Die Technik liegt auf der Lauer
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Was ist nun mit „Multimedia“ und „Triple Play“? Video on Demand und interaktives Fernsehen geistern als Begriffe durch die Diskussion, doch wirkliche Dienste lassen noch auf sich warten. Werden IP-TV und das mobile Fernsehen per Handy doch noch Killerapplikationen? Was leisten sie und wem nutzen sie? Gibt es sinnvolle geschäftliche Anwendungen für diese Technologien?
IP-TV, mobiles TV und Triple Play – die Begriffe tauchen oft in unterschiedlichen Zusammenhängen auf und werden oft auch unterschiedlich verstanden. Daher möchte ich versuchen, kurz meine Definition dieser Begriffe zu erläutern. Natürlich sind auch andere, abweichende Vorstelllungen möglich.
- Triple-Play bezeichnet die gemeinsame Nutzung einer Anschlussleitung (in der Regel eines Breitbandanschlusses) zur Übertragung von Sprache, Daten und Inhalten sowie die Darstellung von übergreifenden Diensten (z.B. Fernsehen oder Lernprogramme mit Rückkanal, Steuerung von Filmabrufen mit dem Mobilfunkgerät etc.). Dabei kann neben der Festnetzanbindung alternativ oder ergänzend auch ein mobiler Anschluss genutzt werden. Für „echte“ Triple-Play-Lösungen ist ein gemeinsamer Vertrag mit einem Anbieter die notwendige Voraussetzung. Aus der Sicht des Autors reicht das parallele Angebot von Sprache und Telefonie, Internet-Zugang und Verteilfernsehen nicht aus, um sinnvoll von Triple-Play-Diensten zu reden.
- Mobiles TV ist die Bezeichnung für die Möglichkeit zum Empfang von Fernsehprogrammen über mobile Endgeräte wie z.B. Handys, Smartphones oder PDAs. Dabei kann es sich sowohl um Programme der öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten handeln als auch um speziell für den Empfang per Handy eingerichtete Programme. Auch kann mittels mobilem TV kostenloser oder kostenpflichtiger Inhalt ausgestrahlt werden. Die Abrechnung und Kundenbeziehung liegt üblicherweise beim jeweiligen Mobilfunkanbieter.
- IP-TV ist der Sammelbegriff für den Empfang von Fernsehprogrammen per PC oder Laptop. Ähnlich wie beim mobilen TV können Inhalte unterschiedlicher Form kostenfrei oder kostenpflichtig angeboten werden. Für den Empfang ist in der Regel ein Breitbandanschluss unerlässlich. Dies kann ein leitungsgebundener oder drahtloser Zugang sein.
Was ist eigentlich neu?
Mit den neuen Möglichkeiten des Zugangs zum Internet bei Bandbreiten von derzeit bis zu 16 MBit/s (und bald mit VDSL 50 MBit/s) können nicht nur große Dateien schnell übertragen werden. Auch Bewegtbilder lassen sich in guter Qualität und mit hoher Auflösung übertragen. Damit sind die Zeiten vorbei, in denen man über das Internet nur kurze Videosequenzen in eher bescheidener Qualität zur Wiedergabe mittels Media Player, RealPlayer, VLC media player etc. übertragen konnte.
Ab ca. 20 MBit/s. ist eine digitale Übertragung auch in Fernsehqualität ohne weiteres möglich. Die erforderliche Bandbreite hängt von den Ansprüchen und der Kompressionsrate ab, mit der das Videosignal kodiert wird. So kann das Fernsehsignal also nicht nur per Kabel, über Funk nach DVB-T-Standard und via Satellit ins Haus, sondern auch über den stationären Internet-Anschluss. Der Inhalt kann entweder auf dem Monitor eines PCs wiedergegeben werden oder per Settopbox auf dem Fernsehbildschirm.
Triple-Play steht für eine Integrationsstufe, bei der über einen gemeinsamen Zugang Sprache, Internet und Fernsehübertragung geliefert wird. Somit ist nur noch ein Anbieter erforderlich, und der Kunde erhält eine einzige Rechnung für alle Dienste. Dies erspart zumindest einen Teil der Administration. So weit, so gut. Aber zunächst ändert sich nicht viel, wenn der gleiche Inhalt über einen weiteren Zugang bereitgestellt wird. Die Gerätekombination vonPC, Settopbox und Fernsehgerät wird vielleicht nicht überall auf Begeisterung stoßen, zumal der PC ja auch noch Zugang zum Breitbandanschluss benötigt.
