Der EEG-Novelle fehlt ein Gesamtkonzept
Dr. Dirk Ansorge ist promovierter Agrarwissenschaftler und Kundenbetreuer für Landwirtschafts- und Agrargewerbekunden bei der Südwestbank AG in Stuttgart. Der an der Frankfurt School zertifizierte Spezialist für erneuerbare Energien sieht die geplante EEG-Reform kritisch: „Je öfter der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen ändert und je kürzer die Intervalle werden, desto schwieriger wird es für den Investor.“
MittelstandsWiki: Sie finanzieren Anlagen zur Erzeugung von regenerativer Energie. Bei der geplanten EEG-Novelle soll die Vergütung stark abgesenkt und ab 2017 die Förderhöhe über Ausschreibungen ermittelt werden. Kann sich das Ganze für kleinere Unternehmen dann überhaupt noch lohnen?
Dr. Dirk Ansorge: Zunächst einmal muss man dazu sagen, dass die Novelle nicht die bestehenden Anlagen betrifft. Es gibt auch Sicherheit für alle Investoren, die die entsprechenden Übergangsregelungen einhalten. Bei Neuanlagen kann es wegen der geringeren Vergütung aber interessanter sein, den produzierten Strom selbst zu verbrauchen.
MittelstandsWiki: Dafür werden sie aber aller Voraussicht nach die EEG-Umlage entrichten müssen. Ist das dann noch immer attraktiv?
Dr. Dirk Ansorge: Nach neuesten Tendenzen wird es eine Bagatellgrenze für Kleinanlagen geben, die keine Umlage bezahlen müssen. Bei großen Anlagen sieht es so aus, als ob nur 25% der EEG-Umlage bezahlt werden müssen. Natürlich ist das ein Hemmschuh. Und ob sich das dann noch rentiert, muss man ausrechnen. Was der Gesetzgeber endgültig verabschiedet, bleibt abzuwarten.
MittelstandsWiki: Halten Sie die Novelle für sinnvoll?
Dr. Dirk Ansorge: Die Novelle wird durchgeführt, um das Beihilfeverfahren der EU aufgrund der EEG-Befreiungen zu beenden und eine Strompreisgrenze einzuführen. Tatsächlich ist es so, dass der Strom an der Börse billiger geworden ist. Leider kommt das nur bei Großabnehmern an.
Ich meine, je öfter der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen ändert und je kürzer die Intervalle werden, desto schwieriger wird es für den Investor. Gerade bei Windkraftanlagen gibt es entsprechende Planungs- und Genehmigungshorizonte. Von daher halte ich die Novelle für die ganze Energiewende nicht unbedingt für förderlich.
Es gibt noch eine ganz andere Herausforderung, nämlich das Fehlen eines Gesamtkonzepts. Im Augenblick führt die Bundesregierung das alte Energieerzeugungsmodell weiter: Eine Reihe von großen Anlagen versorgt weite Teile der Republik. Nur dass es sich dabei zukünftig nicht mehr um Atomkraftwerke, gleichmäßig über das Land verteilt, handelt. Sondern die Anlagen, die regenerativen Strom erzeugen, liegen offshore in der Nord- oder Ostsee. Und dann wundern wir uns, dass die Stromleitungen nicht ausreichend angelegt sind, um das Land zu versorgen. Volkswirtschaftlich könnten wir das wesentlich günstiger hinbekommen, wenn wir den Strom dezentral in kleineren Einheiten erzeugen.
MittelstandsWiki: Schöner Ansatz. Das Problem ist nur, dass keiner Windkrafträder oder Biogasanlagen in seiner Nähe haben möchte. Und ohne die wird es wohl kaum gehen.
Dr. Dirk Ansorge: Das hängt auch davon ab, wie Sie die Bürger vor Ort miteinbeziehen. Wenn Projektierer von außerhalb das Vorhaben umsetzen und die Anwohner vor Ort keine Möglichkeiten haben, sich finanziell zu beteiligen, dann ist es kein Wunder, dass der Widerstand steigt. Die Anwohner müssen die Anlagen jeden Tag sehen, haben aber nichts davon – außer vielleicht ein bisschen mehr Gewerbesteuer in der Gemeindekasse. Wenn Sie das Ganze mit einer entsprechenden Beteiligungsstruktur aufziehen, kriegen sie das sauber hin. In Baden-Württemberg gibt es das Konzept der Bioenergiedörfer. Strom und Wärme werden lokal erzeugt und direkt von den Anwohnern verbraucht. Und der ganze Ort profitiert.
Das Interview führte Sabine Philipp.