Eine Klasse für sich
Von Mehmet Toprak
Keine Lust mehr auf den stressigen Job als IT-Admin? Keine Lust mehr auf Hilferuf-Mails von Mitarbeitern, die immer noch nicht verstanden haben, wie man aus dem Homeoffice auf Netzwerklaufwerke zugreift? Keine Lust, alle Daten der Buchhaltung auf SAP zu migrieren? Und die nächste Fortbildung steht auch schon im Kalender.
Wer den Job als IT-Experte in der freien Wirtschaft satthat, der könnte auf die Idee kommen, als Informatiklehrer anzuheuern – vorausgesetzt, er verspürt didaktische Ambitionen. Und als IT-Experte muss man ohnehin immer eine Menge erklären. Zudem ist der Lehrerberuf hoch angesehen. Gelten die Pädagogen doch als Stützen des deutschen Bildungssystems. Das gilt auch für Lehrkräfte, die junge Erwachsene an Berufsfachschulen, Handelsschulen oder Berufsoberschulen unterrichten. Sie vermitteln den Schülerinnen und Schülern nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch Know-how für den erfolgreichen Einstieg in die Arbeitswelt.
Informatiklehrer dringend gesucht
Egal, ob Gymnasium, Fachhochschule oder Berufsschule – Informatiklehrer werden bundesweit gesucht. Davon überzeugen kann man sich bei einem Rundgang durch die Seiten der Kultusministerien der Länder. Diese veröffentlichen regelmäßig ihre Lehrerbedarfsprognosen für die kommenden Schuljahre. Zu finden sind diese unter Suchbegriffen wie „Lehrerbedarf“ oder „Prognose“. Hier finden sich in der Regel umfangreiche PDF-Dokumente mit Tabellen zum Download. So vermeldet das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in seiner Lehrerbedarfsprognose vom Mai 2020 einen hohen Bedarf an Realschulen und Gymnasien sowie für die nächsten Jahre einen großen Einstellungsbedarf an Berufsschulen. Und die bundesweite Kultusministerkonferenz stellt bis 2030 „größere Bedarfe“ im Fach Informatik für die Sekundarstufe II und Gymnasium fest.
Sachsen sucht ebenfalls. Denn Informatik gehört hier zu den Fächern, in denen bei Lehramtsstudiengängen „der Anteil der Studierenden deutlich geringer als der Anteil des Faches am Gesamtbedarf“ ist. So steht es im schönsten Amtsdeutsch auf der Website des Staatsministeriums für Kultus und in den entsprechenden Hinweisen zur Entwicklung des Lehrerbedarfs. Die Lehrkräftebedarfsprognose von Nordrhein-Westfalen sieht „hervorragende Einstellungschancen“ für angehende Informatiklehrer. Das Gleiche gilt für Wirtschaftsinformatik und technische Informatik an Berufs- und Fachoberschulen. Und auch in Rheinland-Pfalz sucht das Ministerium für Bildung nach Informatiklehrern für Gymnasien und berufsbildende Schulen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Ursachen des Lehrermangels
Nach den Gründen für den Lehrermangel etwa an Hoch- und Berufsschulen muss man nicht lange suchen: „Eine der großen Herausforderungen aller Hochschulen – egal ob staatliche oder private Hochschulen – sind die hohen Gehälter, die die freie Wirtschaft für IT-Experten bezahlen kann. Diese Situation wird in Regionen wie München durch die Präsenz internationaler IT-Größen wie Google und demnächst auch Apple noch verschärft“, sagt uns der Wirtschaftsinformatiker Prof. Thomas Städter von der FOM-Hochschule am Standort München im E-Mail-Interview.
Die Nachfrage steigt auch deshalb, weil immer mehr Schulen im Zuge der MINT-Offensiven Informatik auch in den unteren Klassenstufen anbieten. Rheinland-Pfalz hat angekündigt, das Fach in diesem Jahr ab der fünften Klasse anzubieten. Und schon fordern erste Pädagogen und Wirtschaftsverbände, bereits in der Grundschule mit kleinen Informatiklektionen zu beginnen.
