Spitzenkräfte aus der IT-Forschungsregion
Von Mehmet Toprak
Der Wettbewerb um die besten Köpfe der Tech-Branche ist auch ein Wettbewerb der Städte und Regionen. Ein guter Indikator hierfür sind Universitäten und Forschungseinrichtungen. Metropolregionen wie München, Hamburg oder Berlin gelten als die attraktivsten Plätze für Informatik-Studenten und IT-Experten. Im Mai 2018 hat der Branchenverband Bitkom Hamburg zur „Hauptstadt der IT-Experten“ ausgerufen. Denn im Hansestadtstaat arbeiten „4 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als Informatiker oder in anderen ITK-Berufen.“ Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt der Länder liegt der Anteil bei 2,3 %.
Auf nach Hamburg also? Wer genauer hinsieht, merkt schnell, dass es auch weniger prominente Regionen gibt, die für Informatiker ausgezeichnete Studienangebote bereithalten. Nicht nur im feinen Hamburg oder im erfolgsverwöhnten Bayern sind Informatiker gut aufgehoben, auch in Hessen oder in Baden-Württemberg lässt es sich gut studieren und arbeiten. Nicht zu vergessen: Deutschlands kleinstes Flächenland, das Saarland.
Saarbrücken: Campus im Dreiländereck
In Saarbrücken studieren Informatik-Studenten am renommierten Saarland Informatics Campus. Die Uni bietet das ganze Spektrum an IT-bezogenen Studiengängen. Neben der Informatik und der Computerlinguistik sind das unter anderem Bioinformatik, Cybersicherheit, Medieninformatik sowie auch weniger bekannte Studiengänge wie Embedded Systems, Language and Communication Technologies oder Visual Computing. Zu den besonders spannenden und zukunftsträchtigen Studiengängen dürfte neben Cybersicherheit der interdisziplinäre Master-Studiengang Visual Computing gehören.
Footstriker: Auf der Cebit 2018 stellten das DFKI und die Universität des Saarlandes einen smarten Laufassistenten vor, der Sportlern die Vorderfuß-Lauftechnik antrainiert und damit Knieverletzungen vorbeugt. (Bild: Oliver Dietze – Saarland Informatics Campus)
Auch in der Politik genießt der Campus offenbar einen guten Ruf. Im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder wird das Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“ mit insgesamt 40 Millionen Euro gefördert.
Nach eigenen Angaben sind 800 WissenschaftlerInnen und 1700 Studierende aus 81 Nationen am Campus versammelt. Sie studieren an sechs „weltweit angesehenen Forschungsinstituten“. Besonders stolz sind die Saarbrücker auf das Betreuungsverhältnis. Auf vier Studenten kommt ein Forscher. Die Vorlesungen finden ab dem fünften Semester komplett in Englisch statt.
Für Studierende ist neben dem eigentlichen Studium auch interessant, ob in der Region auch potenzielle Arbeitgeber oder Forschungsinstitute liegen. Auch hier hat die Uni gute Karten. In unmittelbarer Nachbarschaft der Informatik-Institute, direkt auf dem Campusgelände liegen die Max-Planck-Institute für Informatik und für Softwaresysteme sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Da ist möglicherweise nicht nur ein Forschungspartner, sondern gleich ein künftiger Arbeitgeber auf dem Gelände. Dass der Campus im Dreiländereck von Deutschland, Frankreich und Luxemburg liegt, schadet der Attraktivität des Standorts sicher auch nicht – eine ganze Menge Gründe also, dass Saarbrücken als Topstandort für Informatik-Studenten gelten darf.
Der Einführungsbeitrag gibt eine erste Übersicht für Gründer und Start-ups. Dabei interessiert auch die Frage, wie sich die Locations auf den eigenen Erfolg und die Karriere auswirken. Teil 1 stellt dann konkrete Beispiele aus Berlin, Hamburg und anderen Orten im deutschen Norden und Osten vor. Teil 2 reist nach Köln, Dortmund, Mainz und Gummersbach, um die Technologiezentren an Rhein und Ruhr zu sichten. Überraschungen hat auch der Südwesten parat, von dem Teil 3 berichtet – aus Darmstadt und Stuttgart ebenso wie aus dem beschaulich-umtriebigen Bad Orb. Teil 4 geht schließlich in den Postleitzahlenbereich 8 und 9 nach Bayern und Thüringen: Auch außerhalb von München bekommen Gründer gute Unterstützung. Sonderbeiträge geben außerdem Auskunft über die Innovations- und Gründerzentren in Österreich und die dortige Start-up-Szene.
Karlsruhe: IT-Forschung seit 1958
Als bedeutender Hochschulstandort in Baden-Württemberg gilt Karlsruhe. Auch im Bereich Informatik ist die ehemalige Haupt- und Residenzstadt stark. Ein Beispiel wäre das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit der Fakultät für Informatik. Hier beschäftigen sich Forscher schon seit 1958 mit den „elektronischen und digitaltechnischen Grundlagen moderner Computer“. Die Fakultät umfasst insgesamt sieben Institute. Neben klassischen Studiengängen wie Informations- und Wirtschaftsrecht, Theoretische und Technische Informatik oder Telematik stehen den Studierenden auch Institute mit Trendthemen wie Anthropomatik und Robotik oder Visualisierung und Datenanalyse offen.
