Die erste deutsche Hyperinflation von 1918 bis 1923
Die erste Hyperinflation der neueren deutschen Geschichte war eine Folge des Ersten Weltkriegs und fand in den Jahren 1918 bis 1923 statt. Ihre Wurzeln reichen jedoch in das Jahr 1914 zurück. In diesem Jahr beschloss die Reichsregierung, die voraussichtlichen Kriegskosten durch eine weit über die Wirtschaftsleistung des Kaiserreichs hinausgehende, kalkulierte Staatsverschuldung zu finanzieren.
Ein Finanzierungsproblem und sein Verlauf
Die mit der Staatsverschuldung einhergehende Inflation und den in Folge sinkenden Wohlstand – so glaubte man – könne man nach dem Sieg auf Kosten der Besiegten wieder ausgleichen. Außerdem war die mit der Inflation einhergehende Dämpfung des privaten Konsums Teil des Plans. Die dadurch eingesparten Rohstoffe und Humanressourcen sollten dem Militär zugutekommen. Darüber hinaus sollte die Inflation durch die Entwertung der Sparguthaben einen Teil des privaten Vermögens abschöpfen.
Unter den zahlreichen flankierenden staatlichen Maßnahmen auf dem Weg zur gelenkten Inflation waren die Aufhebung der Noteinlösepflicht und der gesetzlichen Golddeckung der sogenannten Goldmark – aus der so die Papiermark wurde – die historisch wahrscheinlich folgenreichsten Schritte. Eine dritte, propagandistisch besonders unterstützte Maßnahme war die Ausgabe sogenannter Kriegsanleihen.
Mit der Niederlage geriet die Inflation außer Kontrolle
Als statt des erhofften Sieges die reale Niederlage eintrat und zusätzliche Reparationszahlungen die Staatsschulden noch weiter in die Höhe trieben, druckte die Reichsregierung in einer ersten Reaktion im großen Stil Papiergeld nach. Dass dies keine zusätzlichen Werte schaffen, sondern nur den Wert des Geldes reduzieren würde, war der Regierung zwar klar, aber die Druckerpresse verschaffte ihr in einer innenpolitisch sehr kritischen Phase etwas Zeit.
In der Hyperinflation 1918–1923 verlor die Papiermark exponentiell an Wert. (Bild: Michael J.M. Lang)
Alle Faktoren zusammen mussten letztlich jedoch zum Zusammenbruch der Währung sowohl im Binnenverhältnis (im Staat) als auch im Außenverhältnis (gegenüber anderen Währungen) führen. Bereits zwischen 1914 und 1918 war der Wert der Papiermark auf rund die Hälfte geschrumpft. Nach dem Kriegsende 1918 bis zur Währungsreform 1923 verlor die Mark jedoch exponentiell an Wert. Dauerte es zwischen 1920 und 1922 noch durchschnittlich ein halbes Jahr, bis der Wert um jeweils den Faktor zehn sank, waren es 1923 nur noch rund zwei Wochen. Am 20. November 1923 war so aus einer Goldmark von Juli 1914 eine Billion (1.000.000.000.000) Papiermark geworden.
Der Zusammenbruch mündete unausweichlich in eine Währungsreform: Durch die Gründung der Deutschen Rentenbank am 15. Oktober 1923 und die Einführung der sogenannten Rentenmark als Ersatz für die abgewirtschaftete alte Mark sollte schnell ein neues, vertrauenswürdiges Geldsystem installiert werden. Dazu musste die neue Währung wieder eine Deckung durch reale Werte besitzen – so, wie zuletzt die Goldmark durch ihre Deckung über den realen Goldbestand des Reichs.
Mit einer stabilen neuen Währung kehrte das Vertrauen zurück
Mangels der nicht mehr vorhandenen Goldreserven legte man für die neue Währung eine Deckung durch Grundschulden auf den Grundbesitz des Reichs und dessen Anlagenkapital fest. An die Stelle der Papiermark trat die Rentenmark. Der Begriff „Rente“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Deckung der Rentenmark nicht durch aktive Leistungen der Reichsbürger, sondern durch die Belastung vorhandener Realwerte gewährleistet war. Eine Deckung durch die Wirtschaftsleistung hätte so unmittelbar nach der Kapitulation kein Vertrauen gefunden.
Da aber eine Deckung auf der Basis eines vorhandenen Realwerts ohne Einbeziehung der dynamischen Wirtschaftsleistung auf Dauer der Wirtschaftskraft eines Staates nicht gerecht werden kann, war klar, dass die Rentenmark nur eine Übergangswährung sein konnte. Deshalb wurde bereits wenige Monate später, am 30. August 1924 – nach Wiedererrichtung der Reichsbank – die temporäre Rentenmark ihrerseits durch die dauerhafte Reichsmark ersetzt und damit die Währungsreform endgültig abgeschlossen.
Blick über den Tellerrand: Ideologie statt Aufklärung
Der rein ökonomische Blick reicht nicht aus, um die gesamte Tragweite dieser Hyperinflation zu erfassen. Da die Geldentwertung zwar schon während des Krieges begonnen hatte, aber erst nach Kriegsende 1918 – und damit nach der Abdankung Wilhelms II. und der Gründung der Weimarer Republik – exponentiell anstieg, verbanden große Teile der Bevölkerung die Hyperinflation mit der jungen Republik. Vor allem die ärmeren und ungebildeteren Schichten, darunter die Arbeiterschaft und die untere Mittelschicht fühlten sich von den demokratischen Kräften zunehmend verraten und warfen diesen Unfähigkeit zur Lösung der finanziellen Notlage vor. Innerhalb kurzer Zeit entstand so ein höchst fruchtbarer Boden für die reaktionären Parolen monarchistischer Kreise.
Die Unausweichlichkeit dieser Inflation, ihre wahren Wurzeln und die eigentlich Schuldigen zu erkennen, dazu hätte es eines ökonomischen Grundwissens bedurft, das nur die gebildete Oberschicht besaß. Diese hatte als Teil der Ursache und Komplize jedoch kein Interesse an einer allgemeinen Aufklärung.
Die zwischen den beiden Weltkriegen wachsende Sehnsucht nach einer starken Hand, einem politischen Messias, darf daher kaum verwundern. Als Hitler dann auch noch die ideologische Versöhnung der nationalen und der sozialistischen Kräfte zum Wohl eines wieder erstarkenden Deutschlands versprach, waren seine Popularität und sein Aufstieg nicht mehr aufzuhalten.
Weiterführende Literatur
- Carl-Ludwig Holtfrerich: Die deutsche Inflation 1914–1923: Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive. Berlin u.a.: de Gruyter 1980, ISBN 978-3-110-08318-7, ca. 95 Euro.
- Alexander Philipp, O. Binnewies, D. Franchi: Die Deutsche Inflation 1914–1923. Ursachen und Verlauf. München: GRIN Verlag 2007, ISBN 978-3-638-59918-4 (E-Book)/978-3-638-67158-3 (Taschenbuch), GRIN, ca. 15 Euro (E-Book)/16 Euro (Tb).
- Frederick Taylor: Inflation. Der Untergang des Geldes in der Weimarer Republik und die Geburt eines deutschen Traumas. München: Siedler 2013, ISBN 978-3-8275-0011-3 (gebundene Ausgabe)/978-3-641-10490-0 (E-Book), ca. 25 Euro (gebunden)/ca. 20 Euro (E-Book).