Beim Franchising ist die Chemie wichtig
Oliver Verchin ist Kaufmann und Geschäftsführer des Fitnessstudios MedX in Wiesbaden. Der ehemalige Franchise-Nehmer kennt alle Fallstricke des Systems und weiß, worauf man achten sollte. Er hat sich von seinem Franchise-Geber getrennt, weil er seine eigenen Ideen nicht umsetzen konnte. Der Bruch war teuer, hat sich aber gelohnt. Mit einigen Änderungen führt er das Studio nun allein und sehr erfolgreich weiter. Denn jetzt kann er besser auf Kundenwünsche eingehen, hat „viel mehr Gäste und sie sind auch zufriedener.“
MittelstandsWiki: Herr Verchin, Sie haben sich von Ihrem alten Franchise-Geber getrennt und versuchen nun alleine Ihr Glück. Warum?
Oliver Verchin: Weil mir die Gängelei auf die Nerven gegangen ist.
MittelstandsWiki: Was ist passiert?
Oliver Verchin: Wenn wir Franchise-Nehmer neue Ideen eingebracht haben, dann wurden die meist kategorisch abgelehnt. Der Franchise-Geber ist noch nicht einmal auf unsere Argumente eingegangen.
MittelstandsWiki: Welche Ideen hatten Sie denn?
Oliver Verchin: Wir hatten als Ausdauergeräte nur Ergomenter im Angebot. Nun haben mich meine Kunden häufiger darauf angesprochen, dass sie gerne auch mal mit anderen Geräten trainieren wollen, wie z.B. mit Crosstrainern oder Liegerädern. Dann wollte ich den Backcheck einführen. Das ist ein Gerät, mit dem Sie erkennen können, ob bestimmte Muskelgruppen im Vergleich zu anderen Muskelgruppen viel stärker aufgebaut sind. Wenn z.B. Ihr Rücken viel stärker als ihre Bauchmuskulatur ist, dann können Sie Rückenschmerzen bekommen, obwohl Sie eigentlich einen gut trainierten Rücken haben. Diese Dysbalancen können wir mit dem Gerät finden und das Programm entsprechend ändern.
MittelstandsWiki: Das ist doch eine gute Sache. Was hatte der Franchise-Geber dagegen?
Oliver Verchin: Keine Ahnung. Er hat es mir nicht gesagt. Und das hat mich am meisten gestört. Ich habe es schon als Kind gehasst, wenn mir mein Vater nicht gesagt hat, warum ich etwas tun soll.
MittelstandsWiki: Wie haben denn die anderen Franchise-Nehmer reagiert?
Oliver Verchin: Die fanden die Idee mit dem Backcheck und den Crosstrainern auch klasse. Es gab eine große Diskussion über das Thema. Aber der Franchise-Geber hat es einfach abgeblockt. Irgendwann hat es mir dann gereicht. Ich habe mich nicht selbstständig gemacht, um mir ständig sagen zu lassen, was ich tun soll. Wissen Sie, ich sehe meine Kunden jeden Tag. Ich weiß doch besser, was sie möchten, als jemand, der sie nicht kennt.
MittelstandsWiki: War es schwer, aus dem Vertrag herauszukommen?
Oliver Verchin: Ja, das war es. Es hat mich 20.000 Euro gekostet.
MittelstandsWiki: Das ist ja richtig viel Geld. Warum war es so teuer?
Oliver Verchin: Ich konnte nicht so einfach von dem Vertrag zurücktreten. Dafür gab es keine Klausel. Ich musste mich erst herausklagen.
MittelstandsWiki: Wieso gab es keine Rücktrittsklausel?
Oliver Verchin: Viele Franchise-Verträge haben keine Rücktrittsklausel. Da hätte ich besser darauf achten sollen. Jetzt bin ich schlauer.
MittelstandsWiki: Nun führen Sie Ihr Geschäft schon einige Jahre ohne Franchise-Partner. Sind Sie zufriedener?
Oliver Verchin: Sie glauben nicht, wie! Endlich kann ich das machen, was ich für richtig halte.
MittelstandsWiki: Und dem Geschäft hat es auch gut getan?
Oliver Verchin: Ja. Ich habe viel mehr Gäste und sie sind auch zufriedener. Auch weil ich jetzt mehr besser auf ihre Wünsche eingehen kann.
MittelstandsWiki: Kann Franchising trotzdem ein gutes Konzept sein?
Oliver Verchin: Auf jeden Fall. Ich will das Franchising an sich ja auch nicht ganz schlecht machen. Es gibt durchaus gute Franchise-Partner. McDonald’s zum Beispiel. Die machen ihre Sache richtig gut.
MittelstandsWiki: Welche Tipps haben Sie für Menschen, die ihr Glück mit Franchising versuchen möchten?
Oliver Verchin: Beim Franchising ist die Chemie wichtig. Sprechen Sie mit den anderen Franchise-Nehmern und fragen Sie sie, wie sie mit dem Chef klar kommen, ob sie ihre eigenen Ideen einbringen können. Ansonsten würde ich es vergessen. Und dann sollte man natürlich darauf achten, dass man wieder aus dem Vertrag herauskommt. Sonst kann es richtig teuer werden.
Das Interview führte Sabine Philipp.