Innovationen im Versandhandel: Die eigenen Leute wissen, was zur Firma passt
Robert Möstl ist Gründer und Inhaber des Instituts für Versandhandels-Innovationen (IVHI) im nordrhein-westfälischen Hennef. Der Diplom-Betriebswirt war lange Jahre im Versandhandel tätig, darunter als Neukundenchef bei Quelle, bis er sich 2001 als Unternehmensberater für Versandhändler selbstständig machte. Im Februar 2008 gründete der Lehrbeauftragte der Berufsakademie Ravensburg und Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels das IVHI. Ziel ist es, vor allem mittelständische Unternehmen im Versandhandel systematisch bei der Entwicklung von Innovationen zu unterstützen und Versendern und Dienstleistern eine Plattform zu bieten, auf der „Innovationen gezeigt, geprüft, empfohlen und gefunden werden können“.
MittelstandsWiki: Herr Möstl, wie kamen Sie auf die Idee, das IVHI zu gründen?
Robert Möstl: Während meiner Zeit bei Quelle wurden wir Marketing-Verantwortlichen von Dienstleistern, die ihre Innovationen präsentieren wollten, regelrecht überrannt. Wir hatten also kein Transparenzproblem, was Neuerungen betraf. Allerdings wurden und werden nur die großen Unternehmen regelmäßig informiert. Mittlere und kleine Versender müssen sich aktiv darum kümmern, wenn sie Innovationen entdecken bzw. diese nicht verpassen wollen. Ich dachte mir schon länger, dass das ja wohl nicht sein kann. Deshalb wollte und will ich gerade mittelständischen Versendern und Dienstleistern eine Plattform bieten, auf der Innovationen gezeigt, geprüft, empfohlen und gefunden werden. Den endgültigen Ausschlag für das Institut hat aber eine Serie über Innovationen in der Wirtschaftswoche gegeben. Ich weiß, das klingt jetzt abgedroschen, aber ich saß am Frühstückstisch und habe den Artikel gelesen, und da wurde mir klar, dass ich das Thema jetzt systematisch angehen müsse.
MittelstandsWiki: Wie haben Sie das Unternehmen in Angriff genommen?
Robert Möstl: Als kleinerer Unternehmer konnte ich natürlich nicht sofort einen riesigen Stab an Experten einstellen. Deshalb habe ich ein „virtuelles Expertenteam“ um mich herum geschaffen. Das Team besteht jetzt aus zwölf Top-Managern aus der Branche, von denen jeder der fachliche Kopf eines Themengebietes ist. So zum Beispiel Robert Franken. Er ist Vorstand von urbia.de und der Experte für Social Communities im Internet. Dann gibt es noch einen Beirat, der aus fünf Managern besteht, die ausschließlich bei Versendern bzw. der Fachpresse arbeiten.
MittelstandsWiki: Warum der Beirat?
Robert Möstl: Ich wollte ein „Regulativ“ schaffen, das verhindert, dass ich als IVHI-Leiter und die zwölf Experten Dinge initiieren, die am Bedarf der Branche vorbei gehen.
MittelstandsWiki: Und hat es sich gelohnt?
Robert Möstl: Ja. Die Dreierkonstruktion von Experten, Beiräten und der operativen Führung des Instituts hat sich als goldrichtig erwiesen. Wir wurden sofort von der Branche akzeptiert.
MittelstandsWiki: Ist das denn schwer?
Robert Möstl: Ja, weil gerade die Versandhandelsbranche Neuem gegenüber sehr kritisch und skeptisch ist. Wir konnten aber ganz schnell, wie es so schön heißt, „quick wins“ erzielen und wirklich innovative Themen angehen und Probleme lösen.
MittelstandsWiki: Sie helfen auch Unternehmen, eigene Lösungen zu entwickeln, u.a. mit Schulungen. Wie sieht denn eine gute Idee und eine gute Innovation aus und wie unterscheiden die sich die beiden Dinge eigentlich?
Robert Möstl: Eine Innovation ist eine Idee, die sich vermarkten lässt. Und eine gute Idee ist ganz einfach, liegt auf der Hand und passt zum Unternehmen.
