MVNO – Mobile Virtual Network Operator

Neues Modell zwischen Carrier und Reseller

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Der MVNO (Mobile Virtual Network Operator) ist eine Geschäftsform zwischen dem eigentlichen Netzbetreiber und dem Service Provider oder Reseller.

Im Gegensatz zum Mobilfunknetzbetreiber betreibt der MVNO kein eigenes Access-Netz mit eigenen Funkstationen. Mit dem Service Provider gemeinsam hat der MVNO die Infrastruktur zur Erfassung von Kundendaten, zur Erstellung von Rechnungen, das Inkasso und die Kundenbetreuung.

Zusätzlich hat der MVNO die Möglichkeit, Kernnetzleistungen selbst zu betreiben oder vom Netzbetreiber zu mieten. Damit hat er die gleichen Möglichkeiten, Dienste zu gestalten, wie der Mobilfunknetzbetreiber selber. Für den Service Provider begrenzen sich die Gestaltungsmöglichkeiten auf die Umsetzung von Preismodellen, die auf der Basis der vom Carrier gelieferten Gesprächsdaten berechnet werden können.

Innerhalb der Wertschöpfungskette hat der MVNO neben der Vertriebsfunktion und der Kundenverwaltung auch die Dienstegestaltung und -produktion unter seiner Kontrolle. Für die Zuführung und Terminierung von Gesprächen arbeitet der MVNO mit Access-Netzbetreibern zusammen und kauft dieses Vorprodukt zu Interconnection-Konditionen ein, die in seine eigene Kalkulation als Kosten einfließen.

Erfolgsfaktoren im MVNO-Geschäft

Der MVNO ist ein anspruchsvolles und komplexes Geschäftsmodell mit sehr weit gehendem Spielraum zur Ausgestaltung, das genau geplant werden muss, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Zu den Erfolgsfaktoren in diesem Geschäft gehören

  • detaillierte Kenntnisse der Anforderungen der Zielgruppen,
  • ein leichter Vertriebszugang zu den potenziellen Kunden,
  • Verständnis für die Funktion von TK-Netzen und Netzzusammenschaltung,
  • Erfahrungen mit Make-or-Buy-Projekten und Outsourcing,
  • Entwicklungs-Know-how für neue Dienste,
  • bestehende Kontakte zu Netzbetreibern und ggfs. zu Content-Providern,
  • exakte Planung und Berücksichtigung potenzieller Risiken sowie
  • Zugang zu Investoren zur Absicherung der Vorlaufinvestitionen.

Die mobilfunkspezifischen Aspekte können für die Planungs- und Aufbauphase durch erfahrene Berater und Coaches beigestellt werden, bis die eigene Organisation dies übernehmen kann.

Umsetzungsschritte

Strategie und Konzeptionsphase

Als Definition des Business-Modells und der geplanten Wertschöpfungstiefe gilt: Das MVNO-Modell bietet eine große Bandbreite bei der Ausgestaltung. Die Nutzung der mit dem Modell des Enhanced-MVNO gegebenen Möglichkeiten zur Produktgestaltung ist proportional zu dem mit dem Aufbau und dem Betrieb erforderlichen Aufwand. Je weiter das eigene Kernnetz ausgebaut wird, desto höher ist die erzielbare Wertschöpfung, aber desto höher sind auch die erforderlichen Investitionen. Die Ausgestaltung des Geschäftsmodells muss daher mit großer Sorgfalt erfolgen.

Planungsphase

Business-Planung

Nun folgt die Festlegung der Ziele für den Geschäftsaufbau vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation im Mobilfunkmarkt in Deutschland: Ausgehend von den Kenndaten zur adressierten Zielgruppe mit Anzahl der Vertreter, Kaufkraft, Kaufverhalten, Durchdringung mit anderen TK-Diensten ist der Nutzen für den typischen Zielgruppenvertreter zu quantifizieren. Hierzu sind möglicherweise Marktforschungsmethoden sinnvoll. Dann sind Investitionskosten zu ermitteln, die bei der derzeitigen Ausstattung des Unternehmens aufsetzen (Kundenmanagement, Helpdesk, CRM, Billing etc.). Die laufenden Kosten ergeben sich aus Einkaufskonditionen bei Netzbetreibern, den eigenen Produktionskosten, Vertriebskosten, Churn, Forderungsausfall etc.

