Prozessoptimierung geschieht von Grund auf
Von Rochus Rademacher
Mobile Arbeitsabläufe sind abhängig vom Arbeitskontext und müssen deshalb systematisiert und mit Praktikern optimiert werden. „Niemand will bei Minusgraden Eingaben mit Handschuhen auf winzigen Tastaturen machen – ein Zählerablesen im Dunkeln hat andere Anforderungen als eine Lösung, die von Empfangsbedingungen abhängig ist“, gibt Wolf Engelbach, Leiter der IAO-Abteilung Informationsmanagement zu bedenken.
Und es brechen durch Organisationsänderungen Konflikte auf: Was der Innendienst machte, übernimmt jetzt der Außendienst, was der Mitarbeiter ehedem der Assistenz überließ, ist jetzt sein Job.
Online-Verteiler und Kollaboration
„Mobilisierung ist im ersten Schritt immer Organisation“, bestätigt auch Bernd Forstreuter, Geschäftsführer der Heldele GmbH aus Salach. „Klare Abläufe schaffen, aufräumen – wenn die Optimierung nicht geregelt ist, kommt das im Projekt später als Bumerang wieder zurück.“ Heldele betreibt mit 500 Mitarbeitern weltweit Services für Elektrokommunikationstechnik. Das Unternehmen arbeitet mit Subunternehmern auf Baustellen für Ingenieurbüros und hat dazu ein Handheld-Projekt aufgesetzt.
In zwei Jahren hat Heldele rund 40 % der Wertschöpfungskette virtualisiert. Nach Einschätzung von Heldele-Manager Forstreuter beschleunigten sich dadurch die Abläufe um 5–10 %. Hat das Unternehmen einen Auftrag über die Ausschreibungsplattform erhalten, leitet der Projektleiter Arbeitsaufträge und Aufmaße an den Netzwerkpartner über die Kollaborationsplattform, auf die mobil zugegriffen wird. Die Elektrohandwerker sind mit den Kunden sowie mit den Monteuren und Netzwerkpartnern vernetzt – direkt auf der Baustelle. Verständigungsbasis ist GAEB, der Standard für den Austausch von Bauinformationen.
Teil 1 lässt sich vom Fraunhofer IAO vier praktische Tipps für die Umstellung an die Hand geben. Teil 2 zeigt an Best-Practice-Mobilbeispielen, wie die Prozessoptimierung konkret aussehen kann.
„Das Ressourcenmanagement hat sich verbessert, weil die Projektverantwortlichen Wissen besitzen über Zeiterfassung, Fahrzeuge, Material, Werkzeuge, Historiendaten und Planwerte“, so Forstreuter. Hat ein Monteur seinen Job erledigt, setzt er einen Erfassungsstift auf einen Transponderknopf am Einsatzort – und die Arbeitszeit ist erfasst.
Auch Auftragsstand und Projektdokumentation werden an die Zentrale übermittelt. Für die Beseitigung von Störungen und in der Wartung ist ein Handheld von Samsung im Einsatz, mit allen Kontakt- und Anlagendaten: „Der Techniker weiß sofort,wer vorher an der Anlage war, hat die Checklisten und kann bei Pflichtprüfungen gleich die Unterschriften in elektronischer Form einholen.“
Arbeit durch die Datenbrille
Jenseits von Notebook, Tablet-PC, Handy oder Smartphone gewinnt ein weniger universeller Ansatz an Boden: das Wearable Computing mit am Körper getragenen Systemen und Datenbrille. „Im Prinzip eignet sich ein Wearable, wenn der Anwendungsfall einen Mehrwert in Form von verbesserter Ergonomie oder Prozessqualität bringt“, erklärt Jörg Rett vom SAP Research Center Darmstadt. „Hinzu kommen Nebeneffekte wie kürzere Anlernzeiten, eine höhere Effizienz in der Ausführung der Tätigkeit und eine Steigerung der Tätigkeitsbandbreite.“
Rett theoretisiert nicht: Er ist Projektkoordinator des vom Wirtschaftsministerium geförderten Verbundprojekts SiWear, an dem auch Daimler beteiligt ist. Die Partner testen den Ersatz einer Papierlösung durch ein Head Mounted Display (HMD): Kommissionierer reichen Monteuren genau die Teile, die zum Verbau benötigt werden. Welche das sind, entnehmen sie einer ausgedruckten Liste. Verliest sich einer der Kommissionierer oder fehlen Teile, droht Bandstillstand.
Und was bringt und wie funktioniert nun das SiWear-Wearable-System? „Wir können uns damit an vorhandene Schnittstellen ankoppeln, etwa an die Druckerausgabe“, erläutert Rett. „Die Daten werden nun auf das HMD des Kommissionierers gebracht. Sensorik am Regal überwacht im Sinne der Kontexterkennung, ob er das richtige Teil herausnimmt.“
Am Prozessmodell hat sich in diesem Fall nichts geändert. Das Unternehmen gewinnt laut Rett aber Prozessqualität: „Wenn kein Fehler auftritt, braucht es auch keine Ressourcen zur Fehlerbehebung, und der Bandstillstand wird vermieden.“
Der Integrationsaufwand wird niedrig gehalten: „Lösungsansatz und Architektur sind generisch und lassen sich an alle Branchen und Backend-Systeme anpassen“, versichert Rett. Mittel zum Zweck ist die dienstorientierte Architektur: Eine Unternehmenssoftware liefert die Auftragsdaten, die über eine anwenderspezifische Datenbank – als Dienst gekapselt – zur Wearable-Lösung gelangen.
Fazit: Mit Sicherheit und Datenschutz
Abkupfern lassen sich von dem Projekt auch Security- und Safety-Vorkehrungen. Die Basissicherheit für Standardkomponenten orientiert sich an den Empfehlungen des IT-Grundschutzes – es werden Standardverfahren verwendet wie die Verschlüsselungstechnik WPA Radius, die Kommunikation über Simple Object Access Protocol (SOAP) oder das gesicherte Hypertext-Übertragungsprotokoll (HTTPS).
„Und wir verarbeiten nur tätigkeitsrelevante Daten“, lenkt Rett den Blick auf den Datenschutz. Für die Prozessoptimierung sei entscheidend, was passiert ist und wie, nicht wer etwas getan habe. Auf personenbezogene Merkmale könne daher verzichtet werden: „Analysen der Bearbeitungsdauer oder Fehleranalysen erfolgen nicht als Einzelauswertung, sondern nur als Gruppenauswertung“, so Rett, „anfallende Daten werden anonymisiert – mindestens jedoch pseudonymisiert.“