PR-Attacke auf Passanten
Von Eike Schulze
Guerillakämpfer tauchen aus dem Nichts auf, handeln rasch und beweglich, in kleinen Gruppen – und oft enorm erfolgreich. Diese Taktik haben findige Werber auf die Werbung übertragen: Guerilla-Marketing setzt auf Hingucker und Mundpropaganda.
Das beste Beispiel, an dem sich das Verfahren vorführen lässt, ist ein Augenoptiker, der sich vor allem von den großen Filialisten abheben möchte: Wenn zwei Studenten mit Wassereimern über dem Kopf durch die Innenstadt laufen und T-Shirts tragen, auf denen „Mit Brillen von Optik-Beispielmeyer können Sie sich sehen lassen“ steht, ist das ein klassischer Fall von Guerilla-Marketing. Mit dieser Werbeform lässt sich auch mit kleinem Budget Aufmerksamkeit erzeugen, durch die man sich von anderen absetzt.
Kleinkrieg gegen Beliebigkeit
Der Begriff „Guerilla-Marketing“ kommt aus dem Militärjargon und überträgt die Taktik kleiner, beweglicher und irregulärer Kampfgruppen auf die Werbung: Sie muss schnell, flexibel und möglichst effektiv sein.
Neu ist die Idee indes nicht. Schon Mitte der 1960er-Jahre beschäftigten sich amerikanische Wirtschaftsuniversitäten mit der sich zuspitzenden Werbesituation. Sebastian Turner, Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz & Friends bringt es auf den Punkt: „Marketing-Kommunikation kostet immer mehr, leistet aber immer weniger.“ Und da z.B. Augenoptiker nicht gerade über riesige Werbebudgets verfügen, eignet sich diese Form des Marketings allemal. „Brain statt Budget“ sei die Devise, erklärt David Eichner, Kopf der Agentur Webguerillas, die sich auf Guerilla-Marketing im Internet spezialisiert hat. „Klassische Werbung wirkt nicht mehr klassisch“, meint Eichner. Gerade weil Produkte und Werbeformen immer austauschbarer werden, bietet Guerilla-Marketing die Möglichkeit, aus diesem Einerlei auszubrechen.
Aktionen werden Stadtgespräch
Im Idealfall wird der Firmenname oder ein Slogan über unkonventionelle Werbung zum Stadtgespräch. Dann stehen die Chancen gut, dass man im Gedächtnis der Kunden bleibt. Und Mund-zu-Mund-Propaganda ist ein wesentlicher Faktor im Guerilla-Marketing. Schließlich erreichen Sie nur diejenigen, die direkt vor Ort sind.
Kreativität ist dafür eine wesentliche Voraussetzung. Originelle Maßnahmen sprechen allerdings hauptsächlich junge Altersgruppen an und nutzen sich schnell ab – deshalb darf man sie nicht zu häufig einsetzen.
Aber Guerilla-Marketing umfasst nicht nur Maßnahmen, mit denen man in aller Munde ist. Es ist zunächst einmal eine umfassende Strategie, die jeden Werbe-Euro ohne große Streuverluste optimal einsetzen will. Damit aber medienwirksame Aktionen richtig wirken, muss man das Augenmerk auch auf die herkömmlichen Marketing-Maßnahmen richten, welche die Aktionen unterstützen. Deshalb kommt es darauf an, herkömmliche Marketing-Maßnahmen auf die unkonventionellen abzustimmen, um auch andere Altersgruppen zu erreichen. Nur so entsteht eine stimmige und glaubwürdige Außendarstellung. Und das ist ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit von Guerilla-Aktionen.
Der bereits erwähnte Optik-Beispielmeyer aus Celle ließ daher nicht nur 200 T-Shirts mit seinem Slogan drucken und verteilte sie kostenlos an Kunden – auch alle anderen Maßnahmen wurden überarbeitet:
- Der Slogan „Mit Brillen von Optik-Beispielmeyer können Sie sich sehen lassen“ prangt neben den Kontaktdaten auch auf den neuen Visitenkarten.
- Brillenetuis und Brillentücher tragen ebenfalls den Slogan.
- Im Schaufenster posiert eine Schaufensterpuppe mit dem T-Shirt.
- Gedruckte Flyer und Handzettel zeigen ein Foto der Studenten mit den Wassereimern, wie sie durch die Fußgängerzone marschieren. Diese Handzettel wurden dann an den „Hotspots“ ausgelegt, z.B. in Fitness-Studios, Vereinslokalen und im Bürgerzentrum.
Zufriedene Kunden in der Zeitung
Das Maßnahmenpaket unterstützt die Guerilla-Marketing-Aktionen, und der Slogan ist mittlerweile etabliert. Doch auch das lässt sich noch sinnvoll erweitern: durch Kundenreferenzen. Vielleicht finden sich Kunden, die sich in unserem Beispiel mit dem T-Shirt fotografieren lassen und eine Referenz für Anzeigen in Lokalzeitungen und Anzeigenblättern geben? Fotos eignen sich genauso für Handzettel oder die eigene Homepage im Internet. Zufriedene Kunden haben eine hohe Glaubwürdigkeit und erzeugen zusätzliche Aufmerksamkeit. (Mehr zu den verwandten Themen Freundschaftswerbung und Empfehlungsmarketing steht unter Virales Marketing.)
Mit T-Shirt-Aktionen lassen sich weitere Guerilla-Maßnahmen ergreifen: So kann man das Slogan-T-Shirt „Mit Brillen von Optik-Beispielmeyer können Sie sich sehen lassen“ natürlich zur Adventszeit auch einem Weihnachtsmann, zu Ostern einem Hasen oder zu Halloween einem Kürbiskopf überstreifen. Das ist dann ein besonderer Hingucker.
Eine andere Möglichkeit: Ein Hamburger Gastronom stellte Schaufensterpuppen auf, die T-Shirts mit dem Namen der Gaststätte trugen, und ließ sie auf einem Ponton über die Elbe ziehen – so fanden viele Hamburger den Weg in seine Kneipe. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt, und man bleibt mit diesen ausgefallenen Ideen im Stadtgespräch. Ganz nebenbei freut sich auch die Lokalpresse immer über ein außergewöhnliches Foto fürs Vermischte. So provozieren perfekt inszenierte Guerilla-Aktionen zwangsläufig PR – das Konzert konventioneller Maßnahmen wird durch unkonventionelle flankiert.
Ausgereifte Ideen machen Appetit
Da sich viele Guerilla-Marketing-Aktionen eher an das Publikum bis etwa 40 Jahre richten, kommt schnell die Frage auf: „Gibt es nichts, was auch ältere Semester begeistern kann?“ Doch. Auch hier gibt es zugkräftige, unkonventionelle Werbeinstrumente, die weniger skandalös und damit seriöser wirken, sich aber trotzdem vom werblichen Einerlei unterscheiden.
Zum Beispiel die Sache mit den Werbeäpfeln (Logofruits, siehe Beispielbild oben): Das Prinzip ist ganz einfach. Man nehme unreife Äpfel, beklebe sie mit einer Folie, auf der das eigene Logo aufgedruckt ist, und lasse sie in der Sonne ausreifen. Durch Sonneneinstrahlung und Photosynthese wird das Logo auf der Apfelschale sichtbar. Bevor man sich allerdings selber solchen Mühen unterzieht, empfiehlt es sich, Agenturen zu befragen, die auf so etwas spezialisiert sind. Ein Beispiel aus Hannover ist etwa novum! Werbemedien; die Agentur stellt sogar die entsprechende Produktqualität der Äpfel sicher.
Bleibt nur die Frage nach der richtigen Inszenierung: Entweder man beschränkt sich auf sein eigenes Geschäft und versucht, darüber das Verkaufsgespräch aufzulockern, oder man verteilt das PR-Obst in Fußgängerzonen, an Haltestellen oder in der Nähe publikumswirksamer Plätze als kleine Geschenke. Ein Nachteil liegt allerdings auf der Hand: Äpfel brauchen ihre Zeit zum Reifen, bis das Logo auf der Schale erscheint – diese Aktion braucht also genügend Vorlauf.
Fazit: zuschlagen und sichern!
Guerilla-Aktionen eignen sich, um schnell, kurzzeitig und lokal begrenzt auf sich aufmerksam zu machen. Viele dieser Ideen schlagen dabei nicht allzu sehr zu Buche, zeigen aber dennoch große Wirkung. Die meisten Guerilla-Aktivitäten wirken allerdings erst im Zusammenspiel mit den eher konventionellen Werbemethoden, denn nur so kann verhindert werden, dass die Guerilla-Werbung deplaziert wirkt. Außerdem bleibt der Werbeeffekt, der normalerweise nach kurzer Zeit nachlässt, dann über einen längeren Zeitraum erhalten, wenn die konventionellen Methoden auf die Guerilla-Aktivitäten abgestimmt sind. Sonst kann es sehr schnell passieren, dass man nur noch als „dieser Werbeoptiker“ in Erinnerung bleibt.
Nützliche Quellen und Links
Als Pionier und Propagandist von Guerilla-Marketing gilt Jay Conrad Levinson, dessen Band Guerilla-Marketing seit 1982 vielfach übersetzt, überarbeitet und erweitert wurde. Der Buchhandel ist von ihm momentan u.a. lieferbar: Die 100 besten Guerilla-Marketing-Ideen. Aus dem Englischen von Ines Bergfort. 2. Aufl. Frankfurt/Main, New York: Campus 2006. 259 Seiten, ISBN 978-3-593-38170-1. Beispiele für Guerilla-Marketing gibt es u.a. auf Webguerillas oder bei novum! Werbemedien, die u.a. Logofruits machen.