Kritik regt an, zu viel Lob kann lähmen
Manuela Engel-Dahan ist Geschäftsführerin der Bad Orber Firma Lock Your World, die das VdS-zertifizierte Schließsystem pylocx produziert. Der Weg dahin war steinig. Die Unternehmerin hatte zunächst ein israelisches Schließsystem vertrieben, kündigte aber die Zusammenarbeit, da es ihren Qualitätsansprüchen auf Dauer nicht gerecht wurde – und stand vor einem riesigen Kostenberg. Das neue Produkt, eine Eigenentwicklung, war in Arbeit und noch nicht lieferbar. Dennoch schaffte es Engel-Dahan, ihre Geschäftspartner von ihrem neuen Schließsystem zu überzeugen und Bestellungen entgegenzunehmen. Dass die Kunden ihr vertrauten, hatte einen guten Grund: „Wir haben unsere Kunden nie enttäuscht, und sie wussten, dass sie sich auf uns verlassen können.“
MittelstandsWiki: Dass Ihnen die Kunden die Treue hielten, ist doch sehr erstaunlich. Schließlich sind doch auch sie ihren Kunden gegenüber verpflichtet und müssen sich auf ihre Lieferanten verlassen können. War es da nicht ein wenig riskant, auf ein Produkt zu setzen, das es noch gar nicht gibt?
Manuela Engel-Dahan: Wir haben unsere Kunden nie enttäuscht, und sie wussten, dass sie sich auf uns verlassen können. Auch wenn etwas mal nicht so gut lief. Und wir haben immer offen mit ihnen kommuniziert. Als wir die Zusammenarbeit mit dem israelischen Hersteller gekündigt hatten, haben wir alle Karten auf den Tisch gelegt. Wir haben klar gesagt, was Sache ist und was Sie erwarten können. Das hat sie überzeugt.
MittelstandsWiki: Aber wie konnten Sie so schnell einen Ersatz für das israelische Produkt entwickeln? Geistesblitze fallen in der Regel doch nicht vom Himmel. Besonders dann nicht, wenn man sie gerade braucht.
Manuela Engel-Dahan: Es ist ja nicht so, dass wir uns pylocx aus dem Ärmel geschüttelt hätten. Schon im letzten Jahr hatten wir mit zwei Ingenieuren damit begonnen, eigene Modifikationen an dem Schließsystem mit Genehmigung des Herstellers vorzunehmen. Als es dann für uns nur noch die Alternativen gab, die Firma zu schließen oder eine Eigenentwicklung zu wagen, habe ich mit den beiden Ingenieuren unser eigenes Entwicklungs- und Produktionsunternehmen gegründet, die Lock Your World Technologies GmbH. Wir haben dann alle Erfahrungen aus unseren bundesweiten Aufträgen gesammelt, die Schwachstellen analysiert und unser eigenes System entwickelt. Das Ergebnis war der erste VdS-zertifizierte elektronische Rohrtresor, der ohne Batterie im Schloss auskommt.
MittelstandsWiki: Wie kann ich mir das vorstellen und was soll daran so besonders sein?
Manuela Engel-Dahan: Elektronische Schlösser werden, wie der Name schon sagt, durch elektrische Impulse geöffnet und geschlossen. Dazu benötigen sie natürlich Strom, der häufig durch Batterien geliefert wird. Die können aber auch mal leer sein. Bei unserem System wird der Strom von dem elektronischen Schlüssel, dem Transponder, geliefert. Er kommt mit zwei ganz normalen Tripple-A-Batterien aus, die Sie auch in einer Fernbedienung finden und die Sie ganz einfach austauschen können. Um das Schloss zu öffnen, gibt man den PIN-Code auf der Tastatur des Transponders ein und hält ihn an die Übermittlungsstelle. Dann werden die Daten ausgetauscht und das Schloss öffnet sich. Transponder und Schloss können Sie selbst programmieren und Nutzungsrechte vergeben. Es gibt unterschiedliche Sicherheitsstufen, die man wählen kann, bis hin zum hochsicheren 1x-Code, der vom Administrator in einer PLXM-Software verwaltet wird.
MittelstandsWiki: Und wenn man die Verdeckung abreißt und die richtigen Kabel zusammenbringt, kann man das Schloss knacken?
Manuela Engel-Dahan: An das Steuermodul kommen Sie nicht heran. Das befindet sich in dem Tresor. Außerdem haben wir eine Stufe zwischengeschaltet. Zunächst prüft das Steuermodul, ob der Transponder zum System passt bzw. ob der Pin-Code stimmt. Erst dann geht das Signal auf das Schloss. Daneben gibt es ein reversibles Sicherungssystem, das vereinfacht gesagt dafür sorgt, dass das Gerät auch dann funktioniert, wenn man von außen versucht, es mit Strom zu manipulieren.
MittelstandsWiki: Nun ist das Thema sehr technisch und die Schließsystembranche eine Männerdomäne. War es da für Sie als Frau nicht schwer, sich durchzusetzen? Zumal Sie Quereinsteigerin sind?
Manuela Engel-Dahan: Ich habe mir immer gesagt, wenn man nichts von mir erwartet, kann ich auch niemanden enttäuschen (lacht). Nein, anfangs wurde ich schon ein wenig belächelt. Aber das Produkt, das ich vertrieben hatte, war einzigartig, und ich hatte meine Nische gefunden. Im Laufe der Jahre habe ich mir dann gemeinsam mit meinem Team den Respekt erarbeitet. Ich habe häufig darüber nachgedacht, ob es als Mann manchmal nicht leichter gewesen wäre, aber im Grunde müssen wir doch alle hart kämpfen. Egal, welches Geschlecht wir haben. Unabhängig davon: Kritik und Zweifel können sehr anregend wirken – und allzu viel Lob kann lähmen. Ich hatte das Glück, mit Menschen zusammen zu kommen, die ehrlich waren, die mir auch mal widersprochen und mich wachgerüttelt haben. Gerade in schwierigen Zeiten kann das neue Denkanstöße bringen.
MittelstandsWiki: Haben Sie Tipps für Unternehmer, die sich in einer so ausweglosen Situation befinden – so wie es bei Ihnen noch vor kurzem der Fall war?
Manuela Engel-Dahan: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man nicht sofort auf den Gipfel kommt. Seit der Krise im Februar arbeite ich mich von Woche zu Woche vorwärts und stecke kleine Fähnchen. Und freitags sage ich immer: „Hurra, wir leben noch!“ Wichtig ist, dass man das, was man tut, gern tut, und dass man davon überzeugt ist. Und man muss Hilfe annehmen können. Das ist nicht immer leicht weil es irgendwo auch bedeutet, dass man versagt hat. Ich habe dabei sehr viel Unterstützung erfahren und das hat mir Kraft gegeben weiterzumachen.
Das Interview führte Sabine Philipp.