglich ein höheres Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. Juni bis 30. November 2008 erstreiten wollte.
- Die Klägerin hatte zu dieser Zeit eine Halbtagsstelle bei einer Vermögensberatung aufgenommen, war aber weiterhin auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Das Amt rechnete ihr in der Halbtagsstelle erzieltes Einkommen an und bewilligte danach Leistungen, die deutlich geringer waren, als von der Frau erhofft. Denn sie war davon ausgegangen, dass die Kosten, die sie für die Business-Kleidung aufwenden musste, von dem Einkommen abgesetzt werden könnten.
Da dies nicht geschehen war, klagte sie – und scheiterte auch vor Gericht.
Fazit: Erscheinungsbild ist berufliche Privatsache
Denn auch das Bundessozialgericht bestätigte, dass es bei den Aufwendungen – unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Grundsätze – an einer Berücksichtigungsfähigkeit als Werbungskosten fehle. So seien sogenannte „gemischte Aufwendungen“, die sowohl dem privaten als auch dem beruflichen Lebensbereich zugeordnet werden können, grundsätzlich schon durch die Regelleistung abgedeckt.
Wie das Gericht betonte, sei eine Berücksichtigung von Aufwendungen über die steuerrechtlichen Grundsätze hinaus geboten, wenn dies nötig ist, um den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Doch ob in diesem Fall unter Umständen ein solcher weitergehender Leistungsanspruch vorhanden war, wollte das Gericht auf Basis der vorliegenden Informationen nicht entscheiden.