Chancen für Quereinsteiger
Informatiklehrer werden also gebraucht. Auch für Quereinsteiger steigen damit die Chancen. Immer mehr Kultusministerien senken die Einstiegshürden für Interessierte aus der freien Wirtschaft. Das Stichwort lautet „berufsbegleitende Nachqualifizierungen“. Auf diese Weise kann man beispielsweise in Bayern das für den Lehrerberuf notwendige Staatsexamen absolvieren.
Ordentlich bezahlt ist der Job auch. Natürlich wird man nicht so fürstlich entlohnt wie KI-Manager bei Hightech-Riesen aus den USA. Doch immerhin erhalten Gymnasial- und Berufsschullehrer als Einsteiger in der Besoldungsgruppe A13 mindestens 4204,58 Euro brutto pro Monat. Wer die Karriereleiter bis ganz nach oben steigt und sogar Schulleiter wird, landet in der Besoldungsgruppe A16 und verdient bis zu 7500 Euro brutto im Monat. Die regionalen Unterschiede sind aber auch hier deutlich: Berufsschullehrer in Bayern können sich über monatlich knapp 4600 Euro brutto freuen, in Mecklenburg-Vorpommern sind es dagegen deutlich unter 4000 Euro.
Allerdings sollte man schon darauf achten, ob der Job wirklich zu einem passt. „Auch Dozenten an einer Hochschule benötigen gute didaktische Fähigkeiten. Das wird gerade in der Erwachsenenbildung unterschätzt. Außerdem sollte man Spaß an der Lehre haben und eine starke Motivation, sein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben“, betont Prof. Städter.
Für viele dürfte die Option interessant sein, den Lehrerberuf im Rahmen einer berufsbegleitenden Maßnahme zu erlernen. So kann man, noch während man seinen alten Job ausübt, sich am Wochenende oder nach Feierabend in Seminaren oder Workshops auf das Lehrerdasein vorbereiten. Für FOM-Professor Städter ist das eine empfehlenswerte Option: „Lehrdeputate können flexibel gestaltet und mit der bestehenden beruflichen Tätigkeit kombiniert werden. Das sollte man einfach mal ausprobieren.“
Grundsätzlich sind die Chancen für Einsteiger an Berufsschulen besser als an Gymnasien, Realschulen oder Fachhochschulen. Schließlich bringt man Berufserfahrung mit und damit eine praxisnahe Qualifikation für den Job als Berufsschullehrer. Prof. Städter sagt dazu: „Quereinsteiger arbeiten grundsätzlich lösungsorientiert. Die pragmatische Denkweise und die Handlungsorientierung sind für Hochschulen wie die FOM besonders wertvoll.“ An der FOM versucht man zum Beispiel, Interessierte zu lockern, indem man die Möglichkeiten für Lehrkräfte ausbaut, sich aktiv in die Forschung einzubringen. „Für unserer eigenen Master-Absolventen und auch für Quereinsteiger ist das offenbar ein verlockendes Angebot. Bei vielen steigt das Interesse an Lehre und Forschung“, beobachtet Prof. Städter.
Verlockend: die Beamtenlaufbahn
Einen zusätzlichen Anreiz stellt die Möglichkeit der Verbeamtung und damit die Aussicht auf einen unkündbaren Job dar. Nicht nur Lehrer in Grund- und Realschulen oder Gymnasien werden verbeamtet, auch Berufsschullehrer. Allerdings sind hier die Hürden für Quereinsteiger deutlich höher. Und in Berlin können Lehrkräfte gar nicht Beamte werden.
