IT-Weiterbildung: Wie IT-Spezialisten ihr Wissen aktuell halten

Kaum ein Bereich ent­wickelt sich so schnell wie das IT-Wissen. Für Mit­arbeiter in Unter­nehmen stellt sich die Frage, wie sie ihre Kennt­nisse auf dem neuesten Stand halten, gleich­zeitig aber auch die all­täglichen Auf­gaben bewältigen. Wie schafft man also den Spagat zwischen Job und Weiter­bildung?

Der Job fordert laufend neues Know-how

Von Mehmet Toprak

Wer heute auf Podiums­diskussionen oder in Talk­shows über die enorme Bedeutung von Weiter­bildung spricht, erntet überall zu­stimmendes Kopf­nicken. Tatsächlich ist der Bedarf an Fort- und Weiter­bildungen so groß wie nie zuvor, gerade im Bereich des technischen Know-hows. Das gilt nicht nur für Menschen, die sich für einen neuen Job quali­fizieren, sondern auch für die Kollegen im Unter­nehmen, die ihr Wissen auf dem aktuellen Stand halten wollen.

Megatrends wie digitale Transformation, Industrie 4.0 oder das viel zitierte Internet of Things sorgen für neue hoch spezialisierte Aufgabenfelder und erfordern die Kombination vorhandener Wissensbereiche. Beispielsweise wird bei Industrie 4.0 klassisches IT-Wissen aus den Bereichen Programmierung, Hardware oder Internet mit Expertenwissen aus der Produktion verknüpft. Diese sogenannten Schnittstellenkompetenzen sind nach Ansicht von Arbeitsmarktexperten immer stärker gefragt. Auch Themen wie Big Data, Cloud Computing und natürlich der Dauerbrenner IT-Sicherheit „spielen in der Weiterbildung eine immer größere Rolle“, erklärt Henrik Schwarz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB).

Arbeit, die Sinn macht

Hinzu kommt ein anderer Trend, den die Deutsche Universität für Weiterbildung (DUW), gerade wieder in einer Umfrage festgestellt hat. Der Begriff von Karriere hat sich verändert. Viele streben heutzutage nicht einfach nach Beförderung, sie wollen eine interessante und sinnvolle Arbeit. Auch dazu kann eine Fortbildung einen wichtigen Beitrag leisten.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Bei­trag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“. Einen Über­blick mit Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Doch wie packt man es an, wenn man sein Know-how im Unternehmen auf dem neuesten Stand halten will? Wie kann man seine Kompetenzen durch Fortbildung gezielt ausbauen? In der Regel ist es nicht damit getan, Newsletter für Software-Entwickler oder Netzwerkadministratoren zu lesen oder abends dicke Bücher zu studieren. Ein guter Anfang kann es aber sein, Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn nach aktuellen Themen und Trends zu durchforsten. Schließlich sind da die Experten unterwegs, und so erkennt man schnell, was im eigenen Fachgebiet die aktuellen Trends sind und welche Probleme diskutiert werden. Wer Xing regelmäßig nach Jobangeboten durchforstet, merkt bald, wohin auf dem Arbeitsmarkt der Hase läuft und welche Qualifikationen gerade gebraucht werden.

Das mag ein guter Start sein, wird in vielen Fällen aber nicht ausreichen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Es muss also irgendeine Art von Kurs her. Da jede Fortbildung in der Regel einen erheblichen Aufwand an Zeit und oft auch Geld darstellt, braucht man einen guten Plan. BiBB-Mitarbeiter Henrik Schwarz empfiehlt, sich zuerst einmal zu überlegen, „welche beruflichen Ziele man anstrebt und welche Entwicklungsmöglichkeiten man im Unternehmen hat“. Dafür nimmt man am besten Kontakt mit einem Vorgesetzten auf und klärt, welche Chancen sich in der eigenen Firma bieten. Viele Unternehmen haben selbst Weiterbildungskurse im Angebot oder arbeiten mit externen Kursträgern zusammen. Manche helfen auch bei der Finanzierung eines solchen Kurses. Betriebsrat oder Personalchef sind hier ebenfalls gute Ansprechpartner.

Lernen unter Palmen
Die ideale Lösung wäre wohl ein Bildungsurlaub. Der Anspruch auf Weiterbildung während der Arbeitszeit in Form eines Bildungsurlaubs ist in Deutschland gesetzlich geregelt, wird aber in den Bundesländern ganz unterschiedlich gehandhabt. Hier gilt es, eine externe Beratung über Fördermöglichkeiten zu nutzen. Diese gibt es etwa bei den Handelskammern, den Bildungsträgern oder auch bei der Agentur für Arbeit. Die können dann auch darüber informieren, ob ein Anspruch auf Bildungsurlaub besteht.

