Technologieregion Karlsruhe: Was die Technologie­region Karls­ruhe auszeichnet

Im und um den Forschungs­standort Karls­ruhe herum hat sich eines der größten IT- und Software-Zentren Europas gebildet. Seine vielleicht größte Stärke liegt in der Ver­netzung – mit dem Karls­ruher Institut für Tech­no­logie (KIT) als Strategie­zentrum, Ex­zellenz­universität und Taktgeber.

Leuchtfeuer der Digitalisierung

Von David Schahinian

Das kann keine andere Stadt von sich behaupten: Die Informatik wurde in Karlsruhe erfunden! Zumindest der Begriff, der durch eine Publikation von Karl Steinbuch im Jahr 1957 geprägt wurde. Der ehemalige Institutsdirektor der Technischen Hochschule Karlsruhe, die 2009 im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) aufging, legte damit einen Grundstein für die Stellung, die die Einrichtung und die gesamte Region heute im IT-Bereich hat. Nach Angaben der Stadt arbeiten rund 11.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Damit zählt die Region im Südwesten Baden-Württembergs zu den bedeutendsten IT-Standorten Europas. Die Analogie zum ebenfalls hoch angesehenen MIT, dem Massachusetts Institute of Technology, ist nicht unbeabsichtigt. An der „Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ arbeiten rund 9300 Mitarbeiter, hinzu kommen über 25.000 Studenten.

Ausgezeichnete Karrierepfade

Erst jüngst stand das KIT wieder mal im Mittelpunkt: Es wurde mit seinem Konzept „Living the Change“ bundesweit zu einer von elf Exzellenzuniversitäten gekürt. Damit hat es in den kommenden Jahren Zugang zu Fördermitteln in Millionenhöhe. Beantragt wurden insgesamt 105 Millionen Euro für die nächsten sieben Jahre. Sie sollen vor allem in den Ausbau der Spitzenforschung am KIT, den intensiven Dialog mit der Gesellschaft und das Anbieten verlässlicher Karrierewege fließen.

Apropos verlässliche Karrierewege: Hier wäre auch die lückenlose Förderung des Forschernachwuchses auf allen Karrierestufen zu nennen. Zwei Beispiele für die dafür geschaffenen Infrastrukturen: das Karlsruhe House of Young Scientists (KHYS) und das Young Investigator Network (YIN). Während das KHYS als zentrale Beratungs- und Servicestelle für Doktoranden fungiert, versteht sich das YIN als Plattform und demokratische Interessenvertretung der wissenschaftlichen Nachwuchsführungskräfte am KIT.

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Grund zum Jubeln: Mit „Living the Change“ ist die Spitzenforschung am KIT auch 2019 wieder in den erlesenen Kreis der Exzellenzuniversitäten gewählt. Am 11. Oktober 2019 war in Karlsruhe dann wieder Bunte Nacht der Digitalisierung, an der rund 100 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft mitwirken. Das KIT bot an vier Standorten Ein- und Ausblicke in die technologische Zukunft. (Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

Der Weg aus der Forschung in die Wirtschaft wird ebenfalls geebnet. Dafür riefen die Verantwortlichen im Jahr 2013 die KIT-Gründerschmiede ins Leben. Das Projekt unterstützt wissenschaftlich Beschäftigte bei der Umsetzung ihrer Ideen und den dafür nötigen Technologietransfer in die praktische Umsetzung am Markt. Das Ziel besteht auch darin, Studierende und wissenschaftlich Beschäftigte für unternehmerisches Denken zu begeistern und sie zum entsprechenden Handeln auszubilden. Dafür gibt es beispielsweise einen Gründer-Guide, Entrepreneurship-Talks sowie einen Kurs zur Patentverwertung.

