Als ob dein Geld schlechter als das vom Staat ist
Donald Rein ist Kfz-Meister und Firmeninhaber von Team Rein Motorsport im sachsen-anhaltischen Allstedt. Rein hat den Fachbetrieb für Motorräder kurz vor der Wende gegründet und ist seitdem erfolgreich im Zweiradgewerbe tätig. Der 44-Jährige ist froh, dass es keine Abwrackprämie für den Motorradhandel gab, denn seiner Meinung nach hat sie gerade den freien Werkstätten „mehr geschadet als genutzt“.
MittelstandsWiki: Sie haben keine besonders hohe Meinung von der Abwrackprämie.
Donald Rein: In meinen Augen war damit der Untergang der freien Werkstätten und Autohäuser in nächster Zeit vorprogrammiert. Ich glaube, dass im Dezember 2010 viele Autohäuser und Werkstätten nicht mehr existieren werden.
MittelstandsWiki: Warum?
Donald Rein: Weil man sich der Profitcenter entledigt hat. Ich habe mitbekommen, dass die Leute während der letzten Jahre ja meist nur durch das Gebrauchtwagengeschäft und Werkstattgeschäft Geld verdient haben. Das Neufahrzeuggeschäft wurde oft nur gefahren, um an die Werkstattkunden heranzukommen. Jetzt bleibt die Werkstatt leer, weil die Gebrauchtfahrzeuge, die eventuell einen Mangel haben, verschrottet wurden und nicht mehr zurückkommen. Besonders schlimm ist das für die freien Fahrzeughändler, die keine Fahrzeuge kriegen, die noch in den Garantien drin sind. Und diese Autos, die ein gewisses Alter haben, für die man Verschleißteile gebraucht hat und die repariert werden müssen, die sind vom Markt verschwunden. Den freien Werkstätten wurde damit eigentlich die ganze Existenz weggenommen. Die Autohäuser stehen jetzt aber auch erst mal vor einem Debakel. Es wurde hier auch ganz viel Umsatz vorweggenommen.
MittelstandsWiki: So wie bei der Mehrwertsteuererhöhung 2006 zu 2007?
Donald Rein: Genau, das war ja ein ähnliches Spiel. Allerdings auf einem niedrigerem Niveau. Da wurde das letzte Halbjahr geschrien: „Kauft jetzt! Wer 2007 noch kauft, ist dumm. Das macht man nicht. Denkt an die hohe Mehrwertsteuer und und und.“ Und im ersten Quartal 2007 oder im ersten Halbjahr 2007 wurde dann rumgejammert: „Wir verkaufen nichts!“ Das war einfach vorweggenommener Umsatz. Das ist das Gleiche wie jetzt. Nur ist das hier wesentlich drastischer. Außerdem hat die Abwrackprämie ja vorrangig nur bestimmten Herstellern genutzt. Die Nutznießer waren nicht die deutschen Hersteller. VW hat vielleicht ein paar Polos verkauft, Opel ein paar Corsas, und dann wurden noch ein paar Fiestas umgesetzt, die in Köln produziert werden. Den größten Umsatz haben aber sicherlich die Asiaten und Fiat gemacht. Alle kleinen Autos um die 10–15.000 Euro waren die, die wirklich was davon hatten. Ob die Renditen aber auch da so prickelnd waren, wage ich zu bezweifeln.
MittelstandsWiki: Wieso denn das?
Donald Rein: Es ist ja nicht bei der Abwrackprämie geblieben. Es gab ja noch Zugaben. Die letzten zehn bis 15 Jahre wurden ja ständig solche Aktionen von Autohäusern, Herstellern oder Importeuren durchgeführt. Die haben dann 2000, 3000, oder stellenweise 6000 Euro über Schwacke gezahlt. Das wurde nicht so angenommen. Aber wenn der Staat sagt, zweieinhalb, und das wird per Gesetz diktiert, dann rennen die Leute den Häusern die Bude ein.
MittelstandsWiki: Die Leute waren ja ganz wild auf die Abwrackprämie. Ich habe mal im Fernsehen gesehen, wie ein Autohändler einem Kunden 3000 Euro bar für seinen Gebrauchten geben wollte, und er hat Nein gesagt. Er wollte seine Abwrackprämie.
Donald Rein: Genauso so war es. Solche Sachen gab’s im Alltag wirklich. Und das ist doch sehr komisch. Es ist, als ob das Geld, das du mir jetzt gibst, schlechter als das vom Staat ist.
MittelstandsWiki: Aber warum machen die Leute das?
