Das Treueverhältnis fordert Verschwiegenheit
Von der Fachredaktion anwalt.de
Den Gesetzgeber interessiert nicht, wer auf Ihrer Kundenliste steht oder ob Ihre Innovationen schützenswert sind. Ihn interessiert, ob Sie die Kundenliste passwortverschlüsseln und ob Sie eine Zugangskontrolle für die Entwicklungsabteilung eingerichtet haben. Die Definition kurz und gut: Vor dem Gesetz ist alles das ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, was Sie unter Verschluss halten, wofür Sie einen besonderen Schutz einrichten.
So wichtig es ist, über die Rechtslage und die bestehenden Verschwiegenheitspflichten Bescheid zu wissen, so klar ist ein anderes: Recht haben nützt unter Umständen wenig, wenn die Blaupausen in Fernost gelandet sind oder Mitbewerber ihr Angebot schon präzise unterboten haben. Jüngste Studien haben dabei mehrfach gezeigt, dass die Unternehmensgröße für Spione eine untergeordnete Rolle spielt: Auch arglose Mittelständler und selbst kleine Betriebe werden zum Ziel illegaler Neugier. Als Faustregel muss daher gelten: vorher klüger sein.
Von innen heraus ausgeplaudert
Der seltenere Fall dürfte die gezielte Spionage durch Eindringlinge von außen sein. Viel häufiger verlassen sensible Informationen ein Unternehmen von innen über die modernen Kommunikationsmittel und -techniken. So etwa auf den vielfach eingesetzten mobilen Datenträgern wie USB-Sticks, die sich schnell und unauffällig mitnehmen und vervielfältigen lassen. Oder im E-Mail-Verkehr, sei es durch ungeschützte Kommunikationswege oder durch die versehentliche Eingabe einer falschen Empfängeradresse.
Die Einführung ins Thema steckt das Feld der Gefahren ab und sagt, warum gerade KMU im Kreuzfeuer stehen. Teil 1 geht zum Lauschangriff über und hört mit, was passiert, wenn ausländische Agenten im Staatsauftrag mitmischen. Teil 2 setzt im Gegenzug bei Know-how- und Geheimnisträgern innerhalb der Firma an und will wissen, ob Angestellte dicht halten. Teil 3 prüft die IT-Verteidigung und gibt praktische Tipps, wie Schnüffler keine Chance haben. Teil 4 geht schließlich die Notfallpläne durch – damit der Schaden gering bleibt und die Täter nicht ungestraft davonkommen. Ein separater Sonderbeitrag warnt außerdem vor den gängigsten Schlichen, Tricks und Masken von Konkurrenz und Geheimdiensten.
Dabei ist nicht jedem Mitarbeiter vorsätzliches Handeln vorzuwerfen, oft geschieht die unbefugte Informationsweitergabe aus Fahrlässigkeit oder Bequemlichkeit.
Auch vor Chatrooms und ihren Web-2.0-Varianten, den Clustern sozialer Netzwerke, insbesondere zu fachlichen Themen, sei gewarnt – die Teilnahme mag zwar auch zum Prestige des Unternehmens beitragen, doch die Gefahr, dass zu viel internes Wissen ausgeplaudert wird, ist enorm.
Nicht zu vergessen sind die klassischen Methoden der Weitergabe: durch das Anfertigen von Kopien und das Ausdrucken wichtiger Unterlagen. Und auch alte Firmenrechner sollten stets fachgerecht entsorgt werden, damit nicht die – in den meisten Fällen gut leserliche – Festplatte in falsche Hände gerät.
Was genau heißt geheim?
Jede Tatsache, die sich auf das Geschäft oder den Betrieb bezieht, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und die die Geschäftsleitung erkennbar geheim halten will, stellt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dar. Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 2006 (Az.: 1 BvR 2087/03) sind Geschäftsgeheimnisse eher dem kaufmännischen, wirtschaftlichen Bereich eines Unternehmens zuzurechnen, z.B. Kunden- oder Preislisten. Informationen aus dem Betriebsablauf und der Technik gelten eher als Betriebsgeheimnisse, z.B. Konstruktionsverfahren oder technisches Know-how.
Angaben zum eigenen Beschäftigungsverhältnis wie z.B. das Gehalt darf der Arbeitnehmer grundsätzlich offenbaren, weil sie sich zunächst auf seine Person beziehen, allerdings kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter durch gesonderte Vereinbarung auch hierfür zum Schweigen verpflichten.
Teil 1 beginnt mit der Situation im Betrieb und sagt, was dort als vertraulich gelten kann. Teil 2 widmet sich den Rechtsmitteln bei Verstößen – und den vorbeugenden Strategien gegen Plaudertaschen.
Die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers ist durch die vertrauliche Behandlung von Unternehmensgeheimnissen nicht beeinträchtigt, denn ihm obliegt eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht.
Verschwiegenheitspflichten
Den einzelnen Mitarbeiter treffen sowohl gesetzliche Pflichten zur Verschwiegenheit als auch vertragliche.
Aus dem Gesetz
So ist jeder Mitarbeiter zur Bewahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 17 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verpflichtet. Auszubildende dürfen darüber hinaus auch nach § 13 Berufsbildungsgesetz (BBiG) keine Betriebsinterna ausplaudern ebenso wenig wie Betriebsratsmitglieder nach § 79 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Selbst die Erfindungen des Arbeitnehmers sind von ihm gegenüber Dritten geheim zu halten, nach § 24 Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbErfG), solange sie noch nicht „frei“ sind, z.B. indem der Arbeitgeber sie schriftlich „freigibt“ oder sie „beschränkt in Anspruch nimmt“ (§ 8 ArbErfG).
Sind Mitarbeiter im Betrieb mit der Datenverarbeitung befasst, so müssen sie das gesetzliche Datengeheimnis nach § 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einhalten.
Aus dem Arbeitsvertrag
Der Arbeitnehmer ist zudem auch aus dem Arbeitsvertrag heraus zum Stillschweigen über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verpflichtet, und zwar wegen des besonderen Treue- und Fürsorgeverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht erstreckt sich ferner auch auf solche Tatsachen und Umstände, die dem Arbeitgeber schaden, ihn benachteiligen oder gar öffentlich herabwürdigen könnten. Negative Äußerungen, z.B. über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens, sind selbst dann untersagt, wenn sie nachweislich stimmen.
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Diese Verschwiegenheitspflicht ergibt sich auch ohne gesonderte Vereinbarung bereits aus dem Arbeitsverhältnis selbst. In besonders sensiblen Bereichen empfiehlt es sich aber zur Klarheit oder Konkretisierung durchaus, eine entsprechende Zusatzvereinbarung zu treffen.
Die Verschwiegenheitspflicht setzt sich außerdem auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort, wenn der Arbeitgeber ein erkennbares besonderes Interesse daran hat, jedoch nur soweit sie den Arbeitnehmer nicht unzulässig in seiner Berufsfreiheit einschränkt. Möglich ist auch die Vereinbarung einer nachvertraglichen Geheimnisklausel – diese ist auch ohne eine gesonderte Entschädigung wirksam, so das Bundesarbeitsgericht.
- Dazu, wie Unternehmer im Auge behalten, dass Verschwiegenheitspflichten eingehalten werden, und zu den möglichen Rechtsfolgen eines Bruchs äußert sich Teil 2 dieser Serie.