Mobil geht das Ganze natürlich auch mittels eines UMTS-Mobilfunkgerätes und des DMB- oder DVB-H-Standards, allerdings bei niedrigen Bandbreiten und nicht in der gewohnten TV-Qualität. Aber die Displays auf der Mobilfunkgeräte sind ja in der Regel auch wesentlich kleiner.
Triple Play: Konvergenz bis zum Inhalteangebot
Triple-Play umschreibt die Verbindung von Sprachkommunikation, Internet-Zugang und Mediennutzung. In diesem Sinne wird Triple Play heute bereits von den meisten Kabelnetzbetreibern angeboten. Die Konvergenz bleibt hierbei zunächst allerdings auf die Tatsache begrenzt, dass die Dienste auf dem Wege über das Breitbandkabel in den Haushalt kommen. Weiter gehende Lösungen könnten in Verbindung mit Video on Demand, individualisierten, ortsbezogenen oder auf anderem Wege aufbereiteten multimedialen Inhalten realisiert werden.
Der Konvergenzanbieter leistet bei Triple Play die Entwicklung, Vermarktung und das Inkasso für die Dienste und kann grundsätzlich auch Transaktionsdienste realisieren, die für die Abrechnung der Inhaltenutzung (Videofilme, interaktiven TVs, Spielen etc.) eingesetzt werden können. Ein Mobilfunkgerät kann die Rolle eines Steuerungsinstruments übernehmen, quasi als Fernbedienung für Triple-Play-Dienste. Sowohl das Mobilfunkgerät als auch ein PC können bei interaktiven Anwendungen (interaktivem Fernsehen, Spielshows, Lernprogrammen etc.) für den Rückkanal genutzt werden. Die Abrufe der Inhalteangebote lassen sich bei ortsunabhängiger Nutzung mithilfe des HLR erfassen und über die bestehende Vertragsbeziehung zusammen mit anderen Kommunikationsdienstleistungen abrechnen.
Neben dieser Form des ortsunabhängigen Triple Play wird es auch die rein mobile Version mit der Wiedergabe der multimedialen Inhalte auf tragbaren Geräten wie z.B. einem Smartphone geben. Der Geschäftsprozess an sich ist hierbei analog; die Inhalte und ihre Aufbereitung werden sich aber von denjenigen für die Festnetznutzung unterscheiden. Zu erwarten ist, dass hier individualisierte Nachrichten, Informationen mit Bezug zum Standort, Auskunfts- und Buchungsdienste sowie interaktive Spiele im Vordergrund stehen, wobei die jeweiligen „Sendungen“ kürzer als im herkömmlichen Fernsehen sein werden (Drei- bis Fünfminutenspots). In Verbindung mit der Interaktivität werden völlig andere Fernsehformate möglich, als wir heute gewohnt sind.
Ein Erfolgsfaktor der Triple-Play-Dienste ist neben der Attraktivität und Aktualität der Inhalte die Preisgestaltung – wie bei den meisten anderen Telekommunikationsdiensten auch. Ob hierbei eine Abrechnung per use oder über definierte Pakete bis hin zu einer echten Flatrate erfolgt, wird von den mit den Inhaltebesitzern vereinbarten Einkaufskonditionen abhängen, von der Akzeptanz durch die Zielgruppe und nicht zuletzt von der Risikobereitschaft des Anbieters. Die allgemeine Tendenz im Markt spricht für das Angebot von Paketen mit festen monatlichen Preisen, da diese für den Verbraucher am ehesten kalkulierbar sind.
Triple Play eröffnet die Möglichkeit, dass andere Anbieter neben den heutigen mit ins Spiel kommen. Auch für den virtuellen Netzbetreiber nach dem MVNO-Modell (Mobile Virtual Network Operator) kann Triple Play ein mögliches Angebot sein.
IP-TV: Anwendungen und neue Möglichkeiten
Die bloße Tatsache, dass mit IP-TV Fernsehprogramme über einen weiteren Weg zugeführt werden, wird sicher keine Änderung der Nutzungsgewohnheiten ergeben. Die Chancen für die Anbieter liegen daher wohl weniger im Kopieren bestehender Angebote als vielmehr in den Bereichen, in denen bislang kein Angebot bestand.
