Das Smartphone holt den Zimmerschlüssel
Dienstreisen könnten so einfach sein: Wenn Sie morgens am Bahnhof noch schnell einen Kaffee trinken wollen, kramen Sie nicht mehr lange nach Kleingeld, sondern bezahlen einfach mit Ihrem Smartphone. Auch das Bahnticket und die Fahrkarte für den anschließenden Bus brauchen Sie dank Touch & Travel nicht mehr vorab zu kaufen; Sie nutzen wieder Ihr schlaues Telefon als Ticket.
Nach der Ankunft geht das Einchecken im Hotel wie durchgewunken, denn Sie melden sich mit Ihrem Smartphone an und bekommen auch gleich den „Zimmerschlüssel“ auf Ihr intelligentes Mobiltelefon geladen. Und wenn Sie glücklich wieder zu Hause sind, erinnert Sie ein Kühlschrankmagnet daran, dass Sie noch Pizza kaufen wollten. Möglich macht dies alles eine Technik namens Near Field Communication (NFC).
Die magischen vier Zentimeter
NFC-Chips, die z.B. in Smartphones integriert werden können, ermöglichen diese so genannte „Nahfeldkommunikation“. Darunter versteht man den drahtlosen Datenaustausch zwischen Geräten über eine Distanz von maximal 4 cm. Wenn Sie mit Ihren NFC-Smartphone also vor einer NFC-fähigen Kasse stehen, können Sie auf kurzem Weg bezahlen: per Datenübertragung.
So nutzen Sie Ihr NFC-Smartphone (nach entsprechender Registrierung) als Ticketersatz bei der Bahnfahrt, so melden Sie Ihre Bahnreise einfach an einem NFC-Kontaktpunkt am Startbahnhof an und am Zielbahnhof melden Sie sich wieder ab, im Vorbeigehen sozusagen. Die Kosten für die Reise werden abgebucht.
Kurz genug ist noch nicht sicher
NFC gilt als eine wichtige Funktion für mobile Endgeräte, mit der gerade im Bereich mobile Payment viele Projekte starten, sei es als kontaktlose Bezahlfunktion der Deutschen Kreditwirtschaft (girogo) oder als bargeldloses Bezahlsystem in der Dresdener Neustadt (Viertel.Dollar).
Gerade die Anwendung für mobile Zahlungen lässt jedoch Befürchtungen wach werden, dass Daten bei der Übertragung abgefangen werden könnten, wenn es keine Verschlüsselung durch die jeweiligen Anwendungen gibt. Das Argument, die Kürze der Übertragungsstrecke lasse das Abfangen von Daten nicht zu, reicht den interessierten Nutzern nicht.
Die Mobilbranche ist skeptisch
Eine Umfrage von Faktenkontor und Toluna hat gezeigt, dass die Mehrzahl der Anwender noch Sicherheitsbedenken hegt, wenn es um das Bezahlen per NFC geht: 61 % der Deutschen können sich derzeit nicht vorstellen, ihre Einkäufe an der Ladentheke auf diese Weise zu begleichen. Weitere 11 % sind unentschlossen. Die verbleibenden 28 % würden das Verfahren nutzen.
Auch wenn sich laut Berg Insight die Zahl der NFC-fähigen PoS-Terminals 2011 auf 2,5 Mio. weltweit verdoppelt haben soll, so weist eine Expertenbefragung des Bundesverbands Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW) darauf hin, dass NFC für die mobile Branche eine geringere Bedeutung haben könnte als ursprünglich erwartet: Nur rund 27 % der befragten Profis halten NFC-fähige Endgeräte für einen Erfolgsfaktor im M-Commerce, bei NFC-fähigen PoS-Systemen sind es sogar nur 22 %. Zum Vergleich: Die schnelle, mobile Datenübertragung mit LTE schätzen mehr als 40 % der Befragten als wichtig ein.
Sicherheit stärker kommunizieren
Damit sich die vielfältigen NFC-Anwendungsmöglichkeiten den Anwendern in Zukunft wirklich nahe bringen lassen, müssen die Projekte mehr über die Sicherheitsvorkehrungen aufklären. Was für die NFC-Sicherheit zu tun ist, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schon mehrfach betont, z.B. in der Broschüre „Drahtlose Kommunikationssysteme und ihre Sicherheitsaspekte“ und in der Technischen Richtlinie TR 03126-1 für das Einsatzgebiet „eTicketing im öffentlichen Personenverkehr“.
Wenn NFC in der Anwendung sicher ist, könnte die Technologie selbst zum Sicherheitsfaktor werden, um z.B. Unbefugten den Einblick in vertrauliche Ausdrucke zu verwehren. So könnte man per NFC den Druckvorgang eines persönlichen Dokuments erst dann aktivieren, wenn der Urheber seinen Funkchip unmittelbar vor den Printer hält, wie dies z.B. für den Vodafone Campus geplant ist.
Fazit: Wie ein Joystick für die Wirklichkeit
Mit sicheren NFC-Anwendungen, denen die Anwender vertrauen, ließen sich auch spannende Möglichkeiten im Location Based Marketing (LBM) umsetzen, wie sie Trevor Crotch-Harvey und Glenn Needham in ihrem Whitepaper von Fenbrook Consulting beschreiben. Dazu gehören z.B. Werbetafeln, die mit NFC-Gutscheinen Passanten ins Ladengeschäft locken, oder der Abruf von Produktinformationen, wie man ihn von QR-Codes her kennt. Auch das Daumen-hoch-System à la Facebook ließe sich en passant für Dienstleistungen, Produkte und Events umsetzen, so dass ein geortetes Smartphone als Popularitätsdetektor funktionieren könnte. Das alles hängt jedoch maßgeblich davon ab, wie geneigt sich die Nutzer von Mobilgeräten zeigen, ihren Standort bestimmen zu lassen.
Near Field Communication hat von der Technik her das Zeug dazu, Wirklichkeit und Cyberspace einander näher zu bringen. In bestimmten Bereichen könnte es auch seine Vorteile gegenüber RFID ausspielen. Wenn es aber bei der mobilen Werbung, der mobilen Bezahlung, in der Zugangs- und Zutrittskontrolle und fürs mobile Ticketing wichtig werden will, muss NFC aber zuerst die Sorgen der Kunden ernst nehmen und die Kundendaten entsprechend schützen.
Oliver Schonschek bewertet als News Analyst auf MittelstandsWiki.de aktuelle Vorfälle und Entwicklungen. Der Fokus liegt auf den wirtschaftlichen Aspekten von Datenschutz und IT-Sicherheit aus dem Blickwinkel des Mittelstands. Er ist Herausgeber und Fachautor zahlreicher Fachpublikationen, insbesondere in seinem Spezialgebiet Datenschutz und Datensicherheit.
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