Der Köder muss dem Fisch schmecken –
auch bei der Personalsuche
Interview mit Alexander Walz, Conciliat GmbH
Wenn Unternehmen Schlüsselpositionen nur schwierig angemessen besetzen können, liegt dies meist an ihnen selbst. Dann ist entweder die Einstellung der Personalverantwortlichen zum Thema Personalsuche unzeitgemäß oder die Rekrutierungsprozesse sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Davon ist Personalberater Alexander Walz, Stuttgart, überzeugt. Er ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH, Stuttgart, die auch Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München hat. Er erlebt viel Employer-Branding-Gerede, glaubt aber kein Wort davon: „Im Alltag“, sagt er, „orientiert man sich oft noch an irgendwelchen Unternehmensrichtlinien, die ebenso überholt sind wie die Vergütungsmodelle der Unternehmen.“
MittelstandsWiki: Herr Walz, viele Unternehmen klagen, es werde immer schwieriger, für gewisse vakante Fach- und Führungspositionen passende Bewerber zu finden. Sie hingegen behaupten: Es liegt fast immer am Unternehmen, wenn eine Position nicht adäquat besetzt werden kann. Warum?
Alexander Walz: Weil viele Unternehmen – trotz des Wandels der Rekrutierungswelt – beim Suchen und Einstellen neuer Mitarbeiter noch wie im letzten Jahrtausend agieren.
MittelstandsWiki: Was heißt das konkret?
Alexander Walz: Die Print- und Online-Medien sind seit Jahren voller Artikel zum Thema „demografischer Wandel“ und darüber, dass sich insbesondere die Ansprüche und Einstellungen der jungen, hoch qualifizierten Arbeitnehmer gewandelt haben. Trotzdem ist dies noch nicht ins Bewusstsein vieler Unternehmen vorgedrungen. Sie handeln immer noch gemäß der Maxime: Wir sind der Arbeitgeber, und die Arbeitnehmer bewerben sich bei uns. Dabei ist es bei vielen Berufen und Funktionen heute genau umgekehrt.
MittelstandsWiki: Jetzt bewirbt sich also das Unternehmen beim Mitarbeiter?
Alexander Walz: Ja. Heute ist die Ausgangslage bei der Mitarbeitersuche nicht selten wie folgt: In ganz Deutschland gibt es maximal eine Handvoll Personen, die über das passende Profil verfügen und gegebenenfalls wechselbereit wären – sofern das Gesamtangebot stimmt. Das wollen viele der mit dem Besetzen solcher Positionen beauftragten Personen in den Unternehmen nicht wahrhaben und akzeptieren. Sie handeln noch wie früher, als sie die Auswahl unter einer Vielzahl attraktiver Bewerber hatten.
MittelstandsWiki: Das würde bedeuten, dass die Unternehmen ihre Einstellungs- und Rekrutierungsprozesse ändern müssen …
Alexander Walz: Genau das! Denn es nutzt nichts, die Illusion zu hegen, man habe eine große Auswahl, wenn keiner der möglichen Kandidaten bereit ist, zum Beispiel in die Provinz zu gehen oder für einen recht unbekannten Mittelständler zu arbeiten. Deshalb müssen viele Unternehmen darüber nachdenken, wie sie ihre Rekrutierungsprozesse stärker den Erwartungen und Bedürfnissen der Bewerber anpassen können, sodass sich die raren und heiß begehrten Kandidaten mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für sie entscheiden – selbst wenn noch andere Unternehmen um ihre Gunst buhlen.
MittelstandsWiki: Aber wie macht man das?
Alexander Walz: Das kann im Einzelfall bedeuten, dass der potenzielle Mitarbeiter in die Terminfindung für das Vorstellungsgespräch eingebunden wird, statt ihm, wie nicht selten üblich, nur einen Termin ohne Alternativen mitzuteilen. Denn die meisten Top-Kandidaten liegen nicht faul zu Hause in der Hängematte. Sie haben bereits einen anspruchsvollen Job mit einem entsprechend engen Terminkalender – weshalb man gegebenenfalls sogar aufs Wochenende ausweichen muss. Zudem muss man das erste Gespräch nicht in der Firma führen. Es kann auch an einem Ort stattfinden, der für den Interessenten einfach und schnell zu erreichen ist.
MittelstandsWiki: Also zum Beispiel am Flughafen Frankfurt, wenn das Unternehmen seinen Sitz im bayrischen Wald hat und der Bewerber in Hamburg wohnt.
Alexander Walz: Richtig.
MittelstandsWiki: Haben Sie noch mehr Tipps dazu?
Alexander Walz: Ja. Von Bewerbern wird erwartet, dass sie sich intensiv auf das Gespräch vorbereiten. Das sollten die Unternehmen bzw. die Personen, die das Auswahlgespräch führen, auch tun. Häufig ist es so, dass von den Interviewern im Vorfeld maximal einer die Bewerbungsunterlagen des Kandidaten gründlich gelesen hat. Zudem haben sie im Vorfeld keinen Gesprächsleitfaden erstellt. Entsprechend unstrukturiert verlaufen die Gespräche.
