Wer sagt, wo’s langgeht, zahlt am Ende nach
Von Sabine Wagner
Wann ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist im modernen Arbeitsleben oft schwer zu bestimmen. Klarheit darüber zu bekommen, ob das Unternehmen im konkreten Fall Arbeitgeber oder nur Auftraggeber ist, vermeidet unangenehme und teure haftungs- und strafrechtliche Folgen. Diese Klarheit ist aber nicht immer einfach. Denn es fehlt an einer klaren gesetzlichen Regelung, die Kriterien der Scheinselbstständigkeit festlegt. Erschwert wird die Beurteilung zudem durch eine ständig zunehmende Vielfalt von Formen und Arten sogenannter freier Mitarbeit. Und so manche freie Mitarbeit erweist sich zu einem späteren Zeitpunkt als ein Arbeitsverhältnis.
Kriterien abhängiger Beschäftigung
Als Arbeitgeber entscheidet das Unternehmen, ob es einen Dienstvertrag abschließt oder einen Dienstleistungs- bzw. Werkvertrag. Fallweise Selbstständige einzusetzen hat eine Reihe offenbarer Vorteile: Es fallen keine Personalkosten an, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld etc. Die Vergütung wird frei ausgehandelt und richtet sich nicht nach Tarifrecht. Sogar der Mindestlohn gilt nicht für Selbstständige. Es sind auch keine Lohnnebenkosten für Alter, Krankheit sowie Arbeitslosigkeit zu zahlen. Die betriebliche Altersversorgung greift ebenfalls nicht. Und das Vertragsverhältnis kann unkompliziert beendet werden – immer vorausgesetzt, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts hat die nachstehenden Kriterien entwickelt, mit denen sich ein Arbeitnehmerstatus abgrenzen lässt. Die Gerichte haben dabei das Leitbild der persönlichen Abhängigkeit wie folgt geprägt:
- Es besteht eine Verpflichtung zur Arbeit und zur Zahlung eines Entgelts.
- Der Arbeitgeber hat ein Weisungsrecht. Dabei gilt: Je enger die Vorgaben zur Arbeitszeit sind, desto stärker ist die Vermutung der Weisungsbindung. Ein weiteres Indiz ist die gestalterische Freiheit: Je mehr genaue Vorgaben den gestalterischen Freiraum einengen, desto mehr spricht für die Vermutung der Weisungsbindung.
- Der Arbeitnehmer ist eingebunden in die betriebliche Organisation.
- Eine Möglichkeit zur eigenen unternehmerischen Betätigung fehlt.
Anhand dieser Kriterien wird geprüft, ob der Schwerpunkt mehr auf der Arbeitnehmerseite liegt oder mehr auf der Seite Selbstständigkeit. Letztlich hat es das Unternehmen durch die vertragliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses hin der Hand, wie im konkreten Einzelfall die Gewichtung ausschlägt: Arbeitnehmer oder selbstständig?
Statusfeststellung mit Fristenfalle
Sofern sich keine eindeutige Gewichtung ergibt, kann man die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung gemäß § 7a SGB IV um eine Entscheidung bitten. Das dortige Statusfeststellungsverfahren ist kostenlos und klärt die Frage, ob Scheinselbstständigkeit, also ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht.
Wichtig ist dabei die Frist: Der Antrag ist innerhalb von vier Wochen nach Tätigkeitsbeginn zu stellen, damit das Unternehmen Vertrauensschutz genießt! Vertrauensschutz heißt: Befindet das Statusfeststellungsverfahren, dass doch Scheinselbstständigkeit vorliegt, dann sind Sozialversicherungsbeiträge nicht rückwirkend, sondern erst nach der rechtskräftigen Entscheidung der Clearingstelle für die weitere Zukunft zu entrichten. Wird dagegen die Frist versäumt, drohen drastische Nachforderungen und Sanktionen!
Fazit: Letztlich haftet das Unternehmen
Unternehmen sollten also unbedingt zeitnah klären, welches Vertragsverhältnis im Einzelfall einschlägig ist. Denn Firmen, die keine Versicherungs- und Beitragspflichten prüfen und eine Person nicht anmelden, haften allein als Beitragsschuldner gegenüber der Sozialversicherung! Vom Beschäftigten können sie dessen Arbeitnehmeranteil nur für die letzten drei Monate einfordern. Darüber hinaus genießt der Arbeitnehmer gemäß § 28g SGB IV Vertrauensschutz, dass er keinen Arbeitnehmeranteil zu entrichten hat. Das heißt: Für jeden weiteren Monat über die drei Monate hinaus zahlt das Unternehmen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil.