Gesellschaftergrundsatz: sanieren oder ausscheiden
Von Sabine Wagner
Gerät ein Unternehmen in die Krise, ist mitunter weder eine Sanierung z.B. durch Einsparmaßnahmen noch eine Liquidation sinnvoll, sondern ein beherzter Kapitalschnitt. Die Gesellschafter sehen das freilich gar nicht gerne. Dennoch kann im Einzelfall für einen Gesellschafter sogar die Treuepflicht bestehen, Kapitalmaßnahmen zuzustimmen, um die Krise des Unternehmens zu überwinden.
Als Kapitalmaßnahme wird oft beschlossen, das Nominalkapital dem tatsächlichen Eigenkapital anzupassen. Das geschieht, indem das Kapital des Unternehmens in einem ersten Schritt nominell herabgesetzt wird; in einem zweiten Schritt wird das Kapital dann gegen eine neue Bar- oder Sacheinlage erhöht. Diese Kapitalmaßnahme wird Kapitalschnitt genannt.
Fünf Jahre Nachhaftungsrisiko
Nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Oktober 2009 (II ZR 24008) beteiligt sich ein Gesellschafter entweder an einer solchen Kapitalmaßnahme oder er scheidet aus der Gesellschaft aus. Dieser Grundsatz („sanieren oder ausscheiden“) hat gemäß § 161 Abs. 2 in Verbindung mit § 160 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) für den ausscheidenden Gesellschafter aber immer noch ein Nachhaftungsrisiko für die nächsten fünf Jahre zur Folge.
Dieses lange Nachhaftungsrisiko hielt ein Kommanditist eines Unternehmens in der Krise für nicht zumutbar. Ebenso wenig stimmte er der beantragten Kapitalmaßnahme zur Rettung des Unternehmens zu. Das Oberlandesgericht Stuttgart hielt mit seinem Urteil vom 11. Juli 2013 (19 U 11/13) diese Begründung allein für nicht überzeugend. Der genannten BGH-Rechtsprechung folgend, erachtete das Gericht es nicht für hinnehmbar, dass sanierungswillige Gesellschafter frisches Kapital in das Unternehmen geben und sogenannte sanierungsunwillige Gesellschafter, die gegen diese Maßnahme gestimmt haben, aufgrund der unveränderten Beteiligungsquote wirtschaftlich davon profitieren sollen. Gesellschafter, die nicht bereit sind, auszuscheiden, müssen sich konsequenterweise so behandeln lassen, als ob sie der Kapitalmaßnahme ebenfalls zugestimmt hätten.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Fazit: Unabhängig von der Gesellschaftsform
Bislang lagen dem BGH nur Fälle vor, bei denen es um Publikumspersonengesellschaften in der Krise ging. Zu anderen Gesellschaftsformen als z.B. der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Kommanditgesellschaft gibt es noch keine Rechtsprechung. Die herrschende Meinung in der juristischen Fachliteratur vertritt aber die Auffassung, dass der Grundsatz „sanieren oder ausscheiden“ auch für andere Gesellschaftsformen anwendbar ist.
Deshalb empfiehlt es sich, die BGH-Rechtsprechung vorsichtshalber bei allen Gesellschaftsformen zugrunde zu legen, wenn ein Unternehmen angeschlagen ist und im konkreten Einzelfall nur eine Kapitalmaßnahme sinnvoll ist, um das Unternehmen aus der Krise zu führen.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.