Macht Azure Stack den feinen Unterschied?
Von Axel Oppermann
Seit 2016 ist ein Trend, eine nachhaltige Entwicklung, unverkennbar: Immer mehr Unternehmen drängen aggressiv in die Public Cloud. Ob diese Entwicklung durch den – real oder suggeriert – zunehmenden Druck zur digitalen Transformation, das Marketing der Hersteller, die konkrete Bedürfnisse von Fachabteilungen oder eine allgemeine Erneuerung der IT-Architekturen beflügelt wird, ist nicht eindeutig zu klären. Was aber klar ist: Die wenigsten Unternehmen können oder wollen auf ein hundertprozentiges Public-Cloud-Konstrukt setzen. Ob sensible Daten das Unternehmen nicht verlassen dürfen, ob es um Daten- und Prozesshoheit oder Kompetenzen geht, ist dabei egal. Es gibt bestimmte Workloads oder Rahmenparameter, für die eine Public Cloud nicht geeignet bzw. nicht die erste Wahl ist; weil sie im eigenen Rechenzentrum performanter laufen oder was auch immer.
Aus diesen und weiteren Gründen wird mittelfristig ein Hybrid-Cloud-Ansatz das führende und relevante Bereitstellungskonzept sein; auch wenn klar ist, dass es sich hierbei in vielen Szenarien nur um einen Übergangszustand – eine Brückenstrategie – handelt. Bei einem solchen hybriden Betriebskonstrukt ist Konsistenz unabdingbar; egal ob für Entwicklungs- oder konkrete Anwendungsszenarien.
Azure-Plattform auf eigenen Maschinen
Azure Stack ist eine Komponente eines integrierten Hybrid-Cloud-Ansatzes, ein Puzzleteil einer in sich konsistenten Hybrid-Cloud-Plattform, die quasi eine nahtlose Umgebung zwischen Public und Private Cloud ermöglicht. Etwas anders ausgedrückt: Mit Azure Stack bietet Microsoft eine On-premises-Version seiner Public Cloud Azure an. Im Prinzip werden die gleichen APIs, Tools und Prozesse, wie sie von Azure bekannt sind, für die Private bzw. Hybrid-Cloud bereitgestellt. Bei Azure Stack handelt es sich etwas vereinfacht ausgedrückt um ein Stück Software, die grundlegende IaaS-Funktionen (Infrastructure as a Service) wie Speicher, virtuelle Maschinen und Netzwerke sowie PaaS-Features (Platform as a Service) wie Container-Dienste oder Serverless Computing mit weiteren Services wie Authentifizierung oder Managementfunktionen umfasst, sowie Hardware von Microsoft-Partnern wie HPE, Dell EMC oder Lenovo, zukünftig auch Cisco und Huawei. Es ist ein integriertes System aus Hardware, Software und optionalen Services der Hardware-Anbieter (oder Dritten).
Azure Stack kann über unterschiedliche Modelle beschafft bzw. genutzt werden: einmal über ein kombiniertes Konstrukt aus den bereitgestellten Services, exemplarisch Azure Storage; virtuelle Maschinen, App-Services können nach Nutzung („Consumption“) abgerechnet werden. Microsoft überträgt also das Cloud-Economy-Konstrukt auf die Lizenzierung im Rechenzentrum des Anwenderunternehmens. Wichtig dabei: Kunden „kaufen“ (CapEx) oder „beschaffen“ (Leasing bzw. Finanzierung) die Hardware und etwaigen Support für die Hardware.
Auch hier nochmals zusammenfassend und vereinfacht: Es gibt keine Vorauszahlung für die Software bei Azure Stack, sondern es werden die genutzten Services abgerechnet – und das regelmäßig zu niedrigeren Preisen als beim Azure-Service. Der Kunde muss allerdings qualifizierte Hardware der Partner beschaffen. Lizenziert wird über Enterprise Agreement (EA) oder das Cloud Solution Provider Program (CSP). Auch eine Bereitstellung über einen Managed-Hosting-Anbieter wäre möglich.
Neben dem Pay-as-you-use-Modell gibt es noch ein sogenanntes Capacity-Modell. Hier wird nach Core und entsprechenden Workloads lizenziert, also die App Services oder das IaaS-Paket, mit Storage und virtuellen Maschinen. Lizenzmodell für diese Option ist ein EA.
Welche Alternativen gibt es?