Fortbildung auf dem Sofa

Das Angebot auf dem Bildungsmarkt ist riesig. Neben den klassischen Präsenzkursen, Workshops und Seminaren sind heute E-Learning-Formate wie Webinare, Videoschulungen oder Online-Kurse weit verbreitet. Am besten dürfte immer noch der Präsenzkurs sein, der mit Online-Materialien ergänzt wird (sogenanntes Blended Learning). Nur im Klassenzimmer kann man Fragen stellen und sich mit anderen Teilnehmern direkt austauschen, denn das soziale Miteinander beim Lernen bringt fast immer bessere Ergebnisse als das einsame Studium vor dem Bildschirm. Gerade große Unternehmen bevorzugen oft diese klassischen Seminarformen. Für kleinere und mittlere Unternehmen, die weniger Budget zur Verfügung haben, stellt E-Learning, beispielsweise mit Webinaren oder Videoschulungen, eine Möglichkeit dar, Mitarbeiter kostengünstig weiterzubilden.

Eine auf den ersten Blick sehr bequeme Form des Lernens sind Videoschulungen, wie sie beispielsweise video2brain anbietet. Der Videospezialist gehört inzwischen zum Business-Netzwerk LinkedIn. Neben Kreativthemen aus den Bereichen Webdesign und Fotografie bildet auch der IT-Bereich einen Schwerpunkt. Praktisch am Medium Video ist, dass der Nutzer die Filme beliebig vor- und zurückspulen und an jeder Stelle stoppen kann. So bestimmt jeder sein individuelles Lerntempo. Die Videos lassen sich auf der Website als Stream abrufen oder ganz klassisch als DVD kaufen. Manche Unternehmen sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, bei video2brain Abos für die Mitarbeiter abzuschließen. Auf diese Weise ist für eine kontinuierliche Weiterbildung gesorgt.

Audio und Video von der Learntec 2020

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Bild: Matthias Tüxen – MittelstandsWiki

Interviews von der Learntec in Karlsruhe gibt es mit

Pauken mit Kind und Kegel

Ein wesentliches Kriterium für die Kurswahl besteht darin, zu wissen, welcher Lerntyp man ist. Videoschulungen oder Online-Kurse sind zwar billiger und bieten den Vorteil, dass der Kandidat sich die Zeit beliebig einteilen und das Lerntempo selbst bestimmen kann. Sie erfordern aber auch eine Menge Selbstdisziplin. Nicht jeder schafft es, nach dem Job abends noch zwei Stunden für das elektronische Fernstudium dranzuhängen. Schwierig ist das oft auch, weil andere Teilnehmer fehlen, die einen beim Lernen motivieren. Die persönliche Lebenssituation spielt also eine wichtige Rolle. Wer als Verheirateter von der Familie in die Pflicht genommen ist, wird sich schwertun, jeden Abend für zwei Stunden im Arbeitszimmer zu verschwinden. Wer mit einem Freund zusammenwohnt, der vielleicht auch gerade in Prüfungsvorbereitung steckt, hat es da deutlich leichter.

Ein weiteres Problem des Fernstudiums: Es eignet sich gut für die Vermittlung von Wissen, aber kaum für das praktische Training. Wenn es etwa darum geht, die Bedienung einer Maschine einzuüben, läuft das nicht am Bildschirm. Auch die immer wichtiger werdenden Social Skills, die etwa ein Projektleiter bei der Führung eines Teams benötigt, lassen sich nicht beim E-Learning trainieren.

Angebote auf dem Prüfstand

Wer sich für ein Thema und einen Kurstyp entschieden hat, sollte bei der Wahl des jeweiligen Bildungsinstituts oder Kursträgers aufmerksam bleiben. Natürlich schaut man zuerst mal auf die Kosten und prüft, was man für sein Geld bekommt. Ganz ähnlich wie vor dem Antritt einer Reise: Auch da klärt man vorab, welcher Leistungsumfang versprochen wird, und ob die Cocktails im Preis inbegriffen sind.

Der Interessent sollte also eine Checkliste mit Fragen aufstellen. Auf wie viele Stunden oder Unterrichtseinheiten ist der Kurs begrenzt? Gibt es Rabatt, wenn man mehrere Kurse hintereinander bucht? Was passiert, wenn man vorzeitig abbricht? Bei manchen Anbietern ist es möglich, den Kurs ohne Extrakosten zu unterbrechen. Welche versteckten Kosten fallen möglicherweise an? Gibt es Anmeldegebühren, fallen bei Prüfungen nochmals Kosten an? Ist das Lehrmaterial im Preis drin? Gibt es eventuell Vergünstigungen für bestimmte Zielgruppen?

In diesem Zusammenhang kann man auch bei Arbeitsagenturen oder Handelskammern nachfragen, welche Möglichkeiten der Förderung es gibt. Mit dem Vorgesetzten könnte man eventuell eine Freistellung vereinbaren, sofern ein Bildungsurlaub nicht infrage kommt. Zu fragen ist auch, ob der Kurs spezielle Angebote im Programm hat, beispielsweise Zusatzstunden mit dem Kursleiter oder besondere Lernmaterialien. Viele Dienstleister werben mit Zertifikaten und Gütesiegeln oder verweisen auf ihr Qualitätsmanagement. Das erhöht das Vertrauen, dass man es mit einem seriösen Anbieter zu tun hat.

Bei E-Learning-Formaten wie etwa den videogestützten Webinaren oder Online-Seminaren sollte man darauf achten, dass die Kurse interaktiv arbeiten und beispielsweise die Möglichkeit bieten, online Fragen zu stellen. Hilfreich sind auch Chat-Foren, in denen sich Teilnehmer und Kursleiter austauschen können. Manche Kursträger richten spezielle Online-Fragestunden mit einem Kursleiter oder Experten an.

Lehrpläne nach Maß

Die Entwicklungen in der Weiterbildungsbranche haben nicht zuletzt auch mit den veränderten Karrierevorstellungen vieler Menschen zu tun. Statt fest definierter Kursinhalte für eine bestimmte Qualifikation liegt nun der maßgeschneiderte Kurs für bestimmte Zielgruppen und Projekte im Trend. Das belegt beispielsweise eine Umfrage des IT-Dienstleisters CSC unter 1000 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Deutschland. Die wünschen sich Schulungen, bei denen sie selbst „ihre persönliche Entwicklung aktiv gestalten können.“ Die herkömmlichen Fortbildungskurse mit ihren starren Lehrplänen sind demnach out. E-Learning-Plattformen haben hier eindeutige Vorteile. Der Lerner kann seinen Kurs individuell zusammenstellen.

Wer seine persönliche Weiterbildung gut organisiert hat, wird es nicht bereuen. Auch wenn unter Umständen ein Jobwechsel ansteht. Denn der Arbeitsmarkt hat derzeit reichlich Bedarf an gut ausgebildeten IT-Experten. Nach einem aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit werden Experten derzeit besonders im Bereich Informatik und Softwareentwicklung gesucht. Vor allem in Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen ist der Fachkräftemangel spürbar.

Learning on the Job

Mitarbeiter, die in global operierenden Unternehmen tätig sind, müssen sich unter Umständen gar nicht mehr selbst darum kümmern, ob ihr Know-how auf dem neuesten Stand ist. Bei Siemens beispielsweise kümmert sich ein interner Dienstleister, der Learning Campus, um die Fortbildung der Kollegen. Für Siemens ist das nichts anderes als Teil einer gezielten Personalentwicklung. Der Learning Campus arbeitet mit den jeweiligen Abteilungen oder Teams von Siemens zusammen. Dabei werden Entwicklungsziele definiert, Lernprogramme für Jobprofile entwickelt und dafür nötige Kompetenzen definiert. Auf Basis dieser Daten werden dann maßgeschneiderte Workshops, Coachings oder Seminare organisiert. Sein aufgefrischtes Know-how kann der Mitarbeiter dann auch international einsetzen – natürlich innerhalb des Konzerns. Laut Siemens haben allein im vergangenen Jahr 4068 Mitarbeiter aus 70 Ländern an solchen Programmen teilgenommen.

Einen ähnlich hohen Stellenwert hat die interne Fortbildung auch beim IT-Giganten Fujitsu. Das Fujitsu-Konzept basiert auf einem 70-20-10-Prinzip: 70 % der Lernaktivitäten gründen auf den Alltagserfahrungen im Beruf und 20 % erfolgen durch Austausch und Rückmeldungen von Kollegen und Management. Die verbleibenden 10 % schließlich bestehen aus dem formalen Lernen, worunter dann auch Kurse und Seminare fallen. Fujitsu versucht also, das tägliche Lernen im Arbeitsalltag durch gezieltes Coaching und Feedback zu optimieren und bei Bedarf durch Fortbildungen zu ergänzen.

Mir bringt Wissen etwas

So zeigt sich auch bei den Unternehmen der Megatrend der Bildungsbranche. Fortbildung 2.0 bedeutet, dass Kursinhalte individuell angepasst und unterschiedliche Lern-und Medienformen miteinander kombiniert werden. Wenn dabei am Ende nicht nur das Know-how immer auf aktuellem Stand bleibt, sondern auch der Karrieremotor brummt und die Arbeit mehr Spaß macht, kann das nur gut sein.

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