Die Gläubiger mit ins Boot holen
Von Sabine Philipp
Selbst wenn der Betrieb restlos überschuldet ist, kann noch Hoffnung bestehen. Sie müssen nur rechtzeitig handeln.
Eine dünne Eigenkapitalquote, Liquiditätsprobleme und Überschuldung sind die Hauptfaktoren, die KMU in die Insolvenz treiben.
Eine Überschuldung wird mit einer Sonderbilanz (Überschuldungsbilanz) festgestellt, die den Unternehmenswert ermittelt.
Sonderbilanz und Insolvenzantrag
In die kommen alle Liquidationswerte, also alles was es an Schulden gibt und was sich zu Geld machen lässt. Dazu gehören unter anderem Grundstücke und Gebäude, die Sie mit dem Verkehrswert ansetzen können, ausstehende Gelder (sofern eine Chance besteht, dass Sie sie bekommen), Rohstoffe und Vorräte sowie immaterielle Vermögenswerte wie Patente oder Markenrechte. Wenn am Ende die Passiva die Aktiva übersteigen und kein bzw. ein negatives Eigenkapital vorhanden ist, müssen Sie einen Insolvenzantrag stellen.
Die Insolvenzordnung (InsO) bestimmt in § 19, dass Überschuldung vorliegt, wenn „das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.“ Entscheidend ist dann die Bewertung; sie ist im Hinblick auf eine „Fortführung des Unternehmens“ vorzunehmen, „wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“
In letzter Minute
Wenn die Pleite absehbar ist, können Sie bereits im Vorfeld mit den Insolvenzverhandlungen beginnen. Durch das Planverfahren kann das Unternehmen vielleicht wieder restrukturiert und saniert werden. Und es gelangt nichts an die Öffentlichkeit. Sie müssen nur offen und ehrlich mit Ihren Gläubigern und dem Insolvenzverwalter sprechen.
Verhandeln statt tricksen
Wenn die Gläubiger mitspielen, können Sie einen Forderungsverzicht vereinbaren. Dafür ist ein Erlassvertrag nach § 397 BGB notwendig. Da aber keiner gerne auf sein Geld verzichtet, haben Sie mit einem Besserungsschein die deutlich günstigeren Karten. Diese Vereinbarung besagt, dass die Forderung wieder aktuell wird, sobald die Überschuldung passé ist. Oft lässt sich auch ein Vergleich aushandeln. Dabei geben Sie dem Gläubiger, was Sie haben, und der verzichtet dann auf die Gesamtsumme.
Schwarz auf Weiß
Eine praktische Darstellung zum Thema Insolvenz im Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Fallstudie einer Insolvenz“, den Sie online im Zeitschriftenkiosk des MittelstandsWiki bekommen.
Den Trick mit der so genannten Erlassfalle sollten Sie aber erst gar nicht probieren. Bei diesem Instrument verschicken Schuldner Schecks mit einer geringen Teilsumme des Geldes an den Gläubiger, mit dem Hinweis, dass damit alle Schulden beglichen wären. Löst der Gläubiger den Scheck mit dem Abfindungsangebot ein, kann daraus stillschweigend ein Vertrag entstehen. Muss aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn das Verhältnis zwischen Angebot und Schuld besonders krass ist. Wie bei dem ultradreisten Schuldner, der mit einem 1000-DM-Scheck Mietschulden in Höhe von 147.890 DM abgelten wollte. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat ihm in einem Urteil aus dem Jahr 2001 heftig widersprochen. Auch sonst haben Sie kaum Chancen, mit so etwas durchzukommen. Außerdem verscherzen Sie es sich mit dem Gläubiger. Denn der wird sich nach einer solchen Offerte wohl kaum noch mit Ihnen an einen Tisch setzen.
Umwandeln und beteiligen
Sie können auch vereinbaren, dass die Forderungen in Eigenkapital umgewandelt werden. Der Gläubiger wird dann zum neuen Gesellschafter. Aber Vorsicht: Er wird natürlich ein Interesse daran haben, dass der Betrieb schleunigst auf Vordermann gebracht wird.
Die Alternative: Sie holen sich ein Beteiligungsunternehmen ins Haus. Neben dem Eigenkapital gibt es noch Managementberatung und Betreuung dazu. Sie erhalten die Mittel für einen bestimmten Zeitraum und ein festes Ziel. Seriöse Partner vermittelt der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BKV). Natürlich handeln diese Leute nicht selbstlos. Sie wollen am Ende der Partnerschaft ihren Anteil möglichst gewinnbringend verkaufen.
Finanzierungsalternativen frühzeitig nutzen
Wenn die Lage erst einmal kritisch ist, wird es schwer bis unmöglich, an Fremdkapital zu kommen. Und sobald die Angelegenheit dann beim Insolvenzverwalter liegt, bleiben Sie endgültig außen vor. Wo zusätzliches Kapital fehlt, ist es im Angesicht von Basel II oft nicht leicht, beim Rating gut genug abzuschneiden. Das ist aber noch kein Grund, verzweifelt auf überteuerte Kredite zurückzufallen. Sehen Sie sich lieber rechtzeitig nach Alternativen um, bei denen es von Asset Backed Securities bis zur Mezzanine-Finanzierung eine Reihe von Möglichkeiten gibt.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Denken Sie auch an die Angebote der KfW-Mittelstandsbank. Die vergibt Mittel für feste Vorhaben und zu einem günstigen Zinssatz. Das Ganze läuft über Ihre Hausbank; meist fällt die Entscheidung binnen weniger Tage. Vielleicht sind ja auch Zuschüsse, eine Förderung durch Bund oder Länder oder eine internationale Hilfe für Sie drin. Recherchieren Sie mal in der Förderdatenbank des Bundes.
Fazit: Aktionsfähig bleiben
Das Beste bleibt, wenn Sie erst gar nicht in die Schuldenfalle geraten – das gilt besonders bei Wachstumsvorhaben. Wenn auch Controlling und Risikomanagement stimmen, haben Sie sich vermutlich nichts vorzuwerfen. Liquiditätsengpässe umgeht man am besten mit einem reaktionsschnellen Forderungsmanagement. Bei einem Jahresumsatz von 500.000 Euro und 20.000 Euro Außenständen kann sich auch bereits eine Forderungsausfallversicherung rechnen.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.
Nützliche Links
Eine der wichtigsten Informationsquellen ist der jährliche Creditreform-Bericht Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, ebenso wie die betreffenden Tabellen des Statistischen Bundesamts.