Wie Heizölpreise berechenbar bleiben sollen
Dr. Klaus Bergmann ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitgründer der esyoil GmbH aus Lüneburg. Der studierte Maschinenbauingenieur analysiert seit den 1990er-Jahren den Ölmarkt. Für die Webseite seines Unternehmens für Füllstandmessinstrumente mit Fernübertragung haben er und seine Mitarbeiter ein Tool entwickelt, das den aktuellen Heizölpreis mit verschiedenen Parametern unabhängig vom Markt berechnet. Dr. Bergmann ist skeptisch, ob Gesetze zur Finanzmarktregulierung die ausufernde Spekulation eindämmen werden. Ein Hauptproblem sieht er im grauen Markt der Over-the-Counter-Geschäfte. „Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn man sie verhindern könnte und alle Geschäfte nur an Börsen stattfänden.“
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MittelstandsWiki: Warum haben die Exzesse an den Börsen in letzter Zeit so zugenommen? Spekulanten gab es doch schon immer. Dass aber ein einzelner, betrunkener Spekulant, der im Rausch große Mengen Öl aufkauft, den Preis dadurch stark nach oben treiben kann, das gab es doch früher nicht.
Dr. Klaus Bergmann: Prinzipiell gab es das auch früher. Aber da der Handel auf dem Parkett stattfand, gab es eine Etikette, die Trunkenheit missbilligte. Heute wird elektronisch gehandelt. Da können die Teilnehmer, wenn es beliebt, sogar nackt arbeiten. Ein anderer Aspekt ist der folgende: Über lange Zeit bildeten Spekulanten den Gegenpart zu Absicherungsgeschäften. So weit ist Spekulation in Ordnung und in bestimmten Grenzen eine hilfreiche Angelegenheit, weil man sich gegen fallende oder steigende Warenpreise absichern kann. Dann haben aber einige Spieler aus der Finanzindustrie damit begonnen, die Märkte zu dominieren. Sie haben Finanzmittel in den Markt gepumpt, die viel höher waren, als der Wert der Waren überhaupt sein konnte. An der Stelle wurde es dann unangenehm, weil es zu Preisbewegungen kam, die nichts mehr mit den realen Marktgegebenheiten zu tun haben. Unter den realen Marktgegebenheiten verstehen wir ja insbesondere das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
MittelstandsWiki: Kann man denn nichts dagegen tun?
Dr. Klaus Bergmann: Diese Forderung kam ja immer wieder. Von vernünftigen Politikern, von dem breiten Volk und auch von großen Verbrauchern wie der Luftfahrtindustrie. Auf der anderen Seite kam vor allem aus den angelsächsischen Länder die Gegenansage bzw. der Versuch, jedwede Regulierung des Börsengeschehens zu verhindern. Das fußte auch sehr stark auf der noch immer aktuellen neoliberalen Wirtschaftsphilosophie, die durch die Chicagoer Schule propagiert wurde. Sie fand besonders über Ronald Reagan und Maggie Thatcher breite Aufstellung und Anerkennung in der Politik und hat sich so weltweit immer stärker verbreitet.
MittelstandsWiki: Könnten Sie die Thesen näher erläutern?
Dr. Klaus Bergmann: Die Grundidee ist, dass jedwede Einwirkung von außen in das Marktgeschehen zu ungewünschten Ergebnissen führt. Am besten solle man den Markt sich selbst überlassen. Er ist sein eigenes Regulativ. Die Chicagoer Schule entstand als Gegenbewegung zur Wirtschaftslehre von John Maynard Keynes. Diese verfolgte die Idee, dass die Wirtschaft bei Problemen mit staatlichen Eingriffen wieder funktionsfähig gemacht werden soll, bis alles wieder richtig läuft. Der Chicagoer Ökonom Milton Friedman hat festgestellt, dass solche Eingriffe häufig zu Fehlfunktionen führten. Die Kritik war also durchaus berechtigt. Daraus im Umkehrschluss zu schließen, dass man die Märkte komplett sich selbst überlassen soll, ist aber nicht in Ordnung. Die totale Freiheit hat zu den Exzessen geführt, die wir in letzter Zeit erlebt haben.
