Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement: Wer den Wandel zum Beruf wählt

Die Umstellung von analogen zu digitalisierten Geschäftsprozessen ist keine stete, gleichmäßige Entwicklung, sondern oft ein sprunghafter Wechsel, meist unter Zeitdruck. Kaufleute für Digitalisierungsmanagement sind die vielseitig versierten Begleiter und Begleiterinnen dieser digitalen Disruption.

Digitaler Wandel als Beruf

Von Dirk Bongardt

Wie dynamisch sich die Digitalisierung entwickelt, spiegelt sich auch in den sich schnell verändernden Berufsbildern wider. Der Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement etwa hat erst im August 2020 den Informatikkaufmann abgelöst. Ein Grund für die Neuordnung dieses und weiterer IT-Berufe sind die geänderten Anforderungen in den Bereichen Vernetzung, Internet of Things, Industrie 4.0 und die damit verbundene Digitalisierung aller Wirtschaftsbereiche.

Schon der Name des neuen Berufsbilds hebt sich vom Vorgänger deutlich ab. Informatik ist ein Wissensgebiet, Digitalisierung ein Prozess dynamischer Veränderung. Kaufleute für Digitalisierungsmanagement begleiten und fördern diese Veränderung. Und das betrifft nicht nur große Unternehmen, denn auch in kleinen und mittelständischen Firmen werden Kompetenzen im digitalen Bereich immer wichtiger.

Prozesse analysieren und optimieren

Die Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau für Digitalisierungsmanagement vermittelt wichtige Kenntnisse der unterschiedlichen Organisationsformen in Unternehmen. Digitalisierungsmanager müssen die Abläufe und Strukturen der gesamten betrieblichen Organisation im Zusammenhang verstehen und wissen, wie die Prozesse ineinandergreifen, also zum Beispiel, wie Kunden- und Lieferantendaten, Lagerbestände und Produktionsdaten erfasst, verarbeitet und gesichert werden, wie aus Bestellungen Produktionsaufträge und am Ende Lieferscheine und Rechnungen werden.

Sie analysieren die etablierten Prozesse der einzelnen Abteilungen, beurteilen deren Digitalisierungsgrad und erarbeiten auf dieser Basis Vorschläge für eine Optimierung. Hier sind nicht nur analytische Fähigkeiten gefragt, sondern auch eine überzeugende Kommunikation: Jede Prozessoptimierung stellt für die betroffenen Abteilungen und deren Mitarbeiter auch eine Veränderung dar.

Mitarbeiter, die ihre bisherige Arbeitsweise ändern müssen, stehen dem oft kritisch gegenüber, vor allem dann, wenn sich ihnen die Vorteile nicht unmittelbar erschließen. Wer etwa Warenein- und -ausgänge per Barcodescanner erfassen soll, statt, wie früher, manuell lange Zahlenkolonnen zu erfassen, wird die Vorteile unmittelbar wahrnehmen. Aber schon die Vorteile einer digitalen Arbeitszeiterfassung gegenüber der guten alten Stempelkarte bewerten viele Betroffene kritisch. Kaufleute für Digitalisierungsmanagement entscheiden in der Regel nicht allein über solche Veränderungen. Sie liefern aber oft den Anstoß dafür, und müssen mit Widerspruch rechnen.

Berufsbild Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement

Berufsprofilgebende Fertigkeiten
  • Planen, Vorbereiten und Durchführen von Arbeitsaufgaben
  • Verstärkter Fokus auf Kundennutzen und Wertschöpfung
  • Kundenservice und Kundenberatung
  • Beurteilung gängiger IT-Systeme und kundenspezifischer Lösungen
  • Entwicklung und Betreuung von IT-Lösungen
  • Bewertung und Analyse bestehender kaufmännischer Systeme, Daten und Prozesse
  • Durchführung und Dokumentation von qualitätssichernden Maßnahmen
  • Ermittlung des Bedarfs an Informationen und Bereitstellung von Daten
  • Planung und Durchführung von Beschaffungen
  • Anwendung von Instrumenten kaufmännischer Steuerung und Kontrolle
  • Digitale Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle
  • Anbahnung und Gestaltung von Verträgen
  • Umsetzung, Integration und Prüfung von IT-Sicherheitsmaßnahmen
  • Einhaltung der Bestimmungen zum Datenschutz
Integrative Fertigkeiten

