Rohdaten für den Marketing-Mix
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Kundenbefragungen sind immer dann ein geeignetes Instrument, wenn es darum geht, Informationen über eine größere Anzahl von Zielgruppenvertretern zu gewinnen, z.B. im Rahmen der Zielgruppenanalyse oder für die Ausgestaltung des Zielgruppenmarketings. Grundsätzlich lassen sich alle Marketing-Mix-Faktoren über Befragungen ermitteln. Dies beginnt bei den Bedürfnissen der Kunden und geht über die Produktgestaltung, die Markenbekanntheit, das Produktimage, die Herausarbeitung von USPs zur Differenzierung im Wettbewerb und die Preisgestaltung – hier eignet sich insbesondere die Conjoint-Analyse – bis hin zur Messung der Kundenzufriedenheit.
Bei der Verwendung der Ergebnisse ist zu beachten, dass viele Werte sich über die Zeit dynamisch entwickeln. Auch im Verlauf des Produktlebenszyklus können sich die Ergebnisse deutlich ändern, je nach der Neuigkeit des Produktes, der Wettbewerbsintensität oder der technologischen Weiterentwicklung.
Mittel und Methoden
Wo Kundenbefragungen als ein direkter Weg gewält werden, um Informationen zur Kundenzufriedenheit unmittelbar von Kunden zu erhalten, ergibt sich das Vorgehen im Einzelnen u.a. aus der konkreten Zielsetzung der Befragung, dem Zeitpunkt und den Personen, die den Kunden ansprechen. Eine Kundenbefragung sollte immer eine klare Zielsetzung haben; sie kann in bestimmten Zyklen (halbjährlich, jährlich o.Ä.) durchgeführt werden und/oder zu einem festen Zeitpunkt nach dem Kauf.
Eine Methode ist die direkte Befragung der Kunden im Rahmen eines zeitlich und inhaltlich definierten Projekts und anhand eines Fragebogens. Hierbei ist die offene Befragung mit Nennung des Auftrag gebenden Unternehmens und die verdeckte Befragung ohne Nennung des Unternehmens zu unterscheiden. Eine offene Befragung hat im Hinblick auf die Bindung von Kunden oft die stärkere Wirkung, und die Bereitschaft zur Teilnahme ist generell höher. Die verdeckte Befragung wird z.B. dann eingesetzt, wenn die Akzeptanz neuer Angebote geprüft werden soll, es aber noch keine definitive Entscheidung über die Einführung gibt oder dies nicht zu früh bekannt werden soll.
Neben den Ergebnissen, um die es bei einer Kundenbefragung in erster Linie geht, ist der Kunde oft dankbar, dass das Unternehmen, dessen Produkte oder Leistungen er eingekauft hat, Interesse an ihm und seiner Meinung zeigt. Insofern können sich hierbei die Zielsetzungen der Abfrage und die Stärkung der Kundenbindung gegenseitig unterstützen.
Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Produktentwicklung und Zielgruppen. Wie ein systematischer Einführungsprozess Risiken mit Innovationen senkt“, den Sie kostenfrei als PDF in Vollversion im Pressezentrum des MittelstandsWiki bekommen.
Ziele
Bevor man mit der eigentlichen Befragung beginnt und einen Fragebogen gestaltet, müssen die Ziele der Befragung festgelegt werden.
Eine Motivation kann die Veränderung der allgemeinen Kundenzufriedenheit im zeitlichen Verlauf sein. Für einen solchen Zweck muss der Inhalt der zyklisch wiederholten Befragung über einen längeren Zeitraum weitgehend unverändert bleiben. Andere mögliche Ziele sind Verbesserungen im Vertriebsprozess, die Fokussierung von Qualifikationsmaßnahmen sowie spezielle Informationen zu Produkteigenschaften, weil man die Produktweiterentwicklung möglichst eng an den Kundenbedürfnissen halten möchte. Fehlende Features, die der Kunde eigentlich erwartet oder sogar voraussetzt, können eine erhebliche Unzufriedenheit bedingen. Aber auch ein Zuviel muss nicht unbedingt die Kundenzufriedenheit steigern, wenn der Preis dadurch zu hoch oder die Bedienung zu kompliziert wird. Für ein und dasselbe Produkt können die Anforderungen dabei in Abhängigkeit von der Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. Diese Randbedingungen sind schon bei der Planung einer Befragung zu berücksichtigen.
Neben der Zufriedenheit mit dem Produkt kann über eine Befragung auch festgestellt werden, ob die Auswahl der Vertriebswege und der Vertriebsprozess optimal aufgestellt sind. Dies schließt die Aspekte der Freundlichkeit, Schnelligkeit, Motivation und der Qualifikation des Verkaufspersonals ein. Je nach Geschäftsstruktur kann die Zufriedenheit der Kunden mit Hotlines, Service etc. ebenfalls abgefragt werden. Typische Aspekte sind auch hier wieder die empfundene Freundlichkeit und Effizienz, aber auch die Zufriedenheit mit der Bearbeitung und der Problemlösung sowie die Verlässlichkeit bei der Erledigung von zugesagten Aktionen.
Kundenbefragungen eigenen sich also zur Beantwortung recht unterschiedlicher Fragestellungen. Aber es besteht gleichzeitig die Gefahr, unbrauchbare oder interpretationsriskante Ergebnisse zu bekommen, falls die Planung nicht sorgfältig durchgeführt worden ist.
