Das Netz aller Dinge
Von Axel Oppermann
Fangen wir ganz simpel an: Was ist das IoT? Einfach ausgedrückt stellt das Konzept die Verbindung zwischen jedem Gerät mit einem Ein-/Ausschalter zum Internet dar, wozu Handys, Waschmaschinen, Lampen, Nassrasierer, tragbare Geräte und fast alles andere gehört, was man sich nur vorstellen kann. Es könnte auch ein beliebiges Maschinenteil sein, wie der Bohrer einer Ölbohrinsel – oder der beim Zahnarzt.
Das IoT-Netz wird durch verbundene Dinge repräsentiert. Geräte, die Sensoren, Elektronik, Software und Netzwerkverbindungen haben, sind digital miteinander vernetzt. In diesem Netzwerk werden Daten gesammelt, ausgetauscht und angestoßen. Dabei entwickeln sich Beziehungen von Menschen zu Menschen, von Menschen zu Dingen und umgekehrt sowie von Dingen zu Dingen. Dies führt dazu, dass der Mensch das IoT gar nicht aktiv wahrnehmen wird – so, wie er heute nicht über elektrisches Licht nachdenkt.
Axel Oppermann berät seit über 17 Jahren als IT-Marktanalyst Technologieunternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen. Er arbeitet beim Beratungs- und Analystenhaus Avispador, schreibt für diverse Blogs, Portale, Fachzeitschriften und kommentiert in diversen Bewegtbildformaten aktuelle Themen sowie den Markt. Als Gesprächspartner für Journalisten und Innovatoren bringt Axel erfrischend neue Ansichten über das Geschehen der digITal-Industrie in die Diskussion ein. Seine vielfältigen Erkenntnisse gibt Axel in seinen kontroversen, aber immer humorvollen Vorträgen, Seminaren, Workshops und Trainings weiter. Seine Themen: Digital & darüber hinaus.
Das bedeutet, dass sehr wahrscheinlich in mittelfristiger Zukunft alles, was verbunden werden kann, auch verbunden werden wird. Aber warum sollte man so viele angeschlossene Geräte haben wollen? Nun, es gibt genügend Beispiele, die uns den möglichen Wert des Internets der Dinge zeigen. Sagen wir einmal, ich plane, zu einem Meeting zu gehen. Mein Auto könnte auf meinen Kalender zugreifen und mir die beste Route vorschlagen, damit ich nicht zu spät komme. Falls sich das Verkehrsmuster aber ändert, kann es mir eine Benachrichtigung senden, dass ich mich verspäten werde. Oder: Was wäre, wenn Bürogeräte erkennen würden, dass die Verbrauchsmaterialien zur Neige gehen und automatisch neue bestellten? Bei den neuesten Druckergenerationen haben wir das jetzt schon.
Im größeren Maßstab lässt sich das IoT wie Transportnetze einsetzen, um etwa Abfall zu reduzieren oder die Effizienz bei der Energienutzung zu verbessern. Tatsache ist, dass das Internet der Dinge unendlich viele Chancen bietet und Verbindungen zulässt, von denen wir viele derzeit noch gar nicht denken können oder voll und ganz verstehen. Also: Kein Wunder, dass es so ein heißes Thema ist. Es öffnet die Tür für Chancen und Herausforderungen, vor denen jedes einzelne Individuum, aber auch Unternehmen und die ganze Gesellschaft stehen.
Fakten, bitte!
Die Analysten von Gartner gehen davon aus, dass es bis 2020 über 20,4 Milliarden angeschlossene/verbundene Geräte geben wird, was angesichts der Tatsache, dass es jetzt 8,4 Milliarden sind, ein massives Wachstum darstellt. Laut dem IT-Forschungsunternehmen IDC dürften die Ausgaben für das Internet der Dinge weltweit in den nächsten drei Jahren bei fast 1,29 Billionen US-Dollar liegen. Das bedeutet, dass bis mindestens 2020 die Ausgaben im zweistelligen Prozentbereich steigen. Dabei steht das industrielle IoT (IIoT kurz- bis mittelfristig für den Investitionsschwerpunkt; Smart-Home-Anwendungen stärken das Segment Consumer Internet of Things und tragen ihren Anteil zum Wachstum bei. Die größten Ausgaben entfallen auf Hardware, gefolgt von Services, Software (u.a. die IoT-Plattformen) und schließlich IoT Connectivity.
