Gemeinden leben von ansässigen Unternehmen
Von Sabine Philipp
In Deutschland müssen Gewerbebetriebe Gewerbesteuern an die Gemeinde zahlen, in der der Betrieb steht. Laut § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist ein Gewerbebetrieb eine „selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt“.
Es gibt allerdings etliche Ausnahmen, z.B. für die Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) sowie für die freien Berufe und andere selbständige Arbeit (§ 18 EStG). Welche Tätigkeiten zu den freien Berufen gehören, steht z.B. im Berufs-ABC der IHK Frankfurt/Main; wer außerdem von der Gewerbesteuer befreit ist, steht in § 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG).
Berechnung von Gewerbeertrag und Steuermessbetrag
Die Berechnung der Gewerbesteuer ist auch für den Mittelstand relativ komplex. Zunächst muss der Gewerbeertrag ermittelt werden (§ 7 GewStG). Hierzu kann auch der Gewinn aus einer Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs gehören. Außerdem werden dazu noch verschiedene Beträge addiert, die bei der Gewinnermittlung abgesetzt wurden. Was dazu konkret gehört, steht in § 8 GewStG. § 9 GewStG beschreibt dann, um welche Beträge der Gewinn und die Hinzufügungen aus § 8 gekürzt werden dürfen.
Laut § 11 GewStG darf der so ermittelte Gewerbeertrag zunächst auf 100-Euro-Beträge abgerundet werden. Einzelunternehmen und Personengesellschaften können noch einmal 24.500 Euro abziehen; wenn sie weniger Gewinn ausweisen, müssen sie keine Gewerbesteuern zahlen. Juristische Personen des Privatrechts wie z.B. Aktiengesellschaften oder GmbHs dürfen 5000 Euro subtrahieren. Insgesamt dürfen die Beträge aber nur in Höhe des abgerundeten Gewerbeertrags gekürzt werden. Ein Unternehmen, das einen Gewerbeertrag von 10.000 Euro hat, kann sich also nicht auf -14.500 Euro herunterrechnen. Für Kapitalgesellschaften gibt es keinen Abzug.
Im nächsten Schritt wird der Steuermessbetrag berechnet, indem der Gewerbeertrag mit der Steuermesszahl multipliziert wird; sie beträgt § 11 zufolge 3,5 % des Gewerbeertrags. Dieser Steuermessbetrag wird schließlich mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert, in der der Betrieb steht. Dieser Steuerhebesatz unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemeinde. Der Mindestsatz beträgt § 16 GewStG zufolge 200 %. In vielen Gemeinden ist er aber sehr viel höher. (Der DIHK hat die aktuellen Realsteuer-Hebesätze deutscher Städte mit über 20.000 Einwohnern online zusammengestellt).
Wenn sich ein Betrieb über mehrere Gemeinden erstreckt, verteilt sich auch die Gewerbesteuer entsprechend. Der Gesetzgeber spricht hier von Zerlegung (§ 28 ff. GewStG). Bei der Berechnung ist im Regelfall der Arbeitslohn entscheidend (§ 29 GewStG): Ein Unternehmen, das in Beispielhausen z.B. 70 % seiner gesamten Lohnsumme auszahlt, zahlt in Beispielhausen auch 70 % der Gewerbesteuer, und zwar mit dem Hebesatz von Beispielhausen.
Gewerbesteuer-Vorauszahlungen und Gewinnermittlung
Die Gewerbesteuer fällt im Voraus an. Am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November ist jeweils ein Viertel des Betrags fällig, der im vergangenen Jahr als zu zahlende Gewerbesteuer errechnet wurde. Am Ende des Geschäftsjahres, wenn es einen neuen Steuerbescheid gibt, werden diese Vorauszahlungen mit der tatsächlichen Steuerschuld verrechnet. Bei Existenzgründern bezieht sich Vater Staat auf die voraussichtlichen Einkünfte aus dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Wer allzu optimistisch ist, muss also stärker in Vorkasse treten.
Nun laufen die Geschäfte gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht immer gleich und nicht immer so gut wie im Vorjahr. Wenn das voraussehbar ist, kann man die Vorauszahlungen auch herabsetzen lassen. Dazu muss der Unternehmer schriftlich einen Antrag beim Finanzamt stellen und eine Gewinnermittlung für das laufende Geschäftsjahr beilegen. Die Gewinnermittlung sollte eine Begründung enthalten, warum das Unternehmen mit weniger Erlösen rechnet. Das kann z.B. der Wegfall eines Großkunden sein.
Fazit: Schwierige Standortpolitik
Die Gewerbesteuer ist in Deutschland die wichtigste Einnahmequelle der einzelnen Gemeinden. Vielerorts hängen Kindergärten, Straßen, Bauhofprojekte und kommunale Leistungen sehr direkt vom Erfolg einiger weniger ansässiger Unternehmen ab. Auf der einen Seite locken die Gemeinden daher oft mit niedrigen Hebesätzen (die sie im Rahmen des Gesetzes ja selbst bestimmen), um am eigenen Standort Gewerbe anzusiedeln – jedes Industriegebiet, jedes Gewerbegebiet ist so gesehen ein Denkmal der Gewerbesteuer. Andererseits sägt eine Gemeinde mit allzu niedrigem Hebesatz an dem Ast, auf dem sie sitzt: Je niedriger der Hebesatz, desto weniger Anteil hat die Kommune am Gewinn der ansässigen Firmen.
Die eigentliche Tragik daran ist, dass der Hebesatz für große Unternehmen oft sehr viel entscheidender ist als für Handwerker und mittelständische Unternehmen. Denn diese sind durch Kundenstamm, bestehende Anlagen und oft auch Firmentradition weit mehr an ihren Standort gebunden. Für Gründer wiederum kann das Argument Hebesatz eine entscheidende Rolle spielen.