Folgenschwere Informationspflichten
Von Christian Günther, anwalt.de
Unternehmen wechseln mitunter ihren Eigentümer. Vieles bleibt danach erst einmal gleich. Das betrifft insbesondere die Mitarbeiter, die meistens im Unternehmen verbleiben. Gleich ist auch, ob Großkonzern oder KMU, dass die Mitarbeiter über einen Betriebsübergang zu unterrichten sind. Arbeitgeber, die hier Fehler begehen, müssen im schlechtesten Fall mit Lohn- und Schadensersatzklagen rechnen.
Gesetzlich verankert ist die Mitarbeiterunterrichtung in § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie dient den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern, die widersprechen müssen, wenn ihr Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Arbeitgeber übergehen soll. Widersprechen sie, bleibt es beim Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber. Der Zeitraum, bis zu dem Mitarbeiter den Widerspruch erklären können, beträgt einen Monat ab dem Zugang der ordentlichen Unterrichtung.
Betriebsübergang heißt Inhaberwechsel
Die Informationspflichten bestehen nur bei einem Betriebsübergang. Daher ist zunächst festzustellen, ob ein solcher Betriebsübergang gegeben ist. Drei Hauptkriterien sind maßgeblich dafür.
Das erste Kriterium lautet: Eine andere Person trägt nun die Organisations- und Leitungsmacht. Ein Betriebsübergang liegt daher z.B. nicht vor, wenn ein Unternehmen seine Rechtsform wandelt. Dasselbe gilt bei einem geänderten Gesellschaftergefüge.
Zweites Kriterium ist die unveränderte Unternehmensfortführung. Die Rechtsprechung prüft dieses Kriterium anhand folgender Punkte:
- Die Art des Betriebs bleibt im Wesentlichen gleich.
- Der neue Inhaber erhält materielle wie immaterielle Betriebsmittel. Bei Betrieben, deren Wert vor allem auf diesen Betriebsmitteln basiert, sind Wert und Bedeutung ausschlaggebend. Im Falle von Betrieben mit einer eher geringen Betriebsmittelausstattung ist dagegen entscheidend, dass die Belegschaft zu einem wesentlichen Teil übernommen wird.
- Beziehungen zu Kunden und Lieferanten bleiben bestehen.
- Die im Betrieb ausgeübten Tätigkeiten stellen sich auch danach im Wesentlichen gleich dar.
- Eine kurzzeitige Betriebseinstellung schadet nicht und lässt einen Betriebsübergang nicht entfallen.
Drittes und letztes Kriterium ist ein auf einem Rechtsgeschäft beruhender Inhaberwechsel. Das schließt staatlich angeordnete oder auf Erbschaft beruhende Wechsel aus.
Informationsfehler kommen teuer zu stehen
Da erst die ordentliche Unterrichtung die Frist für den Widerspruch in Gang setzt, können nicht unterrichtete Mitarbeiter auch darüber hinaus widersprechen. Es gilt: Ohne ordentliche Unterrichtung kein sicherer Übergang der betroffenen Arbeitsverhältnisse. Des Weiteren drohen mögliche Klagen Betroffener auf Unterrichtung.
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Zudem sind Schadensersatzklagen möglich. Das gilt insbesondere in Hinblick auf entgangene Vergütung. Denn Arbeitnehmer sind so zu behandeln, als ob eine ordnungsgemäße Unterrichtung stattgefunden hätte. Alter und neuer Arbeitgeber haften bei nicht ausreichender Unterrichtung für die negativen Folgen getroffener Entscheidungen dabei als Gesamtschuldner.
Das gilt etwa in Hinblick auf eine Klage wegen entgangener Vergütung wegen eines Widerspruchs, der bei ordentlicher Unterrichtung erfolgt wäre. Das Arbeitsverhältnis zum früheren Arbeitgeber besteht dann fort. Die deshalb in der Regel nicht erfolgten Lohnzahlungen gelten dann als entgangen.
Auf Kündigungen hat die fehlende bzw. falsche Unterrichtung hingegen keine Auswirkungen. Kündigungen sind auch in diesen Fällen wirksam. Andererseits ist der Betriebsübergang kein tauglicher Kündigungsgrund.
Notwendiger Inhalt der Unterrichtung
Mitarbeiter sind konkret und nicht bloß allgemein zu unterrichten. Eine an die persönliche Beschäftigungssituation ausgerichtete Mitarbeiterunterrichtung ist jedoch nicht notwendig. Notwendiger Inhalt der Unterrichtung ist zum einen der Termin, an dem der Übergang stattfinden soll, also der Tag des Inhaberwechsels. Es sind die unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang zu nennen.
Wichtig sind zudem Informationen zu rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten. Denn diese sind oft wichtige Gründe dafür, dass Mitarbeiter dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Konkrete Beispiele sind eine geplante Betriebsverlagerung, geplante Änderungen hinsichtlich des geltenden Tarifvertrags, aber auch die für Ansprüche relevante Regelung der Haftung zwischen altem und neuem Inhaber.
Hinzuweisen ist auch auf schützende Umstände: z.B. das Kündigungsverbot wegen Betriebsübergang oder die einjährige Veränderungssperre hinsichtlich der geltenden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge. Des Weiteren ist auf geplante Änderungen in den Arbeitsabläufen hinzuweisen. Das gilt insbesondere auch für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, die der Übergang erforderlich macht. Andererseits sind auch ins Auge gefasste Abfindungen im Falle eines Stellenabbaus zu nennen.
Aufzuzeigen sind nicht zuletzt die Folgen des Widerspruchs. Entscheidend ist stets, dass Arbeitnehmer sich auf Grundlage der Informationen ausreichend entscheiden können, mit welchem Arbeitgeber ihr Arbeitsverhältnis künftig fortbesteht.
Fazit: Schriftlich und nach Absprache
§ 613a Abs. 5 BGB nimmt neuen wie alten Inhaber in die Pflicht zur Unterrichtung. Das heißt nicht, dass die Unterrichtung nur gemeinsam erfolgen kann. Alter und neuer Arbeitgeber müssen jedoch regeln, wer von ihnen die Beschäftigten wie unterrichtet.
Ganz wichtig ist zudem, dass die Unterrichtung schriftlich erfolgt. Eine mündliche Unterrichtung im Rahmen einer Betriebsversammlung oder eine Information am Schwarzen Brett genügen nicht den Anforderungen. Ebenso können Mitarbeiter nicht von vornherein auf ihr Recht auf Unterrichtung verzichten.