Der Metzger macht es vor
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Einige der besten Beispiele, wie man als Unternehmen durch genaue Kundenkenntnis eine hohe Kundenbindung erreichen kann, findet man bei kleinen Unternehmen: Seit vielen Jahren schon haben es die in Wohngebieten liegenden Geschäfte und Restaurants, Bäckereien, Fleischer, Kioske etc. verstanden, in ihrer Nachbarschaft effektive Kundenbindung zu erreichen. Hier ist es selbstverständlich, dass man seine besten Kunden persönlich kennt und Ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen lässt, indem man z.B. von selbst bestimmte Produkte für den Kunden zurücklegt, den Kunden benachrichtigt, wenn besondere Produkte eingetroffen sind, oder ihn im Restaurant „um die Ecke“ mit Namen und Handschlag begrüßt und ihm ein kostenloses Getränk oder Dessert zukommen lässt. Diese kleinen Unternehmen zeigen, dass besondere Leistungen und Anerkennungen aus guten Kunden treue Stammkunden machen, die das eigentliche Ertragspotenzial des Geschäftes bilden.
Die Grundlage einer kundenspezifischen Betreuung im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen ist eine genaue Kenntnis der Kunden. Mittelständische Unternehmen, die wissen, wer die Käufer bzw. Nutzer ihrer Produkte oder Dienstleistungen sind, haben die wichtigste Voraussetzung dafür geschaffen, dass sie mit ihren Kunden überhaupt in einen Dialog eintreten können.
Letztlich ist es das Ziel aller Kundenbindungsinstrumente, den Prozess des Aufbaus einer längerfristigen Beziehung zum Kunden zu unterstützen und so den „Erstkäufer“ zum „Kunden“ zu machen. Natürlich gilt auch hier der Grundsatz, dass zunächst das Produkt oder die Dienstleistung des Anbieters überzeugen muss! Kundenbindungsinstrumente können kein (oder nur in Ausnahmefällen ein) schlechtes Produkt kompensieren (siehe hierzu auch unter Beschwerdemanagement oder Retentionmarketing).
Je größer und komplexer allerdings ein Unternehmen wird, desto schwerer wird es in der Regel, herauszufinden, welche Kunden die „guten“ sind, die man sich als Stammkunden wünscht, und persönliche Kundenbeziehungen werden zur eher seltenen Ausnahme. Um trotzdem eine kundenspezifische Betreuung leisten zu können, ist hier der Aufbau einer Kundendatenbank im Rahmen des Customer Relationship Management (CRM) erforderlich. Neben den reinen Adress- bzw. Rechnungsdaten sollten in einer solchen Datenbank auch kundenspezifische Umsatzübersichten, Bestellzyklen etc. erfasst werden sowie eine Dokumentation zusätzlicher Kundeninformationen, z.B. wie besondere Wünsche, Beschwerden, Probleme usw. erfolgen. Je detaillierter und vor allem aktueller die Informationen in einer Kundendatenbank sind, umso wertvoller wird dieses Instrument für Segmentierungen, Kundenstammanalysen und individuelle Betreuungsmaßnahmen.
Werkzeuge im Überblick
Die Vorbereitung und Durchführung der meisten Kundenbindungsprogramme haben eines gemeinsam: Sie sind aufwändig. Neben hohen Marketing– und Organisationskosten ist häufig ein intensiver Personaleinsatz erforderlich. Einige der im folgenden beschriebene Bindungsmaßnahmen sind daher vielleicht mehr für Großunternehmen als für den Mittelständler geeignet. Sie sollen jedoch trotzdem vorgestellt werden – vielleicht können sie neben einem umfassenden Gesamtüberblick auch Anregungen für eher in die mittelständische Größenordnung passende Varianten geben.