Der klassische Weg in die Beamtenlaufbahn sieht so aus: Nach dem Lehramtsstudium folgt in der Regel ein Referendariat, in dem man bereits an der Schule unterrichtet. Nach dem erfolgreich absolvierten Referendariat inklusive Prüfungen ist man erst mal Anwärter, eine Vorstufe zum Beamtenverhältnis auf Probe. Erst wenn man die Laufbahnprüfung bestanden hat, beginnt die eigentliche Beamtenlaufbahn.
Das Gehalt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der fest angestellten Kollegen. Vorteile für Beamte ergeben sich aber, weil diese keine Abgaben für die Renten- oder Arbeitslosenversicherung zahlen. Das kann dann durchaus mehrere 100 Euro Unterschied beim Nettolohn ausmachen. Verheiratete Beamte erhalten zudem einen Familien- und einen Kinderzuschlag. Auch dies spült am Ende einige 100 Euro extra monatlich in die Kasse. Die genaue Höhe des Zuschlags ist vom jeweiligen Bundesland abhängig. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung müssen Beamte jedoch auch Steuern zahlen.
Wer sich genauer über das Thema Beamtenstatus informieren will, konsultiert am besten die Seiten des dbb Beamtenbund und Tarifunion.
Nach Abschluss und Fächerkombi
Für Quereinsteiger ist die Verbeamtung möglich, wenn auch schwieriger. Wer einen Universitätsabschluss und zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen kann, hat – abhängig von den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes – möglicherweise gute Karten. Auch ein abgeschlossenes Studium an der Fachhochschule und ein berufsbegleitender Master of Education verbessern die Chancen auf eine Verbeamtung. Lassen sich zwei Unterrichtsfächer direkt aus dem Studium ableiten, also beispielsweise Physik und Informatik oder Wirtschaft und Informatik, dann steigen die Chancen ebenfalls.
Selbst ohne Universitätsabschluss ist eine Verbeamtung noch möglich. So könnte man beispielsweise berufsbegleitend ein duales Studium zum Master of Education absolvieren und dann den 18-monatigen Vorbereitungsdienst mit dem zweiten Staatsexamen abschließen. Damit würde man zumindest in einigen Bundesländern die Chance auf Verbeamtung wahren. Sollte das Bundesland in solchen Fällen keine Verbeamtung gestatten, muss man sich eben mit einer Festanstellung als Angestellter begnügen. Bezahlt wird dann nach Tarifvertrag.
Welcher Ausbildungsweg beschritten werden kann und wie das im Einzelfall mit der Verbeamtung ist, erfragt man am besten direkt bei der jeweiligen Schulbehörde oder beim Kultusministerium des betreffenden Bundeslandes.
Helpdesk kann ich sowieso
Es gibt also durchaus eine Reihe von Möglichkeiten, auch ohne Lehramtsstudium relativ schnell in den Lehrerberuf zu wechseln. Vor allem an Berufsschulen stehen die Chancen gut.
Bei den örtlichen Schulbehörden oder Kultusministerien gibt es hierzu immer wieder Updates und aktualisierte Infos. Das bayerische Kultusministerium etwa bietet derzeit auch für Bewerber ohne Lehramtsstudium sogenannte „Sondermaßnahmen zum Erwerb einer Lehramtsbefähigung“ an. Bewerber ohne erstes Staatsexamen, die dafür einen anderen Universitätsabschluss vorweisen können, erhalten die Chance auf Referendariat und zweites Staatsexamen. Das Staatsministerium hat dabei besonders den Bereich Informationstechnik mit Schwerpunkt Informatik im Auge und bietet die Möglichkeit der Einstellung in den Vorbereitungsdienst zum 14. September 2021.
Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen, dass man als Informatiklehrer den ungeliebten Job des IT-Admins endgültig hinter sich gelassen hat. Vielen Schulen fehlen die Mittel, um eigene Computer- und Netzwerkprofis für die Einrichtung und Wartung der IT-Systeme zu beschäftigen. Am Ende bleibt es am Informatiklehrer hängen, die IT-Systeme zum Laufen zu bringen. Einmal IT-Admin, immer IT-Admin.