Offene Enttäuschung
Kunden, die unbeirrt an ihren Gewohnheiten festhalten und mitunter leere Geschäfte – das sind die vorläufigen Ergebnisse der Freigabe der Ladenöffnungszeiten. Kein Zweifel: Derzeit überwiegen die Nachteile der Liberalisierung die Vorteile für den Handel.
Das Gesetz über den Ladenschluss (LadSchlG) regelt, an welchen Tagen oder Tageszeiten Verkaufsstellen generell geschlossen sein müssen. Es legt auch fest, wann und unter welchen Umständen Ausnahmen von diesen Regelungen erlaubt sind. Das derzeitige Ladenschlussgesetz wurde 1956 eingeführt, blieb dann lange unverändert und wurde erst in den vergangenen 15 Jahren schrittweise liberalisiert. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist der Ladenschluss Ländersache.
Der Trend geht zum Zweifel
In den meisten Bundesländern wurden die Ladenschlussvorschriften inzwischen gelockert oder weitgehend liberalisiert. Die Öffnung der Geschäfte bis 22:00 Uhr oder sogar rund um die Uhr ist möglich. Nur sonntags bleiben die Geschäfte bis auf wenige Tage im Jahr geschlossen.
Die Möglichkeit, länger verkaufsoffen zu halten, wird allerdings nur zum Teil angenommen. Nach der anfänglichen Euphorie sind viele Einzelhändler wieder zu den alten, gewohnten Öffnungszeiten zurückgekehrt. In manchen Regionen versucht der Handel, sich auf gemeinsame Kernzeiten zu einigen oder darauf, nur bei bestimmten Anlässen später die Ladentüren zu schließen. Einen einheitlichen Trend gibt es noch nicht.
Laut Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) bieten vor allem Lebensmittelhändler, Kauf- und Warenhäuser sowie Betriebe unter dem Dach eines Einkaufszentrums ihren Kunden längere Öffnungszeiten. Vorreiter bei der längeren Abendöffnung ist demnach der Lebensmitteleinzelhandel.
Zwischenbilanz
Was bringt einem Unternehmen die Liberalisierung?
Höhere Personalkosten: ein ganz klarer Nachteil längerer Öffnungszeiten. Die Zuschläge von bis zu 50 % für die Arbeit mache die Ladenöffnung am Abend im Regelfall betriebswirtschaftlich nicht rentabel – so die Einschätzung des HDE.
Keine höheren Umsätze: Tatsächlich scheint es etwas mehr Spontankäufe zu geben. Doch die meisten Händler erwarten und erleben nicht mehr Umsatz, sondern vielmehr eine Umsatzverteilung.
Gefahr von Preissteigerungen: Stagnierende Umsätze und höhere Ausgaben des Handels durch Gehaltszuschläge können zu Kostendruck und steigenden Preisen führen.
Imagegewinn: Längeres Offenhalten kann einen Imagegewinn bringen, denn der Kunde erhält damit einen Service, den er an anderer Stelle nicht bekommt.
Gewerkschaften ins Haus: Durch die neuen Öffnungszeiten gibt es in vielen Handelshäusern erstmals einen Betriebsrat. Die gestiegenen Anforderungen an die Mitarbeiter erleichtern es den Gewerkschaften, in den Betrieben Fuß zu fassen und Interessenten zu werben. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft verdi verzeichnet seit der Freigabe der Öffnungszeiten zahlreiche neue Betriebsräte.
Fazit: Saisongeschäft und Lebensmittel
„Im Prinzip ein Flop.“ So bewerten viele Händler enttäuscht die lang ersehnte Freigabe der Ladenöffnungszeiten. Der deutsche Kunde hat offenbar keine große Lust, abends shoppen zu gehen.
Wenn Sie also überlegen, ob Sie erst später schließen sollten, müssen Sie damit rechnen, dass es sich nicht lohnt. Diese Erfahrung haben schon viele Händler gemacht. Daher resultiert auch die Tendenz, die Uhr bei den Öffnungszeiten wieder zurückzudrehen. Am Abend pendeln sich die Schließzeiten vielerorts bei maximal 20:00 Uhr ein.
Generelle Empfehlungen sind allerdings schwierig, denn es gibt bislang kaum Studien, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile zuverlässig untersuchen. Ob sich längere Öffnungszeiten für Ihr Unternehmen rentieren, hängt sehr stark von den lokalen und saisonalen Gegebenheiten ab. Was sich aufgrund der bisherigen Erfahren bestimmt rechnet, ist das Weihnachtsgeschäft: Wenn Sie in dieser Zeit bis 22:00 Uhr offen halten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich das auch auszahlt.