Im Planverfahren bleibt der Betrieb aufrecht
Von Christine Lendt
Bevor sich eine Liquiditätslücke zur Zahlungsunfähigkeit auswächst, sollten alle Alarmglocken schrillen. Jetzt heißt es handeln, sonst nimmt Ihnen der Insolvenzverwalter das Geschäft aus der Hand. Die letzten Möglichkeiten zu kennen und auszuschöpfen ist ebenso wichtig wie das Verhalten in der Insolvenz.
Die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens hat viele Namen: Insolvenz, Konkurs, Pleite, Bankrott. Der „Konkurs“ war in der BRD noch bis Ende 1998 aktuell, als Begriff und Verfahren durch die neue Insolvenzverordnung (InsO) ersetzt wurden.
Ursachen und Entwicklungen
Auch wenn es nahe liegend ist, zunächst Konjunktur und Steuerpolitik verantwortlich zu machen – daran lässt sich nun einmal so rasch nichts ändern. Darüber hinaus tragen betroffene Unternehmen oft selbst zur Misere bei, durch Managementfehler, vor allem in Liquiditätsfragen. Was Firmen zu Fall bringt, sind meist fehlende Rücklagen: Die durchschnittliche Eigenkapitalquote von KMU liegt heute unter 20 %. Beim Fremdkapital sieht es nicht besser aus, denn Bankkredite zu erhalten, gestaltet sich seit Basel II nicht unbedingt leichter. Wer beim Rating in Sachen Bonität nicht punkten kann, geht leer aus. Die Folge: heillose Überschuldung.
Besonders tragisch: Viele Unternehmer wenden sich erst dann an die Bank, wenn es zu spät ist und kein Vertrauen mehr besteht. Die Folge ist, dass Kredite abgelehnt werden, auch wenn sie rein operativ noch möglich wären. Im Vorteil sind dagegen Firmen, die frühzeitig eine Liquiditätsplanung vorlegen, konsequent mit den Banken kommunizieren und sich beizeiten auch nach Finanzierungsalternativen umsehen und systematisch ihre Risiken identifizieren.
Frühwarnsignale erkennen
Krisen werfen ihre Schatten voraus: Strategische Krise, Ergebniskrise, Liquiditätskrise – diese drei Stadien durchläuft ein Betrieb vor der Insolvenz.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Viele Unternehmer wollen es nicht wahrhaben, wenn die Strategie überdacht werden muss – bisher ist es ja immer gut gelaufen. Vergisst man darüber jedoch die Neukundengewinnung, geht es an die Substanz. Mitunter verrutscht z.B. auch die Wettbewerbsposition, sodass sich das Unternehmen nicht mehr ausreichend von der Konkurrenz abhebt, es ändern sich Kundenbedürfnisse, Marktlage oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Manchmal ist es dann sinnvoll, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und unrentable Randgebiete zu liquidieren oder im Rahmen von Kooperationen oder Partnerschaften auszulagern.
Wer bei der Strategie verschläft, gerät unweigerlich in die Ergebniskrise: Das Eigenkapital schwindet, die Ertragssituation gestaltet sich negativ. Spätestens jetzt sollten interne Abläufe geprüft und vernünftige Kostenstrukturen geschaffen werden.
Wer diese Signale missachtet, steckt dann „plötzlich“ in der Liquiditätskrise. Die Rechnungen stapeln sich, Zahlungsziele können nicht eingehalten werden und die Insolvenz droht tatsächlich. Spätestens jetzt ist auch die Einholung einer Rechtsberatung sinnvoll, um eine Insolvenzverschleppung zu vermeiden.
Schwarz auf Weiß
Eine praktische Darstellung zum Thema Insolvenz im Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Fallstudie einer Insolvenz“, den Sie online im Zeitschriftenkiosk des MittelstandsWiki bekommen.
Liquidität schaffen
In diesem letzten Krisenstadium hilft nur die Finanzspritze. Bloß spielen die Banken meist nicht mehr mit. Einige Lösungen findet man aber im eigenen Haus: Zahlungspläne mit Kunden können vereinbart, Forderungen verkauft werden und ein effizientes Forderungsmanagement treibt die Außenstände ein. (Auf der sicheren Seite bleibt man mit einer Forderungsausfallversicherung.) Eine weitere Möglichkeit, flüssig zu bleiben, sind Gesellschafterdarlehen oder der Einbezug von Mitarbeitern, etwa durch kurzfristigen Lohnverzicht.
Über externe Hilfen wie Fördermittel sind viele Unternehmen oft gar nicht informiert. Eine Möglichkeit sind z.B. Landesbürgschaften, etliche Bundesländer haben aber auch Liquiditätsdarlehen und Mittel für die Konsolidierung von KMU bereit gestellt.
Zunehmend treten auch Investoren auf den Plan, um angeschlagene Firmen in ihrem Sinne zu sanieren – allerdings ist im Umgang mit so genannten Firmenbestattern sehr zur Vorsicht zu raten.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.
Letzter Ausweg: Planverfahren
Wurden alle Chancen verpasst, bleibt nur der Gang zum Insolvenzgericht. Wer hier früh reagiert, kann das Aus noch einmal abwenden, denn seit der Gesetzesnovelle 1998 sind Insolvenzverhandlungen bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit zulässig. Mit dem so genannten Planverfahren lässt sich ein Unternehmen dann möglicherweise wieder sanieren. Und: Die Firmenpleite gelangt nicht an die Öffentlichkeit.
Wichtig beim Verhalten in der Insolvenz ist, dass der Unternehmer mit dem Insolvenzverwalter möglichst eng kooperiert, sodass er zugleich seine eigenen Interessen wahren kann und die zügige Bewältigung der Situation in die Wege leitet. Allerdings muss man damit rechnen, dass sich Insolvenzverwalter meist wenig motiviert zeigen, das Planverfahren durchzuführen. Die Beteiligten müssen sich dabei in relativ kurzer Zeit einigen und bereit sein, auf ihre Forderungen zu verzichten, zumindest teilweise. Der Unternehmer sollte also selbst frühzeitig auf Lieferanten, Banken und Mitarbeiter zugehen und offen mit Gläubigern reden.
Der Insolvenzantrag und die Folgen
Ein zahlungsunfähiges Unternehmen ist in der Regel verpflichtet, nach § 64 GmbHG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fristgerecht zu beantragen.
„Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt.“
Ein Versäumnis gehört als Insolvenzverschleppung ebenso zu den Straftatbeständen (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nach § 84 GmbHG) wie beispielsweise die Begünstigung einzelnder Gläubiger. Kommt es zur Zwangsvollstreckung, wird das Schuldnervermögen unter den Gläubigern aufgeteilt, wobei unter Berücksichtigung der Insolvenzquote alle den gleichen Anteil ihrer Forderungen erhalten. Ist die Insolvenzmasse so gering, dass nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt werden, wird der Antrag abgewiesen. Den Gläubigern bleibt dann nur die Einzelzwangsvollstreckung, die Anfechtung und die strafrechtliche Verfolgung des Schuldners.