Je mehr sich das Internet der Dinge in praktisch alle Geschäfts- und Lebensbereiche ausdehnt, umso stärker und schneller setzen sich konkrete IoT-Anwendungen durch – in Konsumgüter- und Dienstleistungsbranchen wie dem Einzelhandel, aber auch im Versicherungswesen (u. a. Telematik), im Transportgewerbe (Frachtüberwachung) und im Gesundheitswesen (Smart-Home-/Remote-Health-Monitoring). Warum? Weil hier die Technologien bzw. die Use Cases besonders schnell und umfassend integriert werden können, ohne dass man auf Altsysteme Rücksicht nehmen müsste. Für diese Unternehmen sind die Möglichkeiten, die das IoT bietet, sozusagen eine grüne Wiese oder der blaue Ozean. Branchen wie die verarbeitende Industrie zeichnen sich durch eine große Marktgröße, jedoch oftmals nur moderates Wachstum aus. Aber auch die Ausgaben für IoT-Anwendungsfälle wie Smart Grid, Smart Home oder Digital Signage werden in den nächsten Jahren hoch bleiben oder steigen.
Kurzum: Consumer-Lösungen, Cross-Industrie-Business-Services und vertikale Branchenlösungen sind hier die wichtigsten bzw. größten Wachstumsbereiche. Zu den Konsumgütern gehören vor allem die Bereiche Automotive, Television und Wearables. Ein Beispiel für branchenübergreifende Services und Lösungen sind u. a. Geräte und Systeme für intelligente Gebäude, angefangen bei Energiemanagement und Beleuchtung über Sicherheitssysteme u.s.f. Branchen- bzw. vertikalspezifische Lösungen sind exemplarisch Produktionsgeräte, Prozesssensoren (für elektrische Energieerzeugungsanlagen) oder Echtzeit-Standortgeräte-Services (Location Based Services) für das Gesundheitswesen.
Was der Markt bietet
Das IoT entwickelt sich zum nächsten großen Wachstumsfeld in Wirtschaft und Industrie; es hat sich etabliert. Für Anbieter, Anwender und Investoren, die in naher Zukunft im Wettbewerb nicht mittelfristig Nachteile erzielen wollen, hat dieser Bereich eine große Bedeutung. Die Marktteilnehmer, egal ob Anbieter oder Anwender, die sich am schnellsten und besten positionieren, um dieses rasant wachsende Feld zu nutzen, werden davon enorm profitieren. Alleine auf dem deutschen Markt gibt es weit über 100 Anbieter, die in irgendeiner Art und Weise IoT-Lösungen oder -Dienstleistungen offerieren; Tendenz steigend. Neben klassischen Beratern, Hardware- oder Plattformanbietern sind hier insbesondere zunehmend Anbieter aktiv, die komplexe Datenanalysen ermöglichen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilage „IT- und Technologieunternehmen stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Vor diesem Hintergrund ist es zunächst wichtig zu sehen, wo das Internet der Dinge am schnellsten wächst und welche Anbieter diesen Vorstoß anführen. Schauen wir uns also den Markt für IoT-Plattformen in einzelnen Facetten an. Die Kernfunktionalität einer IoT-Plattform ist das Daten- und Gerätemanagement; Ziel ist es, Konnektivität zwischen einer zentralen Verwaltung von verteilten bzw. dezentralen Dingen (Geräte, Produkte, Maschinen) zur Verarbeitung (Speicherung, Integration, Analyse und Visualisierung) ihrer Daten zu ermöglichen. Weitere Funktionen sind exemplarisch die Anwendungsentwicklung oder umfangreiche Datenanalysen.
IoT-Plattformen sind regelmäßig horizontale Plattformen. Das Marktangebot umfasst nicht nur sogenannte Full-Service-IoT-Plattformen, sondern auch solche, die „nur“ als Konnektoren für eine schnelle und einfache Konnektivität zwischen verschiedenen Daten, Geräten und Prozessmanagementlösungen zur Gestaltung einer kunden- oder anwendungsspezifischen Aufgabe dienen. Es gibt also große Unterschiede zwischen den Services der Plattformanbieter. Während einige Anbieter mit extremer Skalierbarkeit und komplexer Aufgabenverarbeitung punkten, glänzen andere durch starke Managementfunktionen für unterschiedliche Device-Typen.
