Ruhende Ressourcen aktivieren
Von Univ.-Prof. Dr. Jörn-Axel Meyer, DIKMU
Wissensmanagement (englisch Knowledge Management bzw. KM) soll als umfassende Unternehmensstrategie Kosten-, Innovations- und damit Wettbewerbsvorteile schaffen.
Ein wichtiges Ziel besteht zunächst darin, bestehendes Wissen überhaupt verfügbar zu machen. Das geschieht, indem implizites Wissen (Erfahrungswissen, das nicht dokumentiert oder klar artikuliert ist) in explizites Wissen (dokumentiertes und damit verfügbares Wissen) umgewandelt wird. Gemeint ist das Wissen im gesamten Unternehmen über Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, (andere) Mitarbeiter, Trends und Meinungen im Markt wie auch über Produkte, technische Prozesse oder stille, nicht nur materielle Reserven.
Heute reicht es nicht aus, das in den Köpfen oder ansonsten im Unternehmen bestehende Wissen nur zu sammeln und niederzuschreiben. Vielmehr ist das Wissensmanagement nachhaltig zu planen: die Gewinnung, die Strukturierung und Ablage, die Pflege und die Bereitstellung für jeglichen Zweck.
Was das Unternehmen weiß
Wissen als immateriellen Wert und insbesondere das unternehmensindividuelle Wissen aus den Erfahrungen der Mitarbeiter und Geschäftspartner im Unternehmen zu sammeln, zu dokumentieren, aufzubereiten und weiterzugeben, wird in den kommenden Jahren eine zentrale Aufgabe für den Mittelstand sein. Ob für ein Rating oder die Vorbereitung der Nachfolge, für Investoren und Kooperationspartner oder um neue Mitarbeiter im Betrieb vorzubereiten: Die Zukunft eines Unternehmens wird sich daran messen, ob es diesen Produktionsfaktor professionell beherrscht.
Die Gründe für fehlende Investitionen in das Wissensmanagement sind vielfältig: Mangelndes Bewusstsein für die Notwendigkeit, fehlende Personalressourcen und Unkenntnis sowie zu wenig Routine im Umgang mit unternehmensweiten Planungs– und Organisationshilfesystemen; dazu kommen Ängste, bei Weitergabe das eigene Wissen als Machtinstrument zu verlieren oder es in falsche Hände zu geben, an Konkurrenten etwa oder den Fiskus. Die Folge ist, dass das Wissen ohne Konzept vorgehalten, genutzt und erweitert wird.
Doch Wissensmanagement muss systematisch und nachhaltig geplant werden. Das Unternehmen muss vorab für sich festlegen, welche Ziele mit dem eigenen Wissensmanagement verbunden werden sollen und wofür es langfristig genutzt werden soll. Es muss erkennen, wie Wissen im Unternehmen entsteht bzw. wie es in das Unternehmen gelangt, welche Qualität und welchen Inhalt es hat und wie es effizient zu erfassen, zu systematisieren und vorzuhalten sowie zu repräsentieren und zu pflegen ist. Das Angebot an Hilfen und Helfern dafür ist groß – Unternehmer müssen es nur wollen.
Wert hat, was dokumentiert ist
Basel II und Unternehmensnachfolge sind zentrale Themen des Mittelstandes in den vergangenen Jahren. Beide Entwicklungen fördern zusätzlich und besonders für kleine und mittlere Unternehmen den Zwang, Wissen zu dokumentieren und zu transferieren, also die Bedeutung des Wissensmanagements.
Für ein gutes Rating im Rahmen von Basel II ist nicht nur bedeutend, ob das Unternehmen wettbewerbsrelevantes Wissen besitzt, sondern auch, ob es das fürs Rating dokumentieren kann. Aber es ist auch für das Unternehmen selbst wichtig, dieses Wissen mit allen relevanten Mitarbeitern zu teilen, es weiterzugeben. Es nützt nichts, wenn es im Kopf des Unternehmers verbleibt. Tritt der Unternehmer oder Mitarbeiter aus dem Unternehmen aus oder verstirbt sogar, so ist das Wissen für den Nachfolger verloren. Das Wissen, wenn es dokumentiert werden kann, stellt somit einen Wert dar, der mit dem Unternehmen weitergegeben und veräußert werden kann und das dem Nachfolger eine Grundlage und bessere Chancen zur Fortführung des Betriebes gibt.
Erste Schritte
- 1. Wissen im Unternehmen verorten
- Welches (erfolgskritische) Wissen gibt es im Unternehmen?
- Welche Mitarbeiter sind im Besitz (erfolgskritischen) Wissens?
- Wissenslandkarten erstellen
- 2. Benötigtes Wissen identifizieren
- Welches Wissen kann intern beschafft werden?
- Welche Mitarbeiter gehören evtl. „informellen“ Netzwerken an?
- Welches Wissen kann/muss über externe Quellen erworben werden?
- 3. Wissen speichern, teilen und abrufen
- identifiziertes, erfolgskritisches Wissen dokumentieren
- bereits vorhandene Systeme (Datenbanken, Outlook, Lotus Notes etc.) nutzen
- organisationales Wissen aufbereiten und damit effizient nutzbar machen
- Wissen verfügbar machen (Zugriff auf Datenbanken regeln, Firmensuchmaschinen, Workshops, Stammtische etc. einrichten).
Zu den möglichen Techniken gehört die systematische Business Intelligence ebenso wie die soziale Vernetzung z.B. durch Weblogs, Social Bookmarks oder Unternehmensportale, aber auch Ausbau und Positionierung der eigenen Kenntnisse im Rahmen von Kooperationen.
Fazit: Sichten, ordnen, mobilisieren
Genauso wie die Anforderungen an die Managementprofessionalität von kleinen und mittleren Unternehmen, etwa im Marketing, im Innovationsmanagement und in der Personalführung, hat der Anteil immaterieller Bestandteile an den Unternehmensleistungen deutlich zugenommen: „Wissen“ wird längst nicht nur in populären Schriften als vierter Produktionsfaktor neben die drei klassischen (Boden, Kapital, Arbeit) gestellt. Es zu managen, ist eine überlebenswichtige Aufgabe des Mittelstands geworden.
Nützliche Quellen und Links
Das BMWi, bewährt sich einmal mehr als die Top-10-Quelle für KMU im Web: Die Seite www.mittelstand-digital.de hält zum Thema „Unternehmerisches Wissen“ etliche Leitfäden und andere Hilfen parat. Eine gute Quelle für News und aktuelle Veranstaltungen zum Thema ist auch die Gesellschaft für Wissensmanagement e.V.; im Rahmen der Studie „knowledge meets motivation“ hat das Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation das Thema Anreizsysteme für das Management von Wissen im Unternehmen empirisch untersucht. (Hans-Jörg Bullinger, Marc Rüger, Alexander Koch, Mark Staiger: „Knowledge meets Motivation – Anreizsysteme im Wissensmanagement.“ CD-ROM. Hg. v. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag 2001. ISBN 3-8167-6040-6.) Die Studie macht deutlich, dass, obwohl 80 % der Unternehmen ein Anreizsystem im Wissensmanagement für notwendig halten, nur 43 % ein solches System tatsächlich auch anwenden.
Jörn-Axel Meyer (Hrsg.): Wissens- und Informationsmanagement in KMU – Jahrbuch der KMU-Forschung und -Praxis 2005. Josef Eul Verlag Lohmar 2005. ISBN 3-89936-339-6. Reihe: Edition KMU des Deutschen Instituts für kleine und mittlere Unternehmen e.V. (DIKMU).