Das Finanzamt greift über den Handlanger zu
Von Sabine Wagner
Wie kann es sein, dass ein Unternehmen für die Steuerschulden eines Kunden haften sollte? Das Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, ist verständlich, doch es ist trügerisch: Das Finanzgericht Münster bejahte einen Haftungsdurchgriff für den Fall, dass der Geschäftsführer einer GmbH einem seiner Kunden Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hat.
Rechnungssplitting wird zum Boomerang
Im zugrundeliegenden Fall war ein Teil der Wareneinkäufe nicht abgerechnet worden. Einer der Geschäftsführer der Gesellschaft war rechtskräftig wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt worden. Die Gesellschaft befand sich in der Zwischenzeit in der Insolvenz. Der Insolvenzverwalter lehnte den Haftungsdurchgriff nach § 70 Abgabenordnung (AO) mit der Begründung ab, dass das Unternehmen keinen Vorteil aus der Tat erlangt habe.
Seinem Einspruch gegen den Haftungsbescheid war kein Erfolg beschieden (Urteil vom 10. Dezember 2013, Az. 2 K 4490/12). Die Klage hatte nur bezüglich der Zinsberechnung Erfolg. Darüber hinaus wurde sie als unbegründet abgewiesen.
Fazit: Haftbar bei Vermögensvorteil
Die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts bejaht eine Haftung nach § 70 AO: Die GmbH muss sich das Verhalten des Geschäftsführers zurechnen lassen. Damit muss sich die GmbH auch die Beihilfe zur Steuerhinterziehung zurechnen lassen. Aufgrund der falsch ausgestellten Rechnungen sei zumindest billigend in Kauf genommen worden, dass Steuern beim Kunden verkürzt werden.
Auch ein Haftungsausschluss nach § 70 Abs. 2 AO kam nicht in Betracht: Die GmbH hat einen Vermögensvorteil erlangt: durch die Sicherung der Kundenbeziehung. Und: Der Geschäftsführer selber hatte zudem auch einen Vermögensvorteil erlangt, da er zugleich Gesellschafter der GmbH ist.