MittelstandsWiki: Und wie ist Ihre Meinung zu dem Thema?
Dr. Klaus Bergmann: Eigentlich bin ich ja auch gegen eine Regulierung, weil das ohnehin komplexe System dadurch noch komplexer und somit undurchschaubarer wird, und weil dadurch eine kleine Elite, die die Komplexität besser beherrscht als das Gros der Marktteilnehmer und als die Politik, neue Marktverzerrungen hervorrufen wird. Ich kann mir aber vorstellen, dass die neuen Bankgesetze der USA im Rahmen der Finanzmarktregulierung in Einzelfällen schon etwas bringen werden. Vor allem bei den Warenterminbörsen kann man mit einfachen Mitteln Wirkung erzielen. Hier geht es nur darum, Handelsvolumina zu beschränken und dafür zu sorgen, dass nicht mehr Finanzmittel in einen Rohstoff wie Öl oder Weizen gepumpt werden, als der Marktwert des physischen Stoffes überhaupt sein kann. Man kann dann relativ einfach sagen: „Leute, das sind die Limits. Mehr spekulatives Geld dürft ihr nicht in diesen Markt stecken.“ Nach meiner Meinung ist das eine einfache Regel, die durchaus eine ganze Menge bringen könnte.
MittelstandsWiki: Wie soll das Gesetz umgesetzt werden?
Dr. Klaus Bergmann: Obama will vor allem die Aufsichtsbehörden stärken. Sobald sie den Verdacht hegen, dass jemand unseriös agiert, können sie das zur Anklage bringen. Ein wichtiger Grundsatz ist auch, dass sämtliche finanziellen Transaktionsgeschäfte nur an Börsen stattfinden dürfen. Das hat den großen Vorteil, dass sie transparent sind und quasi unter den Augen der Öffentlichkeit stattfinden. Ein großes Problem sind nämlich die so genannten Over-the-Counter- oder OTC-Geschäfte. Das sind Geschäfte, die außerhalb der Börse ablaufen. Man vermutet, dass sie in bestimmten Märkten wie dem Ölmarkt ein noch viel größeres Finanzvolumen in sich tragen als das Börsengeschäft selber. Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn man sie verhindern könnte und alle Geschäfte nur an Börsen stattfänden.
MittelstandsWiki: Meinen Sie, dass das tatsächlich etwas bringt? Man kann doch nicht verhindern, dass eine kleine Karibikinsel solche Transaktionen weiterhin zulässt.
Dr. Klaus Bergmann: Da haben Sie absolut recht. Das kann man natürlich nicht verhindern. Ich kann mir aber vorstellen, dass die großen Banken, über die die meisten Spekulationsgeschäfte laufen, dann Probleme mit den Börsen bekommen. Man könnte sie, wenn sie OTC-Geschäfte irgendwo auf der Welt betreiben, vom regulären Börsengeschehen ausschließen. Nach dem Motto „Wenn ihr hier mitspielen wollt, dann untersagen wir euch diese Over-the-Counter-Geschäfte auf irgendwelchen windigen Inseln“.
MittelstandsWiki: Haben Sie am Ende noch ein paar konkrete Tipps für den Heizölkauf?
Dr. Klaus Bergmann: Beobachten Sie den Markt regelmäßig. Kunden können sich auch an unserem Tiefpreissystem auf www.esyoil.com orientieren, das auf mathematische Weise Minima in der Preisbewegung feststellt. Wenn der Preis besonders hoch ist, kann es ratsam sein, dass man erst einmal nur die Mengen kauft, die man benötigt. Später, wenn der Preis gefallen ist, kann man dann den Tank ganz auffüllen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es mehr denn je angebracht ist, sich mit der Reduzierung des eigenen Verbrauchs zu beschäftigen. Dazu empfehle ich zum Beispiel www.esytrol.com.
Das Interview führte Sabine Philipp.