Für einen „klassischen“ Netzbetreiber mit einem Breitbandanschlussnetz bietet IP-TV die Möglichkeit, das eigene Angebot in Richtung Triple Play auszuweiten. Von Seiten der Deutschen Telekom ist ein solcher Schritt in Verbindung mit dem Aufbau des VDSL-Netzes sicher zu erwarten. Kabelnetzbetreiber haben dies ja bereits von der anderen Richtung durch Hinzunahmen von Sprachtelefonie und Internet-Zugang getan. Durch IP-TV wird die Angebotslandschaft also auf jeden Fall vielfältiger werden.
Zu den Möglichkeiten, die sich damit ergeben, zählen
- Special-Interest-Kanäle für kleinere Zielgruppen, z.B. mit ausgefallenen Sportarten oder Hobbys,
- neue Newsletter-Formate mit Bildern, Sprache und Filmsequenzen,
- E-Learning-Formate für Schulung und Weiterbildung (was besonders die Interaktionsfähigkeit des Mediums interessant macht),
- die Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten von Werbung und PR sowie
- die multimediale Aufbereitung von Kundenservices.
Mobiles Fernsehen: Wer braucht es?
Für IP-TV scheint es also eine Reihe von sinnvollen Anwendungen zu geben – wie sieht es aber mit dem mobilen Fernsehen aus? Rechtzeitig vor Beginn der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006 wurde der Dienst in einigen ausgewählten Großstädten sDeutschland nach dem DMB-Standard eingeführt. Für die Nutzung ist zunächst ein neues Handy erforderlich; es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis eine größere Anzahl und Auswahl von Endgeräten zur Verfügung steht. Außerdem ist ein Zusatzvertrag erforderlich, der weitere Kosten mit sich bringt. Diese Kosten kommen natürlich zusätzlich zu Mobilfunk- und Rundfunkgebühren, Kabelanschluss- oder anderen Kosten hinzu.
Dafür kann dann auf einem Minidisplay unterwegs das laufende Fernsehprogramm von vier Programmen verfolgt werden. Das DVB-H Angebot, das einen für die Handy-Nutzung abgewandelten DVB-Standard einsetzt, soll zunächst 16 und im Endausbau 50 Programme übertragen können. Damit ist der abgeleitete DVB-Standard DMB auf jeden Fall überlegen.
Es gibt sicher Situationen, in denen es gut wäre, mobiles Fernsehen verfügbar zu haben, z.B. in einem längeren Stau auf der Autobahn, bei Wartezeiten am Bahnhof oder Flughafen. Auf der anderen Seite sind dies eher seltenere Nutzungsfälle im Vergleich zur mobilen Telefonie; dagegen stellen die Monatsgebühren eine ziemliche Eintrittsbarriere dar. So wird das mobile Fernsehen in der „klassischen“ Form vermutlich eine Nischenanwendung bleiben.
Anders könnte es aussehen, wenn neben dem bzw. anstelle des Standardfernsehprogramms spezielle Informationsinhalte angeboten werden, wie sie auch schon in Verbindung mit IP-TV beschrieben wurden. Insbesondere bei Informationen mit hoher Aktualität, die der Nutzer unterwegs braucht oder wünscht, bringt dieses Angebot einen tatsächlichen Mehrwert. Diese Informationen können natürlich grundsätzlich auch nach dem MMS-Standard verteilt und nicht nur in Form eines Abonnements vermarktet werden, sondern auch mit einer Zahlung pro Nutzung.
Eine Stärke haben sowohl IP-TV als auch mobiles Fernsehen über das Handy gemeinsam: den Rückkanal. Damit bieten sich beide Medien grundsätzlich für interaktive Programme an, die im heutigen Kabelverteilfernsehen nur mit Aufwand zu realisieren sind. Auch bei der Ausstrahlung nach dem DVB-T-Standard muss man auf die Rückkanalfähigkeit verzichten
Das mobile Fernsehen per Handy hat neben dem Rückkanal auch noch den Ortsbezug. Damit lassen sich vermutlich neuartige Formen interaktiver Unterhaltung und Information realisieren. Für den Kreis der Spieleentwickler ist das sicher eine interessante Option. Damit das mobile Endgerät sinnvoll für Bewegtbildinformationen genutzt werden kann, ist schon bei der Produktion die Größe (bzw. die Kleinheit) des Displays zu berücksichtigen. Dies setzt spezielle Produktionen zusätzlich zum Standardfernsehangebot voraus und Redaktionen, die die Informationen beschaffen und aufbereiten. Die Informationsinhalte können entsprechend der Zielgruppeninteressen recht vielfältig sein: Sportergebnisse, Wirtschaftsnachrichten, Börsenkurse, Politiknachrichten, Veranstaltungen, Sonderangebote usw. usf.
