Fernsehen gezielt adressieren
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
IP-TV ist der Sammelbegriff für einen Multimediadienst, der den Empfang von Fernsehprogrammen über den PC oder Laptop ermöglicht. Ähnlich wie beim mobilen TV können Inhalte unterschiedlicher Form kostenfrei oder kostenpflichtig angeboten werden. Für den Empfang ist in der Regel ein Breitband-Anschluss unerlässlich. Dies kann ein leitungsgebundener oder drahtloser Zugang sein.
Mit den neuen Möglichkeiten des Zugangs zum Internet bei Bandbreiten von derzeit bis zu 16 MBit/s (und bald mit VDSL 50 MBit/s) können nicht nur große Dateien schnell übertragen werden. Auch Bewegtbilder lassen sich in guter Qualität und mit hoher Auflösung übertragen.
Was ist eigentlich neu?
Damit sind die Zeiten vorbei, in denen man über das Internet nur kurze Videosequenzen in eher bescheidener Qualität zur Wiedergabe mittels Media Player, RealPlayer, VLC media player etc. übertragen konnte: Ab ca. 20 MBit/s. ist eine digitale Übertragung auch in Fernsehqualität ohne weiteres möglich.
Die erforderliche Bandbreite hängt von den Ansprüchen und der Kompressionsrate ab, mit der das Videosignal kodiert wird. So kann das Fernsehsignal also nicht nur per Kabel, über Funk nach DVB-T-Standard und via Satellit ins Haus, sondern auch über den stationären Internet-Anschluss. Der Inhalt kann entweder auf dem Monitor eines PCs wiedergegeben werden oder per Settopbox auf dem Fernsehbildschirm.
Anwendungen und Geschäftsmodelle
Die bloße Tatsache, dass Fernsehprogramme nun über einen weiteren Weg zugeführt werden, wird sicher keine Änderung der Nutzungsgewohnheiten ergeben. Die Chancen für die Anbieter liegen daher wohl weniger im Kopieren bestehender Angebote als vielmehr in den Bereichen, in denen bislang kein Angebot bestand. Für einen „klassischen“ Netzbetreiber mit einem Breitbandanschlussnetz bietet IP-TV die Möglichkeit, das eigene Angebot in Richtung Triple Play auszuweiten. Von Seiten der Deutschen Telekom ist ein solcher Schritt in Verbindung mit dem Aufbau des VDSL-Netzes sicher zu erwarten. Kabelnetzbetreiber haben dies ja bereits von der anderen Richtung durch Hinzunahmen von Sprachtelefonie und Internet-Zugang getan. Durch IP-TV wird die Angebotslandschaft also auf jeden Fall vielfältiger werden.
Special Interest
Da für die Verteilung kein neues Anschlussnetz erforderlich wird, sollte es möglich sein, über den Breitbandzugang auch spezielle Angebote für kleinere Zielgruppen wirtschaftlich anzubieten. In diesem Fall ist die Beschaffung des Contents eher eine Hürde, wie die Preise für die Übertragung mancher Sportprogramme belegen. Solche Inhalte, zu denen z.B. auch Kinofilme kurz nach der Premiere gehören, eigenen sich kaum für die Vermarktung an kleinere Zielgruppen.
Trotzdem gibt es Zielgruppen wie z.B. ethnische Gruppen und Anhänger ausgefallener Sportarten oder Hobbys, die Interesse an spezifischen Inhalten haben und dafür auch bereit sind zu zahlen. Die Begrenzung der verfügbaren Bandbreite im Kabelverteilnetz bringt es bislang mit sich, dass nur die Programme ausgestrahlt werden, die zahlenmäßig die meisten Zuschauer finden, so dass die Interessen kleinerer Marktsegmente unberücksichtigt bleiben müssen. Mithilfe von IP-TV könnte sich dies ändern.
Bewegte Newsletter
In eine ähnliche Richtung gehen Ansätze, für spezielle Anforderungen regelmäßig individualisierte Nachrichten zusammenzustellen und per Abonnement zu vermarkten. Vergleichbare Angebote sind spezielle Newsletter im Printmarkt, die hierdurch eine neue Konkurrenz bekommen werden. Die multimedialen Möglichkeiten des IP-TV erlauben neben dem gedruckten Text Bilder, Sprache und Filmsequenzen und können somit einen ungleich höheren Informationsgehalt transportieren. Trotzdem können immer noch ergänzende Textversionen zum Ausdruck bereitgestellt werden.
E-Learning
Eine andere Option ergibt sich durch die Interaktionsfähigkeit von IP-TV. Neben dem Entertainment-Umfeld mit interaktiven Spielshows könnte das E-Learning auf diesem Wege neue Impulse bekommen. Auch die Schulung und Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter kann durch den Einsatz von IP-TV verbessert werden. Gerade die Interaktivität verspricht eine bessere Einbindung des Lernenden, so dass Lernerfolge effizienter erzielt werden können.
Werbung und PR
Für Unternehmen kann IP-TV eine interessante Erweiterung ihrer Kommunikationsmöglichkeiten in Richtung Geschäftspartner und Kunden schaffen. Bannerwerbung kann mit Filmsequenzen unterlegt werden, Kunden-Newsletter werden durch entsprechende multimediale Inhalte aufgewertet, die Werbung kann neue Möglichkeiten zur Darstellung und Differenzierung einsetzen.
Aber nicht nur Werbung ist ein mögliches Feld. Die Vorstellung neuer Produkte kann lebendiger als mit einem gedruckten Prospekt erfolgen und die Bedienungsanleitung in Form eines Films erspart dem Anwender die manchmal schwierige Umsetzung der schriftlichen Beschreibungen.
Kundenservice
Ähnliche Möglichkeiten eröffnen sich im Servicefall. Die für einen Anwender teilweise schwer nachzuvollziehenden Informationen eines Hotline-Mitarbeiters am Telefon können durch spezielle Multimedia-Informationen für die häufigsten Probleme und Störfälle verständlich aufbereitet werden. Wenn diese Informationen auf der Website für Kunden zugänglich sind, lassen sich auf diesem Wege bereits eine Reihe von Standardanfragen erledigen, ohne dass ein Hotline-Mitarbeiter bemüht werden muss. Dies reduziert für das Unternehmen die Kosten, und der Kunde wird in der Regel mit der Problemlösung eher zufrieden sein, da sie besser verständlich, jederzeit verfügbar und wiederholbar ist.
Fazit: Interaktion statt Einwegfernsehen
Für IP-TV sind interessante Marktpotenziale zu erwarten, insbesondere im Bereich der Business-to-Business– und der Business-to-Consumer-Anwendungen. Im Bereich des traditionellen Fernsehens bietet IP-TV für klassische Netzbetreiber und MVNOs eine Möglichkeit zum Einstieg in Triple-Play-Angebote über Breitbandzugänge.
Die besondere Stärke von IP-TV und mobilem Fernsehen ist auf jeden Fall die Rückkanalfähigkeit, die als Basis für neuartige Informations- und Unterhaltungsformate dienen kann, die sich deutlich vom heutigen Verteilfernsehen unterscheiden können.