Institutionen ziehen an einem Strang

Es wird bereits deutlich: Eine der größten Stärken des Instituts ist die Fähigkeit zur Vernetzung – sowohl intern als auch extern. Intern koordinieren acht KIT-Zentren bereichsübergreifende Forschungs- und Innovationsthemen. Zudem fördern sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Extern findet sich das KIT eingebettet in einen der größten IT-Cluster Europas. Unter dem Motto „Hightech trifft Lebensart“ beheimatet die sogenannte Technologieregion Karlsruhe unter anderem drei Fraunhofer-Institute, namentlich für chemische Technologie (ICT), für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) sowie für System- und Innovationsforschung (ISI). Weitere wissenschaftliche Einrichtungen von Rang und Namen sind die Hochschule Karlsruhe, die Carl Benz School und das European Institute for Energy Research (EIFER). Mit der Bundesanstalt für Wasserbau sitzt darüber hinaus eine zentrale Bundesbehörde in Karlsruhe. Sie berät zum Thema sichere und leistungsfähige Bundeswasserstraßen und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen bereits verfügbaren Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Eng mit dem KIT verbunden ist das Forschungszentrum Informatik (FZI). Daran ändert auch nichts, dass es 2018 die zusätzliche Institutsbezeichnung aus dem Titel strich. Sie sollte lediglich die Unabhängigkeit der Stiftung bürgerlichen Rechts, die das FZI ist, verdeutlichen und Verwechslungen verhindern. Das Zentrum hat sich als gemeinnützige Einrichtung der Aufgabe verschrieben, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der IT in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zu bringen. Darüber hinaus werden auch hier junge Menschen für eine akademische oder wirtschaftliche Karriere oder eine Gründung qualifiziert. Junge Wissenschaftler bekommen am FZI die Möglichkeit, in enger Zusammenarbeit mit Kunden Forschung für ihre Promotion zu betreiben. Im Dienst von Auftraggebern entwickeln sie Konzepte, Hardware-, Software- oder Systemlösungen und testen diese mithilfe von Prototypen in der Praxis. „Oft wechseln sie direkt nach ihrer Arbeit am FZI in Managementpositionen“, heißt es am FZI.

Das FZI sieht sich als „Innovationsdrehscheibe in Baden-Württemberg“, als Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und praktischer Anwendung. Davon zeugen unter anderem auch die Mitgliedschaften in den Innovationsallianzen innBW und Technologieregion Karlsruhe sowie die Unterstützung des Accelerator-Programms AXEL, das sich mit dem Thema Energie beschäftigt.

Im Software-Cluster auf den Weltmarkt

Baden-Württemberg, IT – war da nicht noch irgendwas? Richtig, mit SAP sitzt einer der weltweit größten Software-Hersteller in dem Bundesland. Und nicht nur der. Der Software-Cluster im Südwesten Deutschlands sei Europas „Silicon Valley für Unternehmenssoftware“, heißt es in einer Selbstbeschreibung. Untermauert wird das mit eindrucksvollen Zahlen: Rund um die Zentren Darmstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Saarbrücken und Walldorf sind mehr als 134.000 Beschäftigte in über 11.000 Software-Firmen beschäftigt. So schließt sich der Kreis, denn der qualifizierte Nachwuchs wird zu einem guten Teil in den Fakultäten und Forschungseinrichtungen der Region ausgebildet.

Der Software-Cluster soll die Kompetenz der Beteiligten bündeln und damit die digitale Transformation vorantreiben: „Die Mission ist es, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen durch eine enge Kooperation mit der Forschung bei ihren Innovationsaktivitäten zu unterstützen und den Zugang zu Pilotkunden in den Anwenderdomänen zu ermöglichen.“ Im Strategieboard, dem obersten Entscheidungsgremium, sitzen Vertreter von Unternehmen wie SAP und der Software AG, aber auch solche aus der Wissenschaft, etwa von der TU Darmstadt und eben dem KIT.

Zu den aktuellen Projekten des Clusters zählt das bereits seit 2005 laufende und jährlich stattfindende Heidelberger Innovationsforum. Es vernetzt IT-Forscher und Marktteilnehmer bereits in frühen Innovationsphasen, etwa bei der Finanzierung von Start-ups, Lizenzierung von Technologien oder Initiierung von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Darüber hinaus denkt man beim Software-Cluster in puncto Vernetzung in ganz großen Maßstäben: In Brasilien, Singapur und dem Silicon Valley wurden Koordinierungsbüros geschaffen. Sie helfen, schnell vertrauenswürdige internationale Projektpartner zu finden.

Ein aktiver, offener Elfenbeinturm

Unter dem Strich kommen am KIT in Karlsruhe mehrere Faktoren zusammen, die es von anderen Einrichtungen abhebt. Sie bilden die strukturellen Voraussetzungen einer der weltweit größten Forschungs- und Lehreinrichtungen. Es ist aber vor allem auch die Offenheit gegenüber anderen Disziplinen und der Wirtschaft, die die Wissenschaftler auszeichnet. Für Studenten bietet das die Chance, sich in ihrem Feld selbst zu verwirklichen, und zwar aus einer guten Startposition heraus. Die vorgestellten Kooperationen machen nur einen Bruchteil aller existierenden aus, Partner für individuelle Projekte sind meist leicht zu finden. Die Ideen der Studenten fallen in der Technologieregion Karlsruhe somit auf einen extrem fruchtbaren Boden.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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