Online statt offroad
Von Kai Tubbesing
Moderne vernetzte Fahrzeuge können bereits eine ganze Menge. Erlaubt ist derzeit aber erst teilautomatisiertes Fahren der zweiten Stufe. Audi, BMW und Mercedes haben entsprechend ausgestattete Modellreihen im Angebot. So kann beispielsweise die aktuelle S-Klasse offiziell 30 Sekunden lang von selbst das Steuer übernehmen. Der Fahrer bleibt allerdings zu dauerhafter Aufmerksamkeit verpflichtet. Audi hat mit dem kommenden A8 ein Modell angekündigt, das bereits der Level-3-Spezifikation entspricht, die Funktion wird allerdings erst später freigeschaltet. Das klingt ein wenig wie bei Tesla, nur sollen die seit Oktober 2016 produzierten Fahrzeuge laut Elon Musk schon Ende 2018 per Software-Update die Level-5-Spezifikation erfüllen und sich dann fahrerlos bewegen können. Die Umsetzung dürfte zu diesem Zeitpunkt aber zumindest noch am fehlenden rechtlichen Rahmen scheitern.
Was auf Level 2 schon geht
Je höher die Autonomiestufe, desto mehr Hardware braucht es: Eine ganze Armada an Beschleunigungs-, Infrarot- und Ultraschallsensoren sowie Radar, Laser und verschiedene Kameras spicken das Innere und Äußere des Autos der Zukunft. Die gewonnenen Daten werden an den Bordcomputer weitergeleitet, der im Bruchteil einer Sekunde entscheiden muss, ob und wie ein Assistenzsystem eingreifen soll. Das bedeutet derzeit, dass das Fahrzeug auf die Lenkung, den Brems- und Beschleunigungsvorgang zugreifen kann, um Längs- und Querführung zu übernehmen.
Auf dieser Basis wird z.B. der Fahrspurassistent aktiv. Rauscht der Fahrer in Schlangenlinien über die Autobahn, führt er den Wagen zurück in eine sichere Spur. Aktuelle Assistenten erkennen den Fahrbahnrand auch ohne Markierung oder Leitplanke, Volvos Road Edge Detection gelingt das sogar nachts. Spurwechselassistenten scannen per Kamera den toten Winkel und den nachfolgenden Verkehr. Je nach Situation lenken sie gegen oder unterstützen den Fahrer beim Einlenken auf die Nebenspur. Bei unerwartetem Gegen- oder plötzlichem Querverkehr springt ein Ausweichassistent in die Bresche und ein Abstandsassistent hilft dabei, Auffahrunfälle zu vermeiden. Integrierte Kameras ermöglichen zudem eine Verkehrszeichenerkennung, die Tempolimits in Echtzeit erfasst und die Geschwindigkeit anpasst.
Diese Assistenzsysteme finden sich in allen Level-2-Fahrzeugen und sie ermöglichen bereits kurzfristiges Fahren per Autopilot, BMWs 5er meistert sogar schnelle Autobahnkurven problemlos. Dennoch muss der Fahrer immer zum Eingriff in die noch nicht ganz perfekte Automatisierung bereit sein. Die Zeitung bleibt also weiterhin zusammengefaltet auf dem Beifahrersitz.
Sollte es aber trotz aller zusätzlicher Sicherheit zu einem Unfall kommen, greift kurz vor dem Aufprall ein System zum Insassenschutz. Bei Mercedes läuft das unter der Bezeichnung Pre-Safe und umfasst Gurtstraffung, Positionsanpassung sowie ein Aufblasen des Seitenbereichs der Sitze. Löst ein Airbag aus, wird automatisch Kontakt zu einer Rettungsdienstelle hergestellt.
Steuerung per Touch, Sprache oder Gesten
Sämtliche Funktionen der Connected Cars lassen sich bei allen Herstellern über ein zentrales Touchdisplay steuern. Aber zunehmend sind auch berührungslose Eingabemöglichkeiten auf dem Vormarsch: Im 7er-BMW ermöglicht eine Kamera Gestensteuerung, etwa um Telefongespräche mit einer Wischbewegung entgegenzunehmen. Und mehr noch: BMW und der VW-Konzern arbeiten an Systemen, die eine Display-Steuerung per Eye-Tracking erlauben. Eine Kamera überwacht die Augenstellung und die Zielrichtung des Blicks wird zur Eingabe.
Was es schon länger gibt, sind einfache Sprachsteuerungsfunktionen. Ford kann im Rahmen seines SYNC-Systems sogar Dialekte verarbeiten, letztlich sind die Möglichkeiten allerdings noch auf herstellerseitig festgelegte Befehle begrenzt. Das ändert sich, wenn bald intelligente Sprachassistenten wie Alexa, Cortana und Co. Einzug erhalten. Volkswagen und Ford setzen auf Alexa, BMW auf Cortana – die Verträge mit den jeweiligen Anbietern sind bereits geschlossen, nur die Umsetzung steht noch aus. In der umgekehrten Reihenfolge funktioniert die Kommunikation schon heute. BMW bietet Connected als Alexa-Skill an, wodurch der Status der Fahrzeugverriegelung oder die verbleibende Reichweite aus dem Wohnzimmer abgefragt werden können.
Alternativ lässt sich auf menschliche Assistenten in Form der sogenannten Concierge Services zurückgreifen: Bei Opels Onstar-Service wird per Knopfdruck Kontakt zu persönlichen Beratern in einem Callcenter hergestellt, die direkt mit dem Fahrzeug vernetzt sind. Sie suchen z. B. die Anschrift eines Ziels heraus und senden sie direkt an das Navigationssystem, geben Restaurantempfehlungen, nehmen eine Hotelreservierung vor oder informieren über Nachrichten und Verkehrslage. BMW und Mercedes bieten vergleichbare Dienste.
Infotainment auf Rädern
Dank leistungsstarker Surround-Soundsysteme und immer größerer Displays sind vernetzte Fahrzeuge rollende Multimediazentralen. Mit 17 Zoll bietet Tesla den aktuell größten Monitor. Mercedes punktet mit einer Split-Screen-Funktion für Fahrer und Beifahrer. Zusätzlich kann sich der Fahrer die wichtigsten Informationen wie Tachowerte, Playlists, Telefonkontakte oder Warn- und Navigationshinweise über ein Head-up-Display direkt in sein Sichtfeld auf die Frontscheibe projizieren lassen. Auch hier wird die Anzeige immer größer: Beim 5er BMW betrug der Zuwachs zwischen dem 2017er- und dem Vorgängermodell rund 70 %.
Musik und Videos werden über ein gekoppeltes Smartphone eingespeist oder dem Zeitgeist folgend per Streaming-Dienst bereitgestellt: Apple CarPlay und Google Android Auto integrieren Dienste wie Spotify oder Amazon Prime Music. Nativ kommt Spotify bereits mit den Systemen von BMW und Audi. Im Rahmen der CES stellte BMW auch Amazon Prime Video in Aussicht. Damit alle etwas davon haben, stellen die Fahrzeuge WLAN-Hotspots für die Mitfahrer zur Verfügung. Und natürlich sind im Auto auch alle Internet-Dienste verfügbar, die es zum rollenden Büro machen: E-Mail- und Nachrichtenabruf, Flüge oder Hotels buchen und auch die Möglichkeit, eingehende Nachrichten per Spracheingabe zu beantworten. Wer sich für lange Reisen mit einigen Extras ausstatten möchte, erhält für viele Fahrzeuge 3D-Druckvorlagen für Getränke- oder Gerätehalterungen oder Lautsprecheradapter.
Alle modernen Navigationssysteme erhalten automatische Kartenupdates und Echtzeitinformationen zur Verkehrslage via Internet. Im Falle eines vorausliegenden Staus zeigen sie mögliche Alternativrouten an oder ändern den Kurs von selbst – VW bezeichnet das als „dynamische Route“. Während der Fahrt lassen sich die nächstgelegenen Tankstellen, Benzinpreise oder auch lohnenswerte Ziele für einen Zwischenstopp einblenden. Die Reiseplanung ist aber ebenso per Smartphone möglich: Mit Audi Connect wird die Route am Frühstückstisch gewählt und dann ans Navi übertragen.
BMW stattet seine 5er Modelle mit ParkNow zur Anzeige freier Parkmöglichkeiten in der Umgebung samt anfallender Gebühren aus. Praktischerweise kann der Parkplatz gleich gebucht und bezahlt werden. Auch einige Städte arbeiten bereits an entsprechenden Parkleitsystemen für die Zukunft. Ist der Parkplatz gefunden, sorgt ein Assistent für problemloses Einparken: Bei Mercedes geht das sowohl längs als auch quer und ganz ohne eigenes Zutun. Der Remote Park Assistent ermöglicht sogar das Einparken in sehr enge Lücken per Smartphone-Fernbedienung von außerhalb des Fahrzeugs. Fragt sich nur, was geschieht, wenn die anderen Fahrzeuge über keinen solchen Assistenten verfügen.
Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)
Keine Chance für Langfinger
Alle Connected Cars lassen sich per GPS-Tracking auffinden, auf großen und unübersichtlichen Parkplätzen kann man per Smartphone Hupe und Licht auslösen. Das Fahrzeug-GPS ermöglicht auch die Ausgabe einer Warnmeldung auf das Mobiltelefon, wenn der Wagen unerwartet von seinem Stellplatz entfernt wird. Möglich ist auch die direkte Anbindung an eine Alarmzentrale, so wird beim System von Porsche in 44 Ländern umgehend Kontakt zu den jeweiligen Behörden aufgenommen. Eine Besonderheit bietet BMW mit Remote View 3D: Sämtliche Kameras nehmen die Umgebung auf, die Ergebnisse werden zu einem Rundumbild zusammengerechnet und per Smartphone-App behält man sein bestes Stück immer im Auge.
Über jede Hersteller-App lassen sich auch andere grundlegende Informationen wie Tank- oder Batteriefüllstand und verbleibende Reichweite aus der Ferne abrufen. Mit Audis myCarmanager kann man die Standheizung schon am Frühstückstisch einschalten und viele Elektro-Autos, etwa der Nissan Leaf, ermöglichen die Fernbedienung der Klimaanlage, um bereits vor Fahrtantritt für einen kühlen Innenraum zu sorgen.
Anti-Schleuder-Sensoren für Anhänger
Auch vor der Peripherie vernetzter Fahrzeuge machen Sensoren und Assistenzsysteme nicht halt. Während Pirelli die flächendeckende Einführung von intelligenten Reifen vorbereitet, hat der Hersteller AL-KO mit dem ATC ein Anti-Schleuder-System für Pkw-Anhänger und Wohnwagen im Programm. Das Gerät reagiert auf Querbeschleunigung durch plötzlichen Seitenwind oder ruckartige Überholmanöver. Der Anhänger und somit das komplette Gespann werden ausgebremst und finden zurück in die Spur. Bemerkt die Sensorik des ATC Querbeschleunigung, nimmt die 2LINK-Box via Bluetooth Kontakt mit dem Smartphone auf und eine Warnmeldung zeigt an, dass die Fahrweise entsprechend angepasst werden muss.
Fehlerbehebung per Fernwartung
Gibt es mal eine Panne, lassen sich Probleme im Idealfall über die Ferndiagnose bestimmen und per Fernwartung gleich beheben. Ist das nicht möglich, wird der Pannenservice des Herstellers umgehend auf den Weg geschickt. Hier war ursprünglich der Ansatz von Tesla wegweisend, die übrigen Hersteller haben aber wie auch in anderen Bereichen gehörig aufgeholt. Die Fehlerdiagnose arbeitet ansonsten unauffällig im Hintergrund: Der Fahrer erhält Informationen über anstehende Wartungsintervalle, Verschleißteile am Ende ihres Lebenszyklus und drohende Defekte. Die Informationen werden zugleich an die Werkstatt übermittelt, die dann bestens informiert mit ihrem Kunden einen Termin vereinbaren kann. Bei BMW läuft das unter der Bezeichnung Teleservices, andere Hersteller bieten ähnliche Dienste.
Fahrzeug plus IKT-Infrastruktur
Connected Cars können im Vergleich zu ihren nicht-vernetzten Ahnen mit einer ganzen Reihe an Vorteilen aufwarten. Dazu zählen nicht nur Komfortfeatures und zunehmend besser funktionierende Assistenten als beruhigendes Korrektiv für unaufmerksame oder überforderte Fahrer, sondern vor allem ihre Kerneigenschaft der ständigen Vernetzung. So passen sie sich den veränderten Alltagsbedingungen an, die zunehmend von Online-Aktivitäten geprägt sind.
Spannend wird die Zukunft: 2018 stand beim automatisierten Fahren der Übergang von Level 2 zu Level 3 an. Dann fahren die Fahrzeuge nicht mehr nur teil-, sondern hochautomatisiert und die Hände können für längere Zeit vom Lenkrad genommen werden. Bei der folgenden Einführung des vollautomatisierten und schließlich fahrerlosen Fahrens steht dann eine weitere umfassende Neuerung an, denn möglicherweise wird die Positionierung von Mikrorechenzentren in regelmäßigen Abständen entlang aller Fahrbahnen nötig.
Für diesen nächsten Schritt sind die Fahrzeuge auf noch mehr Sensordaten angewiesen, um reibungslos zu funktionieren. Im Hochgeschwindigkeitsbetrieb hat die Verarbeitung innerhalb eines Sekundenbruchteils in jedem Fall im Fahrzeug selbst zu erfolgen, um Latenzen zu vermeiden. Genau das sollen unter anderem die 5G-Netze leisten. Weniger lebenswichtige Datenverarbeitungsprozesse könnten dann aber in die Cloud ausgelagert werden und über die Kommunikation mittels Edge Computing laufen. Entsprechende Systeme sind als Ergänzung von komplexen und großen Serverumgebungen bereits heute in der industriellen Fertigung etabliert.