Der Erbenermittler spürt Nachfolger auf
Heinrich Georg Ely ist Erbenermittler und gerichtlich bestellter Nachlasspfleger. Schon während seines Geschichtsstudiums beschäftigte er sich mit Ahnenforschung, so dass es nach dem Abschluss als Historiker und Politikwissenschaftler nahe lag, das Hobby zum Beruf zu machen. Als selbstständiger Erbenermittler im rheinland-pfälzischen Daun bearbeitet er etwa 50 bis 60 Fälle pro Jahr, wovon viele ins Ausland gehen. Da es in dem Bereich auch Betrüger gibt, stößt Ely anfangs zwar auf Misstrauen. „Die Leute merken aber relativ schnell, dass die Sache Hand und Fuß hat, da wir Details aus ihrer Familie kennen.“
MittelstandsWiki: Wie kann ich mir die Arbeit eines Erbenermittlers eigentlich vorstellen?
Heinrich Georg Ely: Ich bekomme einen Auftrag, entweder vom Nachlassgericht, von anderen Nachlasspflegern, von Testamentsvollstreckern, Notaren und auch von Privatpersonen, die wissen, dass es irgendwo einen Onkel gab, oder die die anderen Erben aufspüren möchten, weil die Erbengemeinschaft komplett sein muss – und dann lege ich los. Meist liegen nur die Stammdaten des Erblassers vor, wie das Geburtsdatum und das Sterbedatum. Oft sind noch die Namen der Eltern bekannt, manchmal auch die der Geschwister. Und anhand dieser Daten und Orte hangeln wir uns dann durch. Wir schauen, wer die Großeltern waren und wie viele Stämme und welche Abkömmlinge es gibt, bis wir wieder bei den heutigen Erben angekommen. Die Informationen recherchieren wir bei den Standesämtern, in Archiven und Kirchenbüchern und neuerdings auch im Internet. Daneben stehen uns noch weitere Quellen wie Adressbücher und alte Telefonbücher zur Verfügung. Wenn wir die Erben dann gefunden haben, besorgen wir die notwendigen Urkunden, was aber mitunter noch länger dauern kann als die Erbenermittlung selbst.
MittelstandsWiki: Wieso?
Heinrich Georg Ely: Weil Sie teilweise sehr viele Urkunden besorgen müssen, die Sie nicht alle bei einem Standesamt anfordern können. Besonders lange kann es dauern, wenn Urkunden aus dem Ausland beschafft werden müssen.
MittelstandsWiki: Wie lange dauert es, bis der Fall komplett abgeschlossen ist?
Heinrich Georg Ely: Das kommt darauf an. Wenn der Fall nur im Bundesgebiet stattfindet, kann man ihn in der Regel nach einem Jahr abschließen. Bei Fällen mit Auslandsbezug kann es aber mehrere Jahre dauern.
MittelstandsWiki: Und wie lange haben Sie Zeit, bevor das Erbe verfällt?
Heinrich Georg Ely: Nach dem BGB besteht der Anspruch 30 Jahre lang, bevor er verjährt. Gerichte setzen zwar eine Sechswochenfrist, nach der sie oft den Erbschein ausstellen oder das Erbrecht des Staates feststellen. Aber wir können innerhalb dieser 30 Jahre das Erbe zurückverlangen.
MittelstandsWiki: Was passiert mit dem Erbe in der Zwischenzeit?
Heinrich Georg Ely: Darum kümmert sich der Nachlasspfleger. Er verwaltet es für die unbekannten Erben und kümmert sich auch um die Beerdigung, wenn es noch nicht passiert ist. Einige Erbenermittler arbeiten zusätzlich als Nachlasspfleger. Ich auch.
MittelstandsWiki: Gibt es auch hoffnungslose Fälle?
Heinrich Georg Ely: Manchmal stehen wir vor dem großen Problem, dass durch den Krieg die Unterlagen in den Standesämtern oder die Kirchenbücher zerstört wurden. Meist betrifft das die ehemaligen deutschen Ostgebiete wie Schlesien und Ostpreußen. Dann können wir auch nichts machen.