Damit mobile Bewegtbildangebote erfolgreich angenommen werden, sind Unternehmen erforderlich, die die Diensteentwicklung, die Redaktion und die Produktion übernehmen. Selbst bei niedrigen Produktionskosten stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Nicht nur die absolute Größe der Zielgruppe ist zu berücksichtigen, sondern auch der Aufwand bei der vertrieblichen Bearbeitung und Ansprache der potenziellen Kunden. Im Bereich der Spieleindustrie ist dieses Risiko aufgrund der Erfahrungen mit den Spielekonsolen vermutlich geringer.
Neben der Größe des Displays könnte die Standzeit des Akkus möglicherweise ein limitierendes Element bei der Nutzung des Mobilfunkhandys als „Fernsehgerät“ sein. Zwar sind die Standby-Zeiten der Akkus in den letzten Jahren wesentlich besser geworden und erreichen Werte bis zu einer Woche; bei durchgehendem Sende- und Empfangsbetrieb und bei eingeschaltetem Farbdisplay dürfte sich dies aber schnell wieder in den Bereich von Stunden verkürzen. Und wenn dann nach längerem Fernsehkonsum wegen niedriger Akkuleistung kein Gespräch mehr geführt werden kann, wird man beim nächsten Mal vermutlich wieder zurückhaltender beim mobilen Fernsehgenuss sein.
Die bessere Alternative zu mobilem Fernsehen ist auf absehbare Zeit sicherlich DVB-T, zumindest in den Regionen, in denen es empfangbar ist. Die Anzahl der Sender ist ungleich größer, die Bildqualität um Quantenstufen besser und der Empfang ist – bis auf die Rundfunkgebühr – kostenfrei.
Fazit: Potenzial mit Hindernissen
Triple Play ist ein auf Convenience ausgerichteter Dienst, der einen flexiblen Abruf von speziellen Inhalten zu jedem beliebigen Zeitpunkt und, je nach Ausgestaltung, an fast jedem Ort ermöglicht. Die Angebotsbündelung von Telefonie, Internet- und Fernsehnutzung ermöglicht Pakete mit einer gemeinsamen Rechnung und transparenten Preisstrukturen. Obwohl die Einführung von Triple Play bislang nur angekündigt wurde, ist an einem Erfolg kaum zu zweifeln. Eine wichtige Voraussetzung ist ein Breitbandzugang mit mehr als 25 MBit/s., der z.B. über VDSL und den Glasfaseranschluss zum Haushalt möglich wird. Für die portable Nutzung mit einem WiMAX– oder Mobilfunkanschluss eignet sich Triple Play aber eher nicht.
Für IP-TV sind interessante Marktpotenziale zu erwarten, insbesondere im Bereich der Business-to-Business– und der Business-to-Consumer-Anwendungen. Im Bereich des traditionellen Fernsehens bietet IP-TV für klassische Netzbetreiber und MVNOs eine Möglichkeit zum Einstieg in Triple-Play-Angebote über Breitbandzugänge.
Für die mobile Bewegbildübertragung sind die potenziellen Anwendungen zwar durchaus vorstellbar. Ob sich eine wirtschaftliche Umsetzung mit zielgruppenspezifischen Angeboten ergibt und welche Anwendungen tatsächlich eine hinreichend große Zielgruppe finden, bleibt abzuwarten. Der Spielebereich wird aber vermutlich entsprechende Produkte anbieten, die die Interaktionsfähigkeit nutzen, vielleicht auch den Ortsbezug.
Die besondere Stärke von IP-TV und mobilem Fernsehen ist auf jeden Fall die Rückkanalfähigkeit, die als Basis für neuartige Informations- und Unterhaltungsformate dienen kann, die sich deutlich vom heutigen Verteilfernsehen unterscheiden.