Kollege KI: Welche Jobs uns KI übrig lässt

Tellerwäscher und Millionäre scheinen vor Automatisierung und Digitalisierung gleichermaßen verschont zu bleiben. Doch Industriedesigner, Buchhalter oder Lektoren müssen sich auf scharfen Wind gefasst machen. Relativ wenig Einfluss hat KI auf die klassische Handarbeit – dort, wo sie unumgänglich ist.

KI-Turbo im Arbeitsalltag

Von Doris Piepenbrink

Künstliche Intelligenz (KI), vor allem generische KI, die auf Basis ihrer Trainingsdaten selbst Schlüsse ziehen und Content erstellen kann, erleichtert so manchen Arbeitsprozess. Das führt aber auch dazu, dass sie einige Tätigkeiten selbstständig übernehmen kann. Und das hat natürlich enorme Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Vor allem im administrativen Bereich lassen sich viele Routinetätigkeiten wie Buchhaltung und andere Verwaltungsaufgaben weitgehend automatisieren. Das reduziert bei einer hochwertigen Datengrundlage zudem die Fehleranfälligkeit. Standardbriefe und Standard-E-Mails sowie Besprechungsprotokolle entstehen in Sekundenschnelle. Und auch den ersten Kundenkontakt auf der Webseite oder am Telefon übernimmt ein Chatbot. Damit reduziert sich der Arbeitsaufwand erheblich. Hier lässt sich künftig Personal einsparen.

Texte aus der Maschinenfeder

Aber nicht nur dort: Im Sommer 2023 hat die Bild-Zeitung verlauten lassen, dass das Layout in Zukunft eine KI übernehmen wird. Damit sind Layouter in diesem Verlag dann weitgehend obsolet. Ähnliches gilt für Übersetzerinnen und Übersetzer: Immer mehr Menschen verwenden eine textbasierte KI wie ChatGPT fürs Übersetzen. Sie sparen sich die Zeit und das Geld für ein Übersetzungsbüro. Die online generierten Texte sind zwar nicht perfekt, werden aber immer besser.

Was an Tätigkeiten rund um die Texterstellung noch bleibt: Die von der KI erstellten Texte müssen noch Korrektur gelesen werden. Dabei sind in der Regel etwa branchenspezifische Fachbegriffe sowie mitunter der Sprachstil anzupassen. Grafikdesigner und Übersetzer gestalten und übersetzen nicht mehr, sondern prüfen und korrigieren nur noch den Output der KI. Das gilt auch für die schreibende Zunft und zeigt: KI hat für manche Berufe erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsalltag.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Alte Berufsbilder sind passé

Auch SAP ist Anfang 2024 in die Schlagzeilen geraten, weil das Softwarehaus sich auf KI fokussieren und das Unternehmen entsprechend umbauen will. Davon sollen etwa 8.000 Stellen betroffen sein. Zwei Drittel der Betroffenen will das Unternehmen laut Vorstandschef Christian Klein durch Vorruhestandsregelungen und Abfindungen zum Gehen animieren, andere sollen durch interne Umschulungen neue Aufgaben erhalten. Letztendlich will das Unternehmen nach der Umstrukturierung dann wieder in etwa so viel Personal beschäftigen wie zuvor.

Diese Vorgehensweise wird kein Einzelfall bleiben. Verschiedene Studien im letzten Jahr kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Das Beratungsunternehmen Deloitte hat Ende 2023 den Report „Generative AI and the future of work“ veröffentlicht, der sich auf mehrere internationale und US-amerikanische Arbeitsmarktstudien stützt. Deloitte rät Unternehmen in diesem Bericht dazu, die Unternehmensstruktur für die weitreichende Nutzung von KI anzupassen. Sie sollen das Personal nicht mehr nach bestimmten starren Berufsbildern auswählen und einsetzen, sondern nach konkreten Fähigkeiten. Denn mit KI würden sich die Tätigkeiten so verändern, dass zu ihrer Ausübung andere Talente notwendig seien. Zum einen seien ehedem berufstypische Fertigkeiten nicht mehr notwendig, weil die Arbeit die KI übernimmt, und zum anderen würden neue Qualifikationen gebraucht, die mit dem klassischen Berufsbild nicht unbedingt abgedeckt sind.

Thema: Künstliche Intelligenz

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Momentan dreht sich alles um ChatGTP. Für die Zeit davor gibt eine Einführung einen ersten Überblick über den Stand der Technologien, die Fortsetzungen skizzieren praktische Einsatzgebiete für KI, insbesondere in der Industrie. Für den Lebenslauf könnten die Ratgeber zur KI-Studienstrategie bzw. zum KI-Studium (auch in Kombination mit Robotik) sowie zum Berufsbild Machine Learning Engineer und zum KI-Manager nützlich sein – aber auch die Übersicht zu den Jobs, die KI wohl ersetzen wird.