Fortschrittliche Geschäftsmodelle entwickeln

Bei der digitalen Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen arbeiten Kaufleute für Digitalisierungsmanagement Hand in Hand mit der Geschäftsleitung, dem Marketing und dem Vertrieb. Der Begriff „Geschäftsmodell“ ist weit gefasst, und wer bei digitalen Geschäftsmodellen in erster Linie an Online-Shops denkt, denkt zu kurz. Ein ganz anderes Beispiel für digitale Weiterentwicklungen von Geschäftsmodellen ist etwa der Einsatz von VR-Brillen in Autohäusern, mit deren Hilfe potenzielle Kunden ihren Traumwagen schon einmal virtuell probefahren können, auch wenn das Wunschmodell gerade nicht vorrätig ist. Als einer der ersten Autohersteller hat das Audi erfolgreich umgesetzt.

Ein weiteres Beispiel ist die Online-Plattform, auf die etwa Kunden eines Kameraherstellers ihre spektakulärsten Aufnahmen hochladen können. Mitarbeiter des Unternehmens wählen dann die besten darunter aus, prämieren sie und präsentieren die gelungensten auf dem unternehmenseigenen YouTube-Kanal. Actioncam-Hersteller GoPro sorgt so für Kundenbindung und Reichweite, die auf dem Unternehmenskanal gezeigten Videos sind über drei Milliarden mal aufgerufen worden.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Eine digitale Weiterentwicklung muss natürlich nicht derart umfassend ausfallen: Es kann zum Beispiel auch in einer optimierten Darstellung von Cross-Selling-Angeboten im Online-Shop bestehen („Kunden, die X kauften, kauften auch Y, Z etc.)“ oder in einem QR-Code auf der Verpackung eines erklärungsbedürftigen Produkts, der die Kunden via Smartphone zu einem Erklärvideo führt.

Kundennutzen und neue Trends erkennen

Die Aufgabe von Kaufleuten für Digitalisierungsmanagement ist auch hier zunächst analytischer Art: Mithilfe der im Unternehmen vorhandenen Daten – etwa aus dem CRM-System (Customer Relationship Management), aus komplexen Analysetools oder aus aktuellen Marktstudien – ermitteln sie einen möglichen Kundennutzen und formulieren daraus realisierbare Maßnahmen. Ansätze für die digitale Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen kommen nicht selten auch aus der Abteilung Kundenservice, bündeln sich hier doch die Probleme, die Kunden mit den Produkten des Hauses haben.

Außerdem halten die Digitalisierungsmanager Ausschau nach neuen Systemlösungen für die Digitalisierungsvorhaben und müssen ein gutes Gespür für aktuelle Markttrends haben. Dazu gehört auch, den Wettbewerb zu beobachten und dessen erfolgreich umgesetzte Entwicklungen eventuell für das eigene Unternehmen zu adaptieren. Damit ist es freilich noch nicht getan. Die größere Herausforderung besteht darin, diejenigen Ansätze und Kundenbedarfe zu erkennen, für die bislang noch keine passenden technischen Lösungen oder gut abgestimmte Geschäftsprozesse vorhanden sind.

Compliance und Cybersecurity

Unternehmen verfügen heute über mehr Daten als jemals zuvor. Gleichzeitig haben sie dabei mehr Gesetze, Regeln und Vorschriften zu beachten, als das früher der Fall war. Insbesondere Verstöße gegen die DSGVO können erhebliche – mitunter existenzbedrohende – Folgen haben.

Aber auch auf dem Gebiet der Cyberkriminalität lässt sich eine zunehmende Professionalisierung beobachten. Für weltweites Aufsehen sorgte vor einigen Jahren die Cyberattacke auf den Fitnessgeräte-Hersteller Garmin, dessen Kunden ihre Geräte über mehrere Tage hinweg nicht nutzen konnten. Aber auch weniger im Licht der Öffentlichkeit stehende Unternehmen sind Ziele von Computerkriminalität: Die Aerzener Maschinenfabrik etwa war Ende Juli Opfer eines solchen Angriffs. Deren rund 1100 Mitarbeiter konnten über Wochen nur eingeschränkt ihren Aufgaben nachgehen.