Die Zahl der Anbieter rund um Plattformen für das Internet of Things wird immer größer. Bereits heute, in einer relativ frühen Reifephase, spielen IoT-Plattformen als zentrale Hubs u. a. für die Speicherung, Integration und Verarbeitung von Daten eine große Rolle. Zu den führenden Anbietern zählen Bosch SI, IBM, Atos oder Microsoft; auch HPE, AWS oder SAP sind zu erwähnen. Zwar setzen bereits erste Konsolidierungswellen ein, aber weiterhin schießen IoT-Plattformen wie Pilze aus dem Boden. Je nach Definition kann man von einer Handvoll bis zu mehreren hundert Plattformen bzw. Anbietern ausgehen. Die zurzeit vorherrschende Meinung ist, dass es angesichts der noch geringen Marktreife sehr unwahrscheinlich ist, dass eine IoT-Plattform ausreicht, um allen Anforderungen eines Unternehmens rund um die verschiedenen Anwendungsfälle gerecht zu werden.
Was der Anwender will
Für IoT-Projekte in Anwenderunternehmen lassen sich drei zentrale Motivationen identifizieren: Kreieren neuer Umsatzströme bzw. Geschäftsmodelle, Verbessern von Kundenbindung und Kundeninteraktion im Sinne einer verbesserten Customer Experience, Effizienz und Effektivitätsmaßnahmen inklusive Kostenreduktion. Bezogen auf konkrete Aktivitäten sind die Treiber das Senken von Kosten und das Steigern der Effizienz, die Reduktion von Ausfallzeiten (Predictive Maintenance), eine verbesserte Prozessautomatisierung sowie die Digitalisierung der Mitarbeiter, hier insbesondere Zeit- und Tourenplanung sowie eine verbesserte Mobilität. Dabei ist zu erkennen, dass viele Unternehmen nicht auf Lösungen von der Stange setzen, sondern individuelle interne sowie externe Bedürfnisse auch individuell gelöst haben wollen.
Das IoT wird immer mehr zum Internet of Everything: Im Bildungssektor wird zwischen Schülern und Lehrkräften, Pädagogen und Peers mithilfe von interaktiven Tafeln und digitalen Textmarkern interagiert. Schüler werden Scanner verwenden, mit denen sie den 2D-Text aus den Lehrbüchern auf ihr Smartphone mit verbesserten Grafiken und Audiovisuals übertragen. Sie werden auch RFID-Chips (Radio Frequency Identification) verwenden, um die physikalischen Dinge zu verfolgen. Gärtner werden Bewässerung steuern, das Notfallmanagement wird revolutioniert. Aber auch in der Finanzbranche bieten sich, auf den ersten Blick nicht sichtbar, zahlreiche Optionen. Mit der Ausbreitung des IoT wird die Anzahl der Points of Sale potenziell ins Unermessliche steigen. Einkaufen und Bezahlen wird damit zukünftig prinzipiell überall und mit allem möglich. Es geht sogar so weit, dass zukünftig Gegenstände grundsätzlich mehr oder weniger autonom andere Gegenstände kaufen und bezahlen können; sowohl im privaten Umfeld als auch im Unternehmenskontext.
Chancen erkennen – jetzt
Trotz all der Möglichkeiten: Die Chancen und Möglichkeiten des Internets der Dinge liegen weit über einzelnen Lösungen oder Anwendungen; das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Das IoT wird immer auch auf andere Technologien und Lösungen angewiesen sein. Wer partizipieren will, muss im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie schon jetzt auf Technologien wie AI, Cloud und besonders Blockchain setzen. Nur die Kombination der unterschiedlichen Bereiche ermöglicht Innovationen, neue Geschäftsmodelle oder Effizienz- und Effektivitätsmaßnahmen. Es kommt daher auf die Schnittstellen des IoT an. Sie müssen definiert werden, damit die Interoperabilität der einzelnen Komponenten und Lösungen gewährleistet ist. API-Lösungen sind notwendig, denn damit können alle Beteiligten die Vorteile der Technologien vollumfänglich nutzen.
Die wirtschaftliche Entwicklung wird von der Revolution in der Technologie angeheizt, die mit enormer Geschwindigkeit vonstattengeht. Die umfassenden Neuerungen fließen allmählich in die physische Welt ein, und die virtuelle Welt findet unter dem Namen „Internet der Dinge“ statt. Künftig werden Führungskräfte und Bereichsverantwortliche herausfinden müssen, welche spezifischen Segmente das größte Wachstumspotenzial haben bzw. den größten Nutzen für das Unternehmen bringen. Während einige Unternehmen bereits begonnen haben, mit eigenen Innovation Labs oder Ausgründungen (Stichwort „Digital GmbH“) diese Analysen durchzuführen und Chancen zu identifizieren, zeigt sich, dass es noch viel Raum für Wachstum gibt und dass clevere vorausschauende Akteure im sich schnell entwickelnden IoT-Bereich jede Menge guter Ideen verwirklichen können.