MittelstandsWiki: Gibt es eine Idee, die Ihnen besonders gut gefallen hat?
Robert Möstl: Ja, und zwar von einer Firma, die sich die Frage gestellt hat, was denn Waschmaschinen machen.
MittelstandsWiki: Sie waschen Wäsche?
Robert Möstl: Das auch. Und was noch?
MittelstandsWiki: Eine Freundin behauptet, dass sie Socken fressen.
Robert Möstl: Genau, wenn Sie nicht genau aufpassen, gehen Ihre Socken ganz schnell verloren. Vor allem in Waschsalons. Deshalb hat eine Firma einen Clip entwickelt, mit dem die Socken zusammenbleiben.
MittelstandsWiki: Wie kommt man auf solche Ideen?
Robert Möstl: Indem Sie sich einfach mit Ihren Mitarbeitern zusammensetzen und sich systematisch ein paar Gedanken machen. Sie brauchen dazu keinen großen Expertenstab. Es eignet sich also auch für KMU. Mittelständler liegen in Sachen Innovationen sogar vor den großen Unternehmen. Der DIHK hat zu dem Thema eine Studie gemacht, die am 23. September 2009 im Handelsblatt veröffentlicht wurde. 30 % der mittelständischen Unternehmen haben in der Krise ihre Innovationen gesteigert, bei den großen Unternehmen waren es nur 17 %. Die besten Ideen kommen sowieso von den eigenen Think Tanks, weil die eigenen Leute am besten wissen, was zur Firma passt und wovon man am besten profitiert.
MittelstandsWiki: Und wie sollten Unternehmen bei der Ideengenerierung am besten vorgehen?
Robert Möstl: Als Allererstes sollten Sie sich ein Ziel setzen. Sonst hat die ganze Übung keinen Sinn. In der zweiten Phase generieren Sie Ideen zu dem Thema. Und zwar ungefiltert und unkritisiert. Nörgler und Chefs müssen draußen bleiben. Sonst behalten die Leute die Ideen für sich bzw. der Chef setzt sich mit seinen Ideen automatisch durch. Wenn Sie fertig sind, müssen Sie die Ideen bewerten und umsetzen. Eine gute Möglichkeit, um schnell viele Ideen zu finden, ist die 6-3-5-Methode: Sechs Personen entwickeln jeweils drei Ideen in fünf Minuten. Dann haben Sie nach einem Durchgang 18 Ideen. Nach fünf Minuten wird das Blatt dann an den nächsten Teilnehmer in der Runde weitergegeben, der die Idee seines Kollegen entweder präzisiert oder eine neue Idee notiert. Das ergibt nach sechs Durchgängen 108 Ideen in weniger als einer Stunde! Da kommen oft ganz tolle Sachen heraus.
MittelstandsWiki: Gibt es außer den nörgelnden Chef sonst noch Fehler, die ich vermeiden sollte?
Robert Möstl: Ja, z.B. ein unklares Briefing. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, kann Ihnen der genialste Mitarbeiter nicht helfen. Dann sollten Sie keine homogenen Gruppen einsetzen. Leute, die gleich denken, kommen auf gleiche Ideen. Außerdem sollten Sie bei Innovationen nicht immer an die ganz großen Sachen denken, wie z.B. an ein tolles neues Produkt, das sämtliche Verkaufsrekorde bricht. Auch bei Prozessen können Sie Innovationen anleiern. Eine Idee, die Sie weiterbringt, könnte z.B. sein, dass Sie den Mitarbeitern in den Call Centern mehr Freiheiten bei bestimmten Entscheidungen geben und dadurch Zeit sparen.
MittelstandsWiki: Was können Sie Unternehmern sonst noch raten?
Robert Möstl: Machen Sie öfter mal eine Jobrotation. Setzen Sie sich als Chef mal zwei Tage an die Maschine oder ans Telefon oder arbeiten Sie mit den Azubis. Das ist spannend und bringt Sie auf neue Ideen.
Das Interview führte Sabine Philipp.