Je nach Geschäftsmodell können folgende Kundenbindungsinstrumente geeignet sein:
- Rabattangebote
- Cross-Selling
- Bonusprogramme
- Systemangebote
- Kundenkarten
- Serviceleistungen
- Kundenklubs
- Freundschaftswerbung
Kundenbindung erfordert außerdem Kreativität. Die hier vorgestellten Kundenbindungsmaßnahmen und Anregungen aus der Unternehmenspraxis zeigen ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten, aber auch die damit verbundenen Schwierigkeiten, langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Dabei wird offensichtlich, wie wichtig es ist, Kundenbedürfnisse und Kundennutzen genau zu kennen, um wirklich erfolgreiche Kundenbindungsmaßnahmen entwickeln und umsetzen zu können. Je besser es einem Unternehmen gelingt, Kundenbindungsmaßnahmen nicht nur als Marketingkonzept zu verstehen, sondern den Kunden und den Kundennutzen wirklich ins Zentrum allen unternehmerischen Handelns zu stellen, desto besser kann das volle Ertragspotential der Kunden ausgeschöpft werden. In Verbindung mit Kundenbindungsmaßnahmen ist regelmäßig zu fragen, ob das Unternehmen hierfür richtig aufgestellt ist:
- Werden die Kunden in der Nachkaufphase ausreichend betreut?
- Wie viele der Erstkäufer werden zu Wiederkäufern und Stammkunden?
- Welche Kundenbindungsansätze könnten für Ihre Kunden attraktiv sein und einen kommunizierbaren Nutzen bringen?
Eine wichtige Frage ist auch: Wie werden Beschwerden zum Aufbau der Kundenbeziehung genutzt? – Ein qualifiziertes Beschwerdemanagement trägt nämlich durchaus zur Kundenzufriedenheit und zur Kundenbindung bei! Selbst nach dem Verlust von Kunden, z.B. bei Kündigung von Dienstleistungsverträgen oder Abwanderung zum Wettbewerb, lässt sich durch Retentionmarketing die Rückgewinnung versuchen; das Instrument sollte allerdings aufgrund des höheren Aufwands nur bei wichtigen Kunden eingesetzt werden. Im Erfolgsfall, bei Rückgewinnung des Kunden, ist dieser dann aber häufig enger und längerfristig an das Unternehmen gebunden als andere Kunden, weil er die persönliche Wertschätzung der individuellen Ansprache und Problemlösung erfahren hat.
Die Dimension der Kundenbeziehung und einzelne Kriterien (Bild: STZ-Consulting)
Ideen für Maßnahmen zur Kundenbindung können in Diskussionen mit Vertriebsmitarbeitern, Vertriebspartnern und ausgewählten Kunden geprüft werden: Lassen sie den gewünschten Effekt einer langfristigen Kundenbindung erwarten? – Wenn eine Vorauswahl getroffen wurde, sollte zunächst nur die Maßnahme weiter verfolgt werden, die den größten Effekt verspricht und mit überschaubarem Aufwand umgesetzt werden kann. Es ist nicht sinnvoll, mehrere Maßnahmen gleichzeitig einzuführen, in der Hoffnung, dass dadurch der Kundenbindungseffekt verstärkt werde.
Fazit: Auch Kundenbindung muss sich rechnen
Nach der Entscheidung für eine Maßnahme sind die Kosten genau zu kalkulieren, wobei neben den primären Kosten für Prämien, zusätzliche Serviceleistungen, Bonuspunkte etc. auch den Marketing– und Werbeaufwand, darunter gegebenenfalls auch der einer Werbeagentur, sowie die internen Kosten zur Verwaltung und Umsetzung des Kundenbindungsprogramms berücksichtigt werden müssen. Erst wenn diese Aspekte geklärt sind, sollte ein Test bei Ihrer Zielgruppe Sicherheit für den Erfolg bringen.
Mögliche Einflussfaktoren auf den Kundenwert (Bild: STZ-Consulting)
Nur Kundenbindungsinstrumente, die dem Kunden einen für ihn erkennbaren Vorteil bringen, werden auch akzeptiert. Hierfür muss ein „nachrechenbarer“ Nutzen mit einer einfachen Handhabung und einem transparenten Ablauf kombiniert werden, damit die Wirkung sich so einstellt, wie dies in den Planungen unterstellt wird. Die Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit von Kundenbindungsmaßnahmen sollten in Verbindung mit Analysen des Kundenwertes erfolgen.
Der Kundenwert berücksichtigt auch die längerfristigen Auswirkungen von einzelnen Maßnahmen und die Wechselwirkung untereinander. Die Kosten für einen mehrstufigen Test des Instruments sind fast immer gut angelegt, da Kundenverluste und eine negative Presse für das Unternehmen immer höhere Kosten oder gar Kundenverluste nach sich ziehen.