Extrabeiträge untersuchen, wie erfolgreich Computer Computer hacken, ob und wann Vorbehalte gegen KI begründet sind und warum deshalb die Erklärbarkeit der Ergebnisse (Stichwort: Explainable AI bzw. Erklärbare KI) so wichtig ist. Hierher gehört außerdem der Seitenblick auf Maschinenethik und Münchhausen-Maschinen. Als weitere Aspekte beleuchten wir das Verhältnis von KI und Vorratsdatenspeicherung sowie die Rolle von KI in der IT-Sicherheit (KI-Security), fragen nach, wie Versicherungen mit künstlicher Intelligenz funktionieren, hören uns bei den Münchner KI-Start-ups um und sehen nach, was das AIR-Projekt in Regensburg vorhat. Ein Abstecher führt außerdem zu KI-Unternehmen in Österreich.

Auf der rein technischen Seite gibt es Berichte zu den speziellen Anforderungen an AI Storage und Speicherkonzepte bzw. generell an die IT-Infrastruktur für KI-Anwendungen. Außerdem erklären wir, was es mit AIOps auf sich hat, und im Pressezentrum des MittelstandsWiki gibt es außerdem die komplette KI-Strecke aus dem Heise-Sonderheft c’t innovate 2020 als freies PDF zum Download.

Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Deloitte kommt OpenAI, das Start-up-Unternehmen hinter ChatGPT. Es hat zusammen mit Forschenden der Universität Pennsylvania die Auswirkungen von Large Language Models auf den US-amerikanischen Arbeitsmarkt untersucht und die Ergebnisse im August 2023 veröffentlicht. Demnach sind etwa 80 % der Berufstätigen in den USA zumindest indirekt von den Einsatzmöglichkeiten der KI betroffen, vor allem folgende Arbeitsbereiche: Buchhaltung, Programmierung und Mathematik, Dolmetschen, Texterstellung. Das muss nicht unbedingt mit Stellenstreichungen einhergehen, auf jeden Fall aber wird es den Arbeitsalltag der betroffenen Personenkreise weitreichend verändern.

Neue Prozesse erfordern neue Skills

Der Arbeitsalltag mit KI im Industriedesign z.B. erfordert nicht mehr, dass die Designer gut Skizzen anfertigen können, sondern sie müssen die Anforderungen und Rahmenbedingungen für ein neues Design zusammentragen und in entsprechende Prompts für die KI übertragen können. Denn die KI-Unterstützung im Industriedesign basiert auf Simulationen, genauer auf Designvorschlägen in einer Simulations- oder 3D-CAD-Software. Damit die KI diese Simulationen erstellen kann, gibt ein Designer vorab vielfältige Parameter und Rahmenbedingungen ein, die das künftige Produkt oder Bauteil beschreiben. Danach wird er die daraus resultierenden Designvorschläge im nächsten Schritt z.B. in Hinblick auf Ästhetik, Produzierbarkeit oder Nachhaltigkeit auswählen und noch weiter optimieren.

Die ästhetische Gestaltung, die Einbindung aktueller Trends bzw. das Trendsetting sowie die Rahmenbedingungen und Präferenzen des Unternehmens stammen vom Designer oder der Designerin, die Maschine liefert dann die darauf zugeschnittenen Vorschläge. Das heißt, Mensch und Maschine befruchten sich hier gegenseitig. Die Designvorschläge der KI sind im Grunde ein passgenaues Brainstorming und erweitern den Designhorizont.

Was bisher Menschen über Designskizzen und CAD-Entwürfe selbst gestaltet haben, steht nun sofort abrufbar im System. Das hat Vorteile für die Produktentwicklung, weil diese Designs in andere Simulationen integriert werden können, etwa für Materialtests oder Windkanalsimulationen. Auf diese Weise kann das Design schon früh in die Produktentwicklung einfließen. Produktdesigner, Entwicklungsabteilung und später die Konstruktion optimieren dann gemeinsam mit der KI die endgültige Ausformung des Produkts.

Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen wird damit enger als das bisher der Fall war. Die KI hat dabei einen erheblichen Einfluss auf die Arbeitsweise aller Beteiligten. Designs werden kaum mehr selbst erstellt, das übernimmt die KI. Entwickler testen ihre Lösungen zunehmend KI-basiert über Simulationen, und die Konstruktion passt das Design per KI an die vorhandenen Produktionsmöglichkeiten an.

Unterschiedlich starke Auswirkungen

Deloitte hat in seinem Report exemplarisch verschiedene Tätigkeitsprofile zusammengestellt, samt dem abzusehenden Einfluss der generischen KI auf den Arbeitsalltag.