Kaufleute für Digitalisierungsmanagement müssen deshalb die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Daten im Unternehmen verarbeitet werden, sehr genau kennen. Und sie müssen in der Lage sein, die nötigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur IT-Sicherheit zu prüfen, zu integrieren und umzusetzen.

So läuft die Ausbildung

Wer sich sich für diesen Beruf entscheidet, benötigt einen Ausbildungvertrag in einem Ausbildungsbetrieb. Hier absolvieren die Azubis eine im Regelfall dreijährige duale Berufsausbildung. Im dualen System verbringen Auszubildende einen Teil der Ausbildungszeit in ihrem Ausbildungsbetrieb, den anderen Teil in der Berufsschule. Je nach Ausbildungsstätte sind die Azubis dann wöchentlich für ein oder zwei Tage in der Berufsschule, oder, bei Blockunterricht, jeweils für mehrere Wochen an einem Stück. Die tatsächliche Praxis vermittelt wird aber vor allem im Betrieb: In vielen Unternehmen werden die Auszubildenden direkt bei ihrem Einstieg in laufende oder neue IT-Projekte eingebunden.

Die gesamte Ausbildung kann grob in zwei Teile gegliedert werden. Zum einen eignen sich die Auszubildenden berufsprofilgebende Fertigkeiten an, also konkrete Kenntnisse und Fertigkeiten wie zum Beispiel Maßnahmen für den Datenschutz oder die Entwicklung von IT-Lösungen. Andererseits werden integrative Fertigkeiten gelehrt. Das sind dann zum Beispiel Fachkenntnisse im Tarifrecht oder zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit.

Am Ende der Ausbildung steht eine zweigeteilte Abschlussprüfung, bei der Auszubildende ihre Kenntnisse unter Beweis stellen müssen. Dabei wird der Prüfungsbereich „Digitale Entwicklung von Prozessen“ mit 50 % gewichtet, das „Einrichten eines IT-gestützten Arbeitsplatzes“ mit 20 %. Die drei übrigen Bereiche „Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodells“, „Kaufmännische Unterstützungsprozesse“ und „Wirtschafts- und Sozialkunde“ schlagen mit je 10 % zu Buche.

Mein Einstieg in die IT-Welt

Wer den Weg in die IT (zunächst) ohne ein Studium an der Uni beschreiten möchte, hat mit dieser Ausbildung gute Aussichten. Die hier vermittelten Kenntnisse sind in Unternehmen unterschiedlichster Branchen gefragt, und werden in den nächsten Jahrzehnten auch gefragt bleiben. Derzeit kann man als Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement nach einer Schätzung von gehalt.de im Schnitt 45.750 Euro im Jahr verdienen.

Die dynamische Entwicklung digitaler Systeme, Prozesse und Techniken verlangt Digitalisierungsmanagern allerdings ein hohes Maß an Bereitschaft zur eigenverantwortlichen Weiterbildung ab – aber das unterscheidet diesen IT-Beruf nicht von den anderen. Nach ihrer Ausbildung können sich Kaufleute für Digitalisierungsmanagement zum „Betriebswirt für Informationsverarbeitung“ oder zum „Fachwirt für Computermanagement“ weiterbilden. So manche mögen die Berufsausbildung aber auch als Sprungbrett zu einem Studium im IT-Bereich betrachten.

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Dirk Bongardt hat vor Beginn seiner journalistischen Laufbahn zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen Funktionen in Vertriebsabteilungen industrieller und mittelständischer Unternehmen gesammelt. Seit 2000 arbeitet er als freier Autor. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Informationen rund um Gegenwarts- und Zukunftstechnologien, vorwiegend in den Bereichen Mobile und IT.


Dirk Bongardt, Tel.: 05262-6400216, mail@dirk-bongardt.de, netknowhow.de

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