Planung der Umsetzung

  • Produktplanung mit Dienstemerkmalen und Preisen
  • Verhandlung mit Mobilfunknetzbetreibern und Dienstleistern sowie Begleitung der Vertragsverhandlung
  • Zielgruppensegmentierung und -analyse
  • Identifikation von USPs und Vertriebsargumentation
  • Auswahl und Planung von Loyalty-Programmen
  • Marketingplanung zur Ansprache bestehender Kundengruppen (Cross-Selling) und neuer Kundenpotenziale
  • Planung von Vertriebsunterstützungsmaßnahmen
  • Ausgestaltung von Kundenvertragsunterlagen und erforderlichen Informationen gemäß TKÜV
  • Vertriebsmaßnahmen und Planung von Vertriebstrainings
  • Auswahl geeigneter Hardwareangebote (Mobiltelefone, Zubehör) sowie Identifikation und Bewertung von Logistikpartnern für die Hardwaredistribution
  • Planung des Ablaufs für die Aufladung von Prepaidkarten
  • Planung von Kundenservice-Prozessen unter Berücksichtigung der bestehenden Kundenservice-Organisation
  • Identifikation und Definition der notwendigen Geschäftsprozesse für den kompletten Customer Life Cycle (von der Akquise über Customer Care und Customer Retention bis zur Kundenrückgewinnung)
  • Planung der Geschäftsprozessintegration mit den externen Partnern (Billing-Provider, MVNE etc.)
  • Planung der systemischen Umsetzung von Geschäftsprozessen (Make-or-Buy-Decision)
  • Definition und Vereinbarung von SLAs und OLAs mit externen Partnern

Verhandlungen mit MNO

Die Verhandlungen mit Netzbetreibern und die Prüfung vorliegender Zusammenarbeitsverträge stellt eine Aufgabe von zentraler Bedeutung dar. Die qualifizierte Beratung bei der Gestaltung von Vertragsinhalten unter Berücksichtigung der gängigen Praxis im TK-Markt kann für die Wettbewerbsfähigkeit und den späteren wirtschaftlichen Erfolg entscheidend sein.

Realisierungsphase

  • Umsetzung des Bonitäts-, Rechnungs- und Forderungsmanagements (ggf. Anbindung von Billingprovider und Bonitätsprüfung)
  • Realisierung und Integration der Customer-Lifecycle-Prozesse (inklusive Anbindung des Reklamationssanagements beim Netzbetreiber)
  • Anbindung der Reportingschnittstellen des Netzbetreibers zur Realisierung von analytischem CRM
  • Ausgestaltung des Endgeräteservices
  • Gestaltung der Geschäftsprozesse von der Kundenakquisition über die Freischaltung und die Erstellung der Abrechnung bis zur Kundenbetreuung
  • Organisationsaufbau und Coaching des ausgewählten Managements
  • Durchführung von Schulungsmaßnahmen für Customer-Care-Agenten und PoS-Personal
  • Umsetzung des Monitorings zur Einhaltung von SLAs und OLAs
  • Umsetzung der SIM-Kartenlogistik, u.U. unter Einbeziehung des Logistikpartners

Fazit: Langer Vorlauf, hohe Investitionen

Der Aufwand für den Aufbau eines MVNO-Geschäftes hängt wesentlich von den Voraussetzungen des Unternehmens und der angestrebten Wertschöpfungstiefe ab. Allerdings wird ein Aufbau bis zum Vermarktungsstart unter sechs bis neun Monaten kaum zu realisieren sein. Der Investitionsbedarf liegt mindestens im mittleren einstelligen Millionenbereich, bei Aufbau eigener Vermittlungsinfrastruktur im zweistelligen Bereich.

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