MittelstandsWiki: Haben Sie viele Fälle aus dem Ausland?
Heinrich Georg Ely: Ja, wir bearbeiten sehr viele Fälle von Vertriebenen und müssen deshalb häufiger in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und im Sudetenland forschen. Oder in Übersee. Ein weiteres großes Thema sind nämlich Auswanderungen, vor allem in die USA und nach Südamerika.
MittelstandsWiki: Das machen Sie aber nicht alles von Daun aus, oder?
Heinrich Georg Ely: Nein. Natürlich nicht. Das geht nur mit einem breiten Korrespondentennetzwerk. Ich arbeite hier mit der Erbenermittlung Emrich zusammen, die unter anderem Büros in Polen und Argentinien führt. Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit ist, dass die Kollegen eigene Juristen beschäftigen, die die Kommunikation mit dem Gericht teilweise übernehmen, und sie unterstützen mich bei der Abwicklung der Nachlässe.
MittelstandsWiki: Werden die Menschen nicht misstrauisch, wenn ihnen ein Unbekannter, womöglich noch aus dem Ausland, aus heiterem Himmel eine Erbschaft verspricht? Es gibt hier doch sicher auch einige Betrüger?
Heinrich Georg Ely: Diese Betrüger gibt es. Deshalb ist ein gewisses Misstrauen anfangs meist vorhanden. Die Leute merken aber relativ schnell, dass die Sache Hand und Fuß hat, da wir Details aus ihrer Familie kennen. Dadurch schwindet das Misstrauen recht schnell.
MittelstandsWiki: Gibt es sonst eine weitere Möglichkeiten, einen Betrüger zu entlarven?
Heinrich Georg Ely: Ein seriöser Erbenermittler wird niemals Vorkasse verlangen. Er wird erst abrechnen, wenn der ganze Fall abgeschlossen ist. Und er verlangt zunächst keine Bankverbindung. Die Abwicklung des Nachlasses geschieht erst, wenn die Erben gerichtlich festgestellt wurden. Der ganze Vorgang läuft über das Gericht. Es stellt den Erbschein. Damit ist die Kontrollinstanz gegeben. Mein Honorar bekomme ich erst, wenn die Erben ihr Geld haben.
MittelstandsWiki: Und wie hoch ist das?
Heinrich Georg Ely: Das hängt vom Fall ab. Der BGH hat aber anerkannt, dass für einen Erbenermittler Provisionen von etwa 10 bis 30 % akzeptabel sind. Bei einem Auslandseinsatz oder bei Fällen, die in den Bereich der vierten Erbordnung gehen, wenn wir also im Bereich von Großcousin und Großcousine sind, können die Sätze auch bis zu 33 ⅓ % betragen. Daran orientiere ich mich auch. Das hört sich jetzt erst einmal viel an, aber man muss bedenken, dass der komplette Service von uns übernommen wird. Wir beschaffen die ganzen Urkunden, helfen bei der Abwicklung vor Gericht, bei eventuellen Immobilienverkäufen und bei der Auswahl geeigneter Rechtsanwälte und Steuerberater. Die Kosten für Notar, Anwalt, Steuerberater sind inbegriffen. Und Sie können das Honorar mit der Erbschaftssteuer verrechnen. Dadurch relativiert sich die Höhe der Provision recht schnell.
MittelstandsWiki: Weigern sich manchmal die Erben dennoch, das Honorar zu zahlen?
Heinrich Georg Ely: Das kommt sehr selten vor. Unsere Klienten sehen die Arbeit, die hinter den manchmal jahrelangen Recherchen steckt, und dass es teuer ist, ein Korrespondentennetzwerk zu unterhalten. Außerdem profitieren sie von unserer Dienstleistung. Ohne Erbenermittler hätten sie nicht von der Erbschaft erfahren. Daher ist das Verständnis in der Regel sehr hoch.
- Das Interview führte Sabine Philipp.