IoT-Architekt und Maschinenlehrer
Von Friedrich List
Im Bericht des US-amerikanischen IT-Interessenverbands CompTIA für 2017 listen die Experten eine Reihe neuer Berufsbilder, deren Bedeutung in Zukunft wachsen wird. Projekte und technologische Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens etwa haben zu Jobprofilen wie dem Cognitive Computing Engineer oder dem Machine Learning Specialist geführt. Auch die Blockchain-Technologie sorgt für neue Arbeitsfelder – z. B. den Blockchain Engineer, der sie für ein breites Spektrum von Anwendungen nutzbar macht. Zu den stark nachgefragten Funktionen auf Vorstandsebene gehören Chief Analytics oder Chief Data Officers und das Internet der Dinge erfordert neuerdings den Internet of Things Architect. Da ist der Data Scientist, den es erst seit knapp eineinhalb Jahrzehnten gibt, schon ein alter Hut, obwohl auch diese Spezialisten weiterhin intensiv gesucht und gut bezahlt werden.
Cognitive Computing
Noch sind nicht alle dieser Profile klar konturiert. Der Cognitive Computing Engineer etwa geht auf das IBM-Projekt Watson zurück, für das der US-Konzern selbst noch Spezialisten und neue Geschäftsfelder sucht. Seine Aufgaben bestehen vereinfacht gesagt darin, Software für intelligente Systeme und maschinelles Lernen zu entwickeln. Was dieser Job genau leisten soll und wo seine Verantwortlichkeiten liegen, muss sich aber noch zeigen. Sicher ist, dass die Bedeutung von Cognitive Computing und maschinellem Lernen weiter wächst.
Die Anforderungen in diesem Feld gehen laut Jim Spohrer, dem Direktor von IBMs Universitätsprogrammen, über eine pure Big-Data-Spezialisierung hinaus: „Ein wesentlicher Teil ist Datenpflege. Man kann kein kognitives System bauen, ohne sich Gedanken über einen Bestand von Dokumenten oder Websites zu machen.“ Die Watson Health Group beschreibt in einer Stellenanzeige, welche Kenntnisse Bewerber brauchen: „Kandidaten sollten einen praxisorientierten Bezug zur Technologie haben. Der umfasst unstrukturierte Daten, statistische Extraktion, maschinelles Lernen, natürliche Spracherkennung und Suchen.“ Cognitive Computing kann in vielen Branchen zum Einsatz kommen, etwa in der Finanzplanung, in der Industrie oder in der Medizin. Aktuelle Anwendungen finden sich in Webshops oder in Suchmaschinen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Verteilte Netzwerke
Bereits seit einigen Jahren macht die sogenannte Blockchain-Technologie von sich reden. Als eigenständigen Titel gibt es den Blockchain Engineer allerdings noch nicht, aber Softwareentwickler und andere Spezialisten, die sich mit dieser Technologie auskennen, sind gefragt. In den USA suchen gegenwärtig über 200 Firmen nach Fachkräften, die für sie Online-Handelsplätze, sichere Kreditkarten und Anwendungen im Finanzbereich entwickeln. Auf der US-Website dice.com schrieb das Unternehmen CyberCoders eine Stelle für einen Ingenieur mit Blockchain-Kenntnissen sowie Erfahrungen mit Python, bitcoins und verteilten Systemen aus. Als Gehalt war eine Spanne von 150.000 bis 170.000 US$ pro Jahr angegeben. Die deutsche Jobsuchmaschine kimeta.de listete in diesem Februar 94 offene Stellen für IT-Experten mit Blockchain-Know-how. Die ausschreibenden Unternehmen kommen aus fast allen Branchen, die Automobilindustrie ist ebenso dabei wie Systemhäuser und Beratungsfirmen.
Neuer Job im Vorstand?
Mehrere Hierarchieebenen höher angesiedelt sind Chief Analytics Officers und Chief Data Officers. Dabei trägt der CAO die Verantwortung für die Datenanalyse und muss sich mit statistischen Analysen, Marketing, Finanzen und Betriebswirtschaftslehre auskennen. Je nach Unternehmen gehört er dem Board of Directors an. Der CDO ist im englischsprachigen Raum ein Manager, der allgemein für die Datenverarbeitung und -gewinnung zuständig ist. Er untersteht meist direkt dem Chief Executive oder dem Chief Technology Officer.
Gartner sieht die Bedeutung dieser beiden Funktionen stark wachsen. Das US-Marktforschungsunternehmen schätzt die Zahl der CDOs und CAOs bislang auf etwa 1000 weltweit. Rund 60 % von ihnen arbeiten in den USA. Bis Ende 2018 soll sich die Zahl verdreifachen. Gartner sieht hier einen wachsenden Verantwortungsbereich, der von neuen Digital-first-Geschäftsmodellen über das Monetarisieren von Informationen und Algorithmen bis hin zu Datenanalyse und Corporate Governance reicht.
Big Data und das IoT
Während die Chefstellen naturgemäß selten offen ausgeschrieben werden, wird der Markt für Internet-of-Things-Experten immer größer und dynamischer. In den USA brauchen Unternehmen Spezialisten, die ganze IoT-Netze konzipieren können und obendrein wirtschaftliche und kommunikative Fähigkeiten aufweisen. So suchte Verizon jüngst einen IoT Solutions Architect, der neben breiten IT-Kenntnissen auch Wissen über Preisgestaltung, Ertragsanalyse und finanzielle Vorhersagen mitbringen sollte.
Nach einer Analyse der Meta-Jobsuchmaschine Joblift aus Berlin wächst die Zahl der offenen Stellen in diesem Bereich auch in Deutschland überdurchschnittlich stark. Das Wachstum konzentriert sich vor allem auf den Süden Deutschlands und auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Im vergangenen Jahr waren 2573 IoT-Stellen auf Joblift ausgeschrieben. Allerdings wurden zur gleichen Zeit rund 9000 Cloud-Computing-Spezialisten und genauso viele Experten für IT-Sicherheit gesucht. Das Ungleichgewicht mag daran liegen, dass das IoT eine relativ junge Entwicklung ist. Trotzdem wächst die Zahl der IoT-Stellen mit rund 9 % im Jahr schneller als die der Jobs in anderen Bereichen. Gesucht wird üblicherweise nach Softwareentwicklern, aber auch Positionen im Management, in der Technik, in der Kundenbetreuung oder im Vertrieb stehen im Angebot. Dabei entstehen die Stellen primär bei drei großen Unternehmen. An der Spitze liegt Bosch mit 455 Stellen, gefolgt von der Deutschen Telekom und Daimler.
Gemessen an der relativen Neuheit des IoT oder der Blockchain-Technologie zählen Data Scientists mittlerweile schon zu den IT-Veteranen. Dennoch hat der Hype um Big Data dazu geführt, dass sie und ihre Kenntnisse in der Beschaffung, Pflege und Interpretation großer Datenmengen immer gefragter werden. Dahinter stecken beeindruckende Zahlen: Täglich fallen weltweit 2,5 Quintillionen Bytes (2,5 Millionen Terabytes) an Daten an. Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology haben errechnet, dass diese Menge bis 2020 um 2000 % wachsen wird. Dementsprechend wichtig sind Experten, die mit Datenarchitekturen und umgehen können. Das gilt für die Industrie genauso wie für die Logistikbranche oder den Gesundheitsbereich. Nicht zuletzt deshalb hat noch die alte US-Regierung im November 2016 angekündigt, dass sie die universitäre Ausbildung für Data Scientists mit rund 37 Millionen US-Dollar unterstützen will.
Das kommt mir entgegen
Auch in Deutschland sind in den letzten Jahren sowohl Studiengänge als auch Fortbildungsmöglichkeiten entstanden. So bietet die Universität Konstanz seit dem Wintersemester 2013/2014 das Masterprogramm Data Analysis an. Die Philipps-Universität in Marburg hat sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterstudiengang im Angebot. Hinzu kommen Angebote an der TU Dortmund und an der Universität Jena. Wer bereits im Beruf steht, kann sich beim Fraunhofer-Institut in der Nähe von Köln oder bei der Data Science Academy in Karlsruhe fortbilden. Auch Online-Akademien wie openHPI, coursera und udacity bieten Kurse an. Einer erfolgreichen Neuorientierung steht also auch hierzulande nichts mehr im Wege.
Friedrich List ist Journalist und Buchautor in Hamburg. Seit Anfang des Jahrhunderts schreibt er über Themen aus Computerwelt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raumfahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Internationalen Raumstation. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.