Durchführung und Auswertung
Für die professionelle Durchführung einer größeren Befragung sollte ein Markforschungsinstitut beauftragt werden, das entweder eine eigenes Feld für eine Vor-Ort-Befragung hat oder ein qualifiziertes Team und ein Telefonstudio für eine telefonische Befragung. Ob die Befragung persönlich oder telefonisch durchgeführt wird, hängt von der jeweiligen Zielsetzung und dem Inhalt ab; ein wesentlicher Aspekt werden aber immer die Kosten sein, die bei einer persönlichen Befragung aufgrund des Zeitaufwands pro Interview höher sind. Die Ergebnisse einer telefonischen Befragung sind in vielen Fällen ausreichend und auch nicht schlechter als bei einer persönlichen. Bei Einschaltung eines professionellen Marktforschungsinstituts ist auf jeden Fall sichergestellt, dass die Stichprobenauswahl den Ansprüchen an Repräsentativität entspricht und die Auswertung der Ergebnisse mit mathematischer Genauigkeit durchgeführt wird.
Aus Kostengründen kommt die Beauftragung einer externen Marktforschung allerdings oft nicht in Betracht. In diesem Fall können „kleinere“ Lösung trotzdem zu verwertbaren Ergebnissen führen. Eine nahe liegende Lösung ist der Einsatz des eigenen Personals, z.B. der Vertriebsmitarbeiter. Neben der Qualifikation für Befragungen kann der „Interessenskonflikt“ mit der eigentlichen Aufgabe jedoch ein Problem darstellen. Eine sinnvolle Form der Kundenzufriedenheitsanalyse ist beispielsweise die telefonische Befragung von Kunden kurz nach einem Kauf und die Durchführung von Kontrollbefragungen längere Zeit nach dem Kauf. Bei der Befragung kurz nach dem Kauf können insbesondere die Qualität und Freundlichkeit des Verkaufsgesprächs sowie die Kaufgründe abgefragt werden – das sollte daher nicht unbedingt von Vertriebsmitarbeitern durchgeführt werden. Die spätere Anfrage kann in der Zielsetzung auf die Erfahrungen im Gebrauch des gekauften Produktes abheben.
Eine andere Möglichkeit zur Durchführung einer Kundenbefragung ist der Einsatz von freien Mitarbeitern (z.B. Studenten). Der Kostenvorteil gegenüber einem Marktforschungsinstitut wird in diesem Fall allerdings aufgewogen durch die geringere Erfahrung und Effizienz der Interviewer sowie den eigenen Koordinationsaufwand in der Vorbereitung und Verwirklichung. Welche Form der Durchführung tatsächlich gewählt wird, damit ein optimales und nutzbares Ergebnis erzielt wird, bleibt abzuwägen.
Die Auswertung der Fragen ist ein wichtiger Schritt, bei dem es nicht nur auf eine mathematisch korrekte Auszählung der Antworten ankommt. Damit man Schlüsse auf umsetzbare Maßnahmen ziehen kann, müssen Korrelationen zwischen den Fragen hergestellt werden, bei denen die Resultate einzelner Fragen im Vergleich betrachtet werden. Es kommt bei der Auswertung nicht auf eine mathematische Pseudogenauigkeit und die Darstellung z.B. in Form von unterschiedlichen Graphiken an, sondern auf die Identifizierung von Optimierungsbereichen. Wenn erste Ergebnisse vorliegen, sollte die Plausibilität und Konsistenz verschiedener Antworten gegeneinander geprüft werden, sonst besteht die Gefahr, dass mann zufällige Häufungen (die z.B. auch durch die Gestaltung der Fragen selber bedingt sein können) falsch interpretiert oder „Ausreißer“ bzw. extreme Antworten zu hoch bewertet.
Fazit: Umsetzung und Maßnahmenplanung
Ein funktionierendes Beschwerdemanagement, die beste Kundenbefragung und Ergebnisauswertung nützen dem Unternehmen letztlich nichts, wenn daraus keine Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Dies ist daher immer als abschließender Schritt bei der Durchführung von Kundenzufriedenheitsanalysen zu sehen. Wenn im Unternehmen keine Bereitschaft für entsprechende Änderungen besteht, kann man sich den Aufwand und die Kosten einer Kundenbefragung sparen.
Durch eine regelmäßige Beobachtung der Kundenzufriedenheit aufgrund der direkt und indirekt gewonnenen Informationen verschafft sich das Unternehmen gleichzeitig ein Frühwarninstrument im Rahmen des Risikomanagements. Bei konsequenter Anwendung hilft die Kundenzufriedenheitsanalyse dabei, die eigenen Ressourcen und Anstrengungen auf diejenigen Bereiche zu fokussieren, die dem Ziel der Kundenzufriedenheit am besten dienen. Dies ist bei der Mehrzahl der Unternehmen gleichbedeutend mit einer effizienten Marktbearbeitung und Umsatzoptimierung. Vordringlich ist in den meisten Fällen die Beseitigung der Beschwerdeursachen!
Bevor die erkannten Schwachstellen in der Kundenzufriedenheit beseitigt werden, sollten immer die wirtschaftlichen Auswirkungen analysiert und berücksichtigt werden. Viele Verbesserungen erfordern Investitionen oder auch eine Steigerung der laufenden Betriebskosten. Es ist natürlich wirtschaftlich unsinnig, einseitig die Kosten zu erhöhen, wenn nicht gleichzeitig an anderer Stelle Einsparungen oder Umsatzsteigerungen möglich werden. Bevor Preiserhöhungen zur Abdeckung der gestiegenen Kosten erwogen werden, sollte die Auswirkung in der Preis-Absatzkurve geprüft werden. Natürlich gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die wenig kosten und trotzdem die Kundenzufriedenheit signifikant beeinflussen, z.B. freundliche Verkäufer, eindeutige und wahrheitsgemäße Werbeaussagen, die Einhaltung von Zusagen oder effiziente Prozesse. Besonders große Wirkung lässt sich erreichen, wenn die Kenntnis der Kundenanforderung rechtzeitig vor dem Beginn von Neuentwicklungen vorliegen.