Verzug macht Banken misstrauisch
Von Sabine Wagner
Für jedes Unternehmen und für jede Privatperson ist es ein Albtraum, wenn die Bank den Kredit kündigt – oder sogar das Konto. Normalerweise trifft ein solcher Schlag mitten in ohnehin angespannte Situationen. Den Betroffenen stellt sich in der ersten Empörung zunächst die Frage, ob die Bank das überhaupt darf. Schließlich hat sie vor der Kreditgewährung die Bonität geprüft! Und ohne Konto geht heutzutage gar nichts mehr.
Der erste Schock beruht auf einer verbreiteten Fehlwahrnehmung: Konto und Finanzdienstleistungen gehören wie Wasser, Elektrizität und Internet zu den Rahmenbedingungen jeder bürgerlichen und unternehmerischen Existenz. Entsprechend überrascht sind Selbstständige, Handwerker und kleine Unternehmen oft, wenn ihnen der Strom abgedreht wird. Tatsächlich sind diese „Grundversorger“ im Prinzip BGB-Vertragsparteien wie der Bäcker, der sein Brot auch nur gegen Bezahlung ausgibt.
Kreditkündigung: Tilgung in Gefahr
Die Bank ist unter bestimmten Umständen durchaus berechtigt, den Kredit zu kündigen, und zwar dann, wenn die Tilgung des Bankkredits in Gefahr ist. Das ist meist dann der Fall, wenn sich die Bonität des Kreditnehmers (egal ob bei Unternehmen oder Privatpersonen) verschlechtert hat, oder wenn die hinterlegten Sicherheiten an Wert verloren haben bzw. absehbar ist, dass sie demnächst sehr viel weniger wert sein werden. Dann hat die Bank gemäß § 490 Abs. 1 BGB das Recht, den Kreditvertrag fristlos zu kündigen. Die Bank kann sich auf diese Weise kurzfristig von risikobehafteten Kreditverträgen lösen.
Bei einem Verbraucherkredit der ratenweise zurückgezahlt wird und der nicht zur Finanzierung einer Immobilie dient, gilt: Bei Zahlungsverzug kann die Bank gemäß § 498 BGB nur dann kündigen, wenn er Schuldner mindestens zwei aufeinanderfolgende Raten (ganz oder teilweise) nicht gezahlt hat und wenn er mit mindestens 10 % des Darlehensnennbetrages im Verzug ist (bei einem Kreditvertrag über mehr als drei Jahre genügen 5 %). Voraussetzung ist außerdem, dass die Bank den Verbraucher zuvor erfolglos aufgefordert hat, die Rückstände innerhalb von zwei Wochen zu begleichen. Zugleich muss die Bank androhen, bei Nichtzahlung die gesamte Restschuld fällig zu stellen.
Bei einem Verbraucherkredit führen Mängel bei der Fristsetzung dazu, dass die Kündigung ausgeschlossen und damit unwirksam ist. Die Bank kann ferner von ihrem Kündigungsrecht nur innerhalb einer angemessenen Zeit Gebrauch machen.
Grundsätzlich gilt, dass der Kreditvertrag weiterläuft, wenn der Rückstand rechtzeitig ausgeglichen wird. Nur einen Teilbetrag zurückzuzahlen, um die Schuld unter die genannten Prozentzahlen zu drücken, in der Hoffnung, auf dies Weise die Kündigung zu umgehen, funktioniert jedoch nicht. In solchen Fällen ist eine Kündigung statthaft – so entschieden vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. Januar 2005 (VIII ZR 90/04) zur fristlosen Kündigung eines Kraftfahrzeugleasing-Vertrags.
Sofern eine wirksame Kreditkündigung vorliegt, hat der Verbraucher die Restschuld zu zahlen. Ein Anspruch auf eine einvernehmliche Regelung dazu, wie die Restschuld zu tilgen ist, besteht ist. Die Restschuld errechnet sich aus dem Forderungsbetrag zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Künftige vorausberechnete Zinsen sowie laufzeitabhängige Kosten wie z.B. eine Abschlagszahlung (Disagio) können dagegen nicht geltend gemacht werden.
Kontokündigung: zwei Monate Frist
Bei der Kontokündigung liegt die Sache recht einfach: Die Bank hat gemäß § 675h Abs. 2 BGB im Prinzip jederzeit die Möglichkeit, ein Konto ordentlich zu kündigen‘, sofern sie eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten einhält. Voraussetzung ist außerdem, dass dieses ordentliche Kündigungsrecht zwischen den Vertragspartnern vereinbart wurde (was der Normalfall ist). Des Weiteren muss ein Vertrag mit einer unbestimmten Laufzeit vorliegen (was ebenfalls der Normalfall ist).
Die exakte Kündigungsfrist ergibt sich insoweit aus dem Vertrag, den der Bankkunde mit seiner Bank geschlossen hat, bzw. aus deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Kündigungsgründe sind nicht erforderlich und damit auch nicht im Kündigungsschreiben anzugeben.
Eine außerordentliche Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung oder einzelner Geschäftsbeziehungen zwischen der Bank und ihrem Bankkunden ist nach § 314 BGB ebenfalls möglich, und zwar „aus wichtigem Grund“. Dieser liegt vor, wenn der Bank
- „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann“.
Wichtige Gründe sind z.B. unrichtige Angaben über die Vermögensverhältnisse, aber auch wenn sich die Vermögensverhältnisse wesentlich verschlechtert haben und/oder die Sicherheit stark im Wert gesunken sind, kann das ein wichtiger Grund sein.
Aber selbst die außerordentliche Kündigung eines laufenden Kontos (oder eines Wertpapierdepots) setzt eine Fristsetzung von mindestens zwei Monaten voraus, damit der Kunde genügend Zeit hat, die Bank zu wechseln.
Mit einer Kontokündigung wird auch ein eventueller Überziehungskredit (Dispo) fällig.
Sofern der wichtige Grund in der Verletzung einer Vertragspflicht besteht, kann die Bank erst nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist kündigen, wenn der Kunde die Verletzung der Vertragspflicht nicht beendet. In diesem Fall gibt es keine zweimonatige Kündigungsfrist.
Fazit: Rechtzeitig Lösungen ansteuern
Oft liegen Firmenkrise und Privatinsolvenz näher beieinander, als Unternehmer denken. Die Augen vor Tatsachen zu verschließen, ist aber nie gut. In den meisten Fällen kündigen sich die Gründe einer Konto- oder Kreditkündigung über einen längeren Zeitraum hinweg an. Und wenn Sie selbst auch lieber nicht auf die Auszüge sehen – die Bank wird es in jedem Fall tun; sie verfolgt genau, wie es um Ihre Bonität und Ihre Sicherheiten beschaffen ist.
Also: Bevor die Bank Ihrem Unternehmen oder Ihnen als Privatperson eine Kündigung schickt, empfiehlt es sich, bei sich anbahnenden Zahlungsschwierigkeiten rechtzeitig ein offenes Gespräch mit der Bank zu führen und gemeinsam nach (Übergangs)Lösungen zu suchen.