Donald Rein: Also hier im Osten kann ich es mir vielleicht noch vorstellen. Wir haben hier jetzt 20 Jahre nach der Wende, aber es gibt ja eine Generation, die lange in der DDR gelebt hat und die fast alles vom Staat diktiert bekommen hat. Da war der Staat der Weisheit letzter Schluss. Das sind die Hintergründe, die ich zumindest im Osten zum Teil verstehen kann. Im Westen, wo jeder den Cent dreimal umdreht und die Marktwirtschaft im Blut ist, verstehe ich es ehrlich gesagt nicht. Aber es ist wohl im Osten wie im Westen aufgetreten. Dabei war in meinen Augen die Abwrackprämie nur ein kleines Trinkgeld. Also ich denke, nächstes Jahr kann man die Autos wesentlich – also 30, 40 oder vielleicht auch 50 % – billiger kaufen als dieses Jahr. Den Autohäusern tat die Aktion nicht gut.
MittelstandsWiki: Sie sind also nicht wütend, dass es für den Zweiradbereich keine Abwrackprämie gab?
Donald Rein: Um Himmels willen, nein! Als es im Februar, März dieses Jahres losging, da haben auch unsere Leute im Motorradsportbereich gemeint: „Wir müssen jetzt zur Regierung, wir müssen jetzt Briefe schreiben und auch eine Abwrackprämie fordern.“ Am Anfang war es ja ein Schaden für unsere Branche, weil einfach ein Bereich enorm übervorteilt wurde. Ich habe damals zu meinen Leuten gesagt: Wir werden sicherlich 2009 ein bisschen negativ beeinflusst werden, weil die Leute lieber ihr altes Auto fast gegen ein neues tauschen. Nach 2009 können wir aber wieder mehr aufleben. Da sagen die Leute: „Ich habe jetzt mein zweites Auto und kann mich um mein Hobby kümmern und wieder die Sachen machen, die ich eigentlich gemacht hätte, wenn ich mir kein Auto gekauft hätte.“ Davon profitieren wir nächstes Jahr wieder.
MittelstandsWiki: Wenn die Abwrackprämie so viel Schaden bringt, warum hat die Politik das gemacht?
Donald Rein: Das war wohl ein Schnellschuss. Vielleicht auch, um die Leute für das Ereignis Ende September – sprich: die Wahl – mal ein bisschen gut zu stimmen.
MittelstandsWiki: So wie beim Engagement bei Opel?
Donald Rein: Hier muss ich gleich mal einen loben, und zwar unseren Wirtschaftsminister. Der hat von Anfang an gesagt: „Warum soll sich der Staat da einmischen?“ Das sehe ich genauso. Wir haben keinen Sozialismus. Wir brauchen keinen volkseigenen Betrieb Opel. Aber selbst wenn es an Magna verkauft wird, wer gibt denen eine Garantie, wie lange das gut geht? Auch wenn jetzt irgendwelche Verträge geschlossen werden. Sie haben doch gesehen, was so eine angebliche Krise so bewirkt, die von heute auf morgen wohl kam, wie sie alle behaupten. Dann kann ich mich nicht mehr an Verträge halten. Wenn kein Geld da ist, kann ich keine Belegschaft von ein paar tausend Leuten fahren. Dann ist der Laden am Ende. Wenn ich meine Sachen nicht mehr zahlen kann und mir keine Bank einen Kredit gibt, dann müssen wir Kleinen auch zum Amtsgericht und dort Insolvenz einreichen. Die staatlichen Subventionen finde ich total falsch. Und wie gesagt ist es wieder eine Bevorzugung eines Bereichs. Wir haben ein Grundgesetz, in dem steht was von Gleichbehandlung. Wenn ich in Zahlungsschwierigkeiten komme, dann hilft kein Staat. Dann heißt es: „Ihr habt alles falsch gemacht. Macht die Bude zu.“ Es kann doch nicht sein, dass mit so unterschiedlichem Maß gemessen wird.
MittelstandsWiki: Was würden Sie sich vom Staat wünschen?
Donald Rein: Also ich halte es grundsätzlich für schlecht, wenn sich der Staat einmischt und eine Seite durch Subventionen stark stützt und damit die andere in Not bringt. Wenn er etwas zur Konjunkturbelebung machen will, dann muss das für alle gelten. Ich finde z.B. gut, dass die Pendlerpauschale wieder eingeführt wurde. Das hat wirklich was gebracht. Vor allem hier im Osten, wo ja viele weit auf Arbeit fahren müssen. Ganz einfach weil die Leute mehr Geld im Portmonee haben. Dann können sie auch mehr ausgeben und die Wirtschaft beleben.
Das Interview führte Sabine Philipp.