Unter den Top-IaaS-Cloud-Providern AWS, Google und Microsoft ist Microsoft der erste Anbieter, der ein solches ganzheitliches bzw. konsistentes Angebot auf den Markt bringt. Google und AWS haben aber bereits durchsickern lassen, dass sie an ähnlichen Services und Leistungen arbeiten. Darüber hinaus gibt es andere Ansätze, die zu vergleichbaren Zielen kommen. So bietet AWS, neben Lösungen in Kooperation mit VMware, für bestimmte Szenarien geeignete Storage Gateways oder die Speicherlösung AWS Snowball Appliance oder ein Edge-System namens AWS Greengrass.
Auch wenn hier Äpfel mit Birnen verglichen wurden: Alle Anbieter haben oder entwickeln Lösungen, die die Bedarfe der Anwender erfüllen. So treibt auch IBM das Konstrukt der hybriden Cloud auf verschiedenen Ebenen weiter. Google entwickelt mit Partnern Lösungen für das integrierte Cloud-Management. Eine weitere Option stellen schließlich Anbieter von Management-Tools dar, exemplarisch RightScale, die ein Cross- und Multiple-Plattform-Management ermöglichen. Oracle ist mit der Cloud at Customer am Start und versucht hier, klassische Vorteile der Cloud wie Agilität, Skalierbarkeit sowie ein abonnementbasiertes Preismodell in die „heimischen“ Rechenzentren zu bringen. Und natürlich ist auch ein Vergleich mit OpenStack ratsam und wichtig.
Fazit und Empfehlung
Microsoft beschreibt Azure Stack als „eine Erweiterung von Azure.“ Und das trifft auch zu: Es ist eine Erweiterung von Azure in das Rechenzentrum des Kunden. Der bekommt die Möglichkeit, sich eine konsistente Cloud auf Basis von Microsoft-Technologien aufzubauen. Azure Stack ist auf Azure bezogen das Angebot einer gleichartigen On-premises-Plattform. Also gleiche Tools und Prozesse im eigenen Rechenzentrum wie in der Public Cloud; dies verspricht Konsistenz und vereinfachtes Management. Probleme vieler Anwender, etwa in Bezug auf Datenhaltung oder Performance, werden durch dieses Plattformangebot gelöst. Eine exemplarische Möglichkeit wäre der Einsatz als Edge-Komponente.
Azure Stack ist in dieser Form zurzeit einzigartig; ein Alleinstellungsmerkmal. Wie erwähnt, arbeiten aber die anderen relevanten Anbieter an vergleichbaren Services.
Für Unternehmen, die bereits eine starke Ausrichtung ihrer IT-Architekturen auf die Microsoft-Cloud und Microsoft-Technologien im Allgemeinen forcieren oder vorantreiben, ist Azure Stack eine entscheidende Komponente. Unternehmen, die Microsoft-Technologien verstärkt im eigenen Rechenzentrum einsetzen, ohne allzu große Ambitionen in Richtung Public Cloud zu haben, bekommen über das Capacity-Modell eine Option, in einem „disconnected mode“ die Vorteile von Azure in einer Private Cloud zu nutzen.
IT-Entscheider und Verantwortliche, die davor stehen, einen zentralen Cloud-Provider auszuwählen, und derzeit Google, AWS und Microsoft bewerten, bekommen ein starkes Argument pro Microsoft – das jedoch eine geringe Halbwertszeit hat, da, wie erwähnt, vergleichbare Services zeitnah zu erwarten sind. Zurzeit ist Azure der kleine feine Unterschied.
So oder so, trotz aller Gleichheit in den Plattformen, den avisierten Vorteilen: IT-Pros, Admins und Entscheider müssen auf das Kleingedruckte – die Details – achten, von denen zwangsläufig noch nicht alle bekannt sind. Microsoft muss sicherstellen, dass durch den Kapselansatz von Azure Stack vs. Azure nicht kleinste Unterschiede für den Nutzer im Alltag größere Probleme bringen.
Axel Oppermann berät seit über 17 Jahren als IT-Marktanalyst Technologieunternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen. Er arbeitet beim Beratungs- und Analystenhaus Avispador, schreibt für diverse Blogs, Portale, Fachzeitschriften und kommentiert in diversen Bewegtbildformaten aktuelle Themen sowie den Markt. Als Gesprächspartner für Journalisten und Innovatoren bringt Axel erfrischend neue Ansichten über das Geschehen der digITal-Industrie in die Diskussion ein. Seine vielfältigen Erkenntnisse gibt Axel in seinen kontroversen, aber immer humorvollen Vorträgen, Seminaren, Workshops und Trainings weiter. Seine Themen: Digital & darüber hinaus.