  • Körperliche Routinearbeiten
    Die tägliche Routinearbeit etwa in Fabriken, im Haushalt, beim Zimmerservice in Hotels oder bei Putz- und Lieferdiensten wird noch mehr Unterstützung durch Roboter und Automation erhalten. Hinzu kommen KI-Assistenten, die praktische Hinweise in der Fabrikhalle geben können, etwa per Augmented-Reality-Brille oder auf dem Smartphone- bzw. Tablet-Bildschirm. Trotz Unterstützung durch Automation und KI werden in diesen Bereichen Menschen immer noch für die physische Arbeit benötigt.
  • Handwerkliche Tätigkeiten
    Im klassischen Handwerk muss das Personal lösungsorientiert arbeiten und anpassungsfähig sein. Es muss in vielen Situationen sofort eingreifen können. Bei diesen Berufen kann generative KI zwar Verwaltungstätigkeiten erleichtern und das Wissen sowie die Kommunikationsfähigkeit per Smartphone auf der Baustelle erweitern, doch ansonsten hat sie eher wenig Einfluss auf den Arbeitsalltag.
  • Geistige Routinetätigkeiten
    Vor allem im Büroalltag fallen immer wieder Routineverrichtungen an. Dazu zählen die reine Dateneingabe, einige Beschäftigungen im Kundenservice oder z.B. einfache Codierungen in der Softwareentwicklung. Viele davon lassen sich weitgehend an eine generative KI abgeben. Es bleibt dann mehr Zeit für andere Aufgaben, was auch das Arbeitsspektrum der Angestellten erweitert. So kann ein Unternehmen einen akuten Fachkräftemangel kompensieren oder Personalkosten einsparen.
  • Geringer Routineanteil
    Personen, die in ihrer Arbeit komplexe Probleme lösen, strategisch denken müssen oder für ihre Arbeit ein großes Hintergrundwissen benötigen, wie etwa in Beratungsunternehmen oder auch im medizinischen Bereich, können KI zur Unterstützung einsetzen. Sie führt dann etwa datengestützte Analysen durch und erstellt entsprechende Handlungsvorschläge. Sie kann hier die Arbeit verbessern und erleichtern, aber den Arbeitsalltag verändert sie nicht wesentlich.
  • Kreative Tätigkeiten
    ChatGPT und KI-Bildgeneratoren werden kreative Berufe langfristig komplett revolutionieren. Die Erstellung von Texten und Bildern für Presseartikel, Werbeanzeigen oder andere Publikationen läuft dann automatisiert ab. Der Mensch erschafft die Beiträge also nicht mehr selbst, sondern gibt lediglich den notwendigen Input sowie die kreativen Impulse dazu ein und bewertet dann die automatisch erstellten Ergebnisse.
  • Sozial anspruchsvolle Berufe
    Berufe wie Therapeuten, Sozialarbeiter oder auch Sales-Manager erfordern eine hohe soziale und emotionale Intelligenz. Generative KI kann zwar Dateneinblicke liefern und Verwaltungsaufgaben automatisieren, aber die primäre menschliche Kompetenz und das Einfühlungsvermögen, das für diese Berufe erforderlich ist, bleiben entscheidend.
  • Bereich Datenanalyse
    Wer als Datenwissenschaftler, Finanzanalyst oder Marktforscher arbeitet, kann erheblich von generativer KI profitieren. Sie automatisiert die Datenanalyse und kann je nach Qualität der zugrunde liegenden Daten sogar die Analyseergebnisse verbessern. Diese und andere wissensbasierte Berufe galten bisher als relativ geschützter Bereich. Doch KI übernimmt hier zentrale Arbeitsprozesse. Das hat enorme Auswirkungen auf den Job, was die tägliche Arbeit betrifft ebenso wie die Zahl der benötigten Experten.

Das sehe ich gelassen

Wie das Beispiel SAP zeigt, wird künstliche Intelligenz aber auch neue Arbeitsstellen schaffen. Davon gehen auch die Berater von Deloitte aus. Eines ist dabei sicher: KI wird unsere Arbeitswelt stark verändern. Handwerker sowie Personen, die direkt mit und am Menschen arbeiten, werden wohl nur zu einem geringen Teil betroffen sein. Doch andere, bisher durch Automation kaum betroffene Berufsgruppen sehen sich plötzlich ihrer zentralen Tätigkeiten enthoben. Ihr Berufsbild wandelt sich.

Die Taoisten empfehlen: „Gehe mit dem Tao!“ Ein neugieriges Hineinwachsen in die neuen Arbeitsweisen erscheint auch hier als die beste Reaktion. KI ermöglicht bessere Analysen, schneller erstellte Texte, faszinierende Bilder- und Videowelten. Lassen wir uns also darauf ein und holen das Beste aus den KI-Modellen heraus.

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