Neben dem Abschluss selbst hat natürlich auch der Ruf des jeweiligen Instituts und des Lehrstuhls Einfluss auf die beruflichen Chancen nach dem Studium. In den einschlägigen Hochschulrankings belegen die Institute in Karlsruhe regelmäßig Spitzenplätze.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Heidelberg: Wissenschaft und Neuroscience
Für die Zunft der Headhunter, Recruiter und Personalverantwortlichen sind die Universitäten ein ideales Terrain für die Suche nach gut ausgebildeten neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei sollten sie das altehrwürdige Heidelberg nicht übersehen. An der 1386 (!) gegründeten Universität – eigentlich eher berühmt wegen der geisteswissenschaftlichen, theologischen und philosophischen Fakultäten – sind die Fachbereiche für Informatik und Mathematik auf dem neuesten Stand.
Als Bachelor-Studiengang gibt es hier Mathematik und Angewandte Informatik. An diese schließen sich die Masterstudiengänge Mathematik, Scientific Computing, Technische Informatik und Angewandte Informatik an. Die Universität legt nach eigenen Angaben den Schwerpunkt stark auf die Forschung – gut für Studierende mit stark mathematischer Schlagseite, die nach dem Bachelor nicht gleich den Markt mit einem Start-up aufmischen wollen, sondern sich auch für die theoretische Seite der Informatik interessieren.
Auch einige Forschungsverbünde sind an der Heidelberger Universität zu Hause. Jüngst wurde beispielsweise das Exzellenzcluster Structures bewilligt. Zu erwähnen wäre auch das Bernstein Center Computational Neuroscience, bei dem die Universität Heidelberg mit dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim zusammenarbeitet.
Stuttgart: Komplettangebot plus Trendthemen
Auch wenn die Website ein wenig altbacken daherkommt, die Hochschule für Technik in Stuttgart bietet ein sehr solides Informatikprogramm. Unter anderem gibt es neben der Wirtschaftsinformatik und dem Software-orientierten Bachelor-Studiengang Informatik auch Informationslogistik und einen englischsprachigen Master-Studiengang Software Technology. Insgesamt stehen sechs Studiengänge zur Auswahl.
Eine gute Adresse ist außerdem die Fakultät 5 (Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnik) der Universität Stuttgart. Der 1970 gegründete Fachbereich genießt heute internationale Anerkennung. Die acht Institute decken das ganze Spektrum der Informatik ab. Neben den klassischen Themen wie Informationssicherheit oder technische Informatik gibt es auch ein Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme und ein Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung und eines für Parallele und Verteilte Systeme, das sich auch mit Machine Learning und Robotik beschäftigt.
Wer beim Studieren den Fokus nicht nur auf den schnellen Abschluss legt, sondern sich auch die Option der Forschung offenhalten will, dürfte an der Universität Stuttgart an der passenden Adresse sein. Deren Informatik-Experten wollen sich auch in der Wissenschaft hervortun und haben mehrere Forschungsfelder definiert. Dazu zählen auch stark zukunftsorientierte Themen wie Algorithmen, Data Engineering, eingebettete Systeme oder Mensch-Maschine-Interaktionen.
Freiburg im Breisgau: Die junge Fakultät
Erst 1995 wurde das Institut für Informatik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gegründet. Es bildet gemeinsam mit dem Institut für Mikrosystemtechnik die technische Fakultät der Freiburger Uni. Vielleicht ist es durchaus von Vorteil, dass die Fakultät so jung ist, so konzentrieren sich die 21 Professoren mit ihren 100 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und 600 Studierenden auf topaktuelle Informatik-Themen wie kognitive technische Systeme, Robotik, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen oder Bildverarbeitung und Computergrafik, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die Liste der Arbeitsgruppen an der Fakultät lesen sich wie eine komplette Liste der Megatrends und Top-Themen, mit denen sich Wirtschaft und Forschung in den letzten Jahren beschäftigen. Sieben Studiengänge stehen derzeit zur Auswahl.
Nicht nur die Lehre, auch die Forschung wird in Freiburg intensiv betrieben. Schwerpunkte gibt es hier in den Bereichen kognitive technische Systeme, Cyber-physical Systems und Informationssysteme.
Wiesbaden und Darmstadt: Zukunftstaugliche Systeme
In der Landeshauptstadt Hessens hat die Hochschule RheinMain den Fachbereich Design Informatik Medien eingerichtet. In der Informatik gibt es neben den klassischen Studiengängen auch den besonders trendigen Studiengang Smarte Systeme für Mensch und Technik. Der Masterstudiengang ist laut Hochschule besonders für Studierende geeignet, die später im Bereich innovativer Forschung oder Entwicklung tätig sein möchten.
Die Technische Universität Darmstadt sieht sich als die „führende forschungsorientierte Universität im Großraum Rhein-Main-Neckar mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Informatik und Ingenieurwissenschaften“. Neben den praxisbezogenen Bachelor- bzw. Master-Studiengängen können Interessenten aus fünf spezialisierten Master-Angeboten wählen. Diese tragen allesamt das Prädikat „zukunftstauglich“. Zur Auswahl stehen Themen wie Distributed Software Systems, Internet-und Web-basierte Systeme, IT-Sicherheit, Visual Computing und autonome Systeme jeweils als eigene Studiengänge.
Daneben gibt es Forschungsaktivitäten in sechs Schwerpunktbereichen, darunter Computational Engineering, IT-Sicherheit, Netze und verteilte Systeme sowie Data Science. Ergänzt wird das Angebot durch eine Reihe von Exzellenzprogrammen. Zusätzlich hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft sogenannte Sonderforschungsbereiche eingerichtet, zum Beispiel den Forschungsbereich Crossing zum Thema Kryptografie und Gesellschaft.
Sprungbrett für Forschung und Beruf
Egal ob in Hessen, Baden-Württemberg oder im Saarland, das Informatik-Studium an deutschen Universitäten hat längst das dröge Nerd-Image abgelegt. Exzellenzprogramme und Forschungsschwerpunkte decken alle wesentlichen Zukunftsthemen ab, die Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahren beschäftigen werden.