MittelstandsWiki: Was auf den Bewerber keinen guten Eindruck macht.
Alexander Walz: Ja, eigentlich müssten sich die Unternehmen auf Personalauswahlgespräche ebenso gründlich vorbereiten wie auf Akquisegespräche mit potenziellen neuen Schlüsselkunden. Außerdem müssten sie sich viel stärker bewusst machen, dass das Akquirieren neuer Mitarbeiter ebenso ein Prozess ist wie das Akquirieren neuer Kunden.
MittelstandsWiki: Was heißt das?
Alexander Walz: Nach dem Gespräch muss zum Beispiel ein Follow-up folgen. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich mir interessante Kandidaten warmhalte, wenn ich weiß: Es dauert noch einige Wochen, bis wir die endgültige Entscheidung getroffen haben. Sonst ist die Gefahr groß, dass ich, wenn ich dem Bewerber den Arbeitsvertrag zur Unterschrift sende, die Antwort erhalte: Tut mir leid, ich habe mich zwischenzeitlich für ein anderes Unternehmen entschieden.
MittelstandsWiki: Geschieht das oft?
Alexander Walz: Viel zu oft. Woraufhin die Entscheider in den Unternehmen regelmäßig aus allen Wolken fallen: Wie, der Herr X oder die Frau Y hat sich anders entschieden? Im Vorstellungsgespräch macht er doch so einen guten und interessierten Eindruck! – Richtig! Doch danach hat er oder sie vier Wochen lang nichts mehr vom Unternehmen gehört. Also machte der Bewerber sich seine Gedanken und entschied sich gegen einen Wechsel, weil ihm das Risiko zu hoch erschien – oder für einen anderen Arbeitgeber, der sich stärker um ihn bemüht hat und ihm mehr individuelle Wertschätzung signalisiert hat.
MittelstandsWiki: Das klingt alles ganz logisch. Warum tun die Unternehmen es dann oft nicht?
Alexander Walz: Das frage ich mich zuweilen auch. Vermutlich, weil sich in ihnen der Mindset noch nicht geändert hat. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren zwar firmenintern irgendwelche Employer-Branding-Projekte gestartet. Aber oft beschränken sich diese darauf, die Karriereseite auf der Firmenwebsite sowie die Broschüren und Anzeigen neu zu gestalten; außerdem an irgendwelchen fragwürdigen Attraktive-Arbeitgeber-Wettbewerben teilzunehmen, bei denen jeder ausgezeichnet wird, der bezahlt. Die Rekrutierungsprozesse haben sich aber nicht verändert – und schon gar nicht der Mindset der verantwortlichen Personen. Im Alltag orientiert man sich oft noch an irgendwelchen Unternehmensrichtlinien, die ebenso überholt sind wie die Vergütungsmodelle der Unternehmen.
MittelstandsWiki: Also gut, reden wir über Geld. Wollen die Top-Kandidaten denn kein Geld?
Alexander Walz: Doch. Aber statt den interessanten Kandidaten einfach nur den Betrag X als Gehalt anzubieten, wäre es oft zielführender, das Gespräch mit ihnen darüber zu suchen, was ihnen wichtig ist. Manchen Kandidaten ist es zum Beispiel wichtiger als ein sehr hohes Gehalt, an ein, zwei Nachmittagen in der Woche freizuhaben – beispielsweise, weil sie stolze Familienväter oder begeisterte Marathonläufer sind. Andere möchten sich noch weiterbilden und eine Zusatzqualifikation erwerben. Und nicht jeder Kandidat will einen dicken, fetten Firmenwagen haben – manche bevorzugen ein schnittiges Cabrio. Wichtig ist es, in diesem Bereich keine starren Regelungen zu haben, sodass kreative, individuelle Lösungen möglich sind.
MittelstandsWiki: Was würden Sie Unternehmen, die sich mit der Suche nach raren Mitarbeitern schwertun, abschließend raten?
Alexander Walz: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der Natur: Mit ein und derselben Angel kann man zwar unterschiedliche Fische fangen. Ich muss aber vorher wissen, was ich fangen möchte. Denn die verschiedenen Fischarten bevorzugen unterschiedliche Köder. Zudem stehen Hechte eher in ruhigen Teichen, während die Forellen in fließenden Bächen springen. Sich einfach mit einer Angel an ein Gewässer zu setzen, führt beim Angeln nicht zum Erfolg. Genauso verhält es sich mit den Einstellungsprozessen in Unternehmen. Das erfolgreiche Einstellen einer buchhalterischen Nachwuchskraft oder eines Junior-Java-Entwicklers erfordert andere Prozesse als das Einstellen eines kaufmännischen Geschäftsführers oder Vertriebsleiters Europa.
MittelstandsWiki: Herr Walz, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Bernhard Kuntz.