Wie die Mühlen des Gesetzes mahlen
Von Sabine Philipp
Der Rechtsstaat verliert sich für den Laien oft in einem unüberschaubaren Dickicht von Vorschriften und Bestimmungen. Wer weiß schon, was eigentlich der Unterschied zwischen einem Gesetz und einer Verordnung ist?
Nachdem es im ersten Teil der Serie um die Standardisierung ging, klärt nun der zweite Teil über die verschiedenen Regelwerke der Rechtsprechung sowie die Hierarchie der Instanzen auf und sagt, was im Zweifelsfall zu beachten ist.
Europa geht vor
Die größte Schlagkraft haben EG-Verordnungen (umgangssprachlich oft als EU-Verordnungen bezeichnet). Sie gelten automatisch auch für die Bundesrepublik, ohne dass sie erst in nationales Recht umgewandelt werden müssen. Die gesetzgeberische Verantwortung für sie trägt das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union. Ein Beispiel für eine EG-Verordnung wäre etwa REACH.
Bei den EG-Richtlinien werden nur die Ziele vorgegeben. Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen diese dann in nationalen Gesetzen ausformulieren. Dabei haben sie etwas Spielraum und können die Details selber regeln. Manchmal schießt der eine oder andere Staatsapparat jedoch ein wenig über das Ziel hinaus, so geschehen beim deutschen Antidiskriminierungsgesetz. Hier wurde die Vorgabe strenger umgesetzt, als es eigentlich nötig gewesen wäre.
Teil 1 erklärt, welchen Status Standards haben und worauf Sie bei der Umsetzung achten müssen. Teil 2 bringt Licht ins Dickicht der Verordnungen und gesetzlichen Regelungen. Damit Sie wissen, was gilt.
Die Pyramide der Gesetze
Auf nationalstaatlicher Ebene dominiert das deutsche Grundgesetz unsere Rechtsordnung. Alle anderen deutschen Gesetze und Verordnungen, die nicht mit ihm in Einklang stehen, sind ungültig. Im Zweifel entscheidet darüber das Bundesverfassungsgericht.
In der Normenhierarchie folgen darauf die formell verabschiedeten Bundesgesetze. Das sind jene Gesetze, die den langen Weg eines Gesetzgebungsverfahrens durch den Bundestag gehen und denen der Bundesrat zustimmen muss.
Auf der nächsten Stufe stehen die Bundesverordnungen. Im Prinzip sind Verordnungen eigentlich auch Gesetze (im materiellen Sinn), die aber aus praktischen Gründen nicht in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Häufig beschäftigen sie sich mit Detailfragen, mit denen sich das Parlament aus zeitlichen Gründen nicht befassen kann. Hier haben die Exekutivorgane, also Ministerien und Verwaltungsbehörden, viel zu sagen.
Schließlich folgen in der Rangordnung die jeweiligen Landesverfassungen, die formellen Landesgesetze und -verordnungen. Das Schlusslicht bilden dann die kommunalen Satzungen.
Die Treppe der Instanzen
Eine nicht zu vernachlässigende Rolle in der Rechtsprechung spielen bereits gültige Gerichtsurteile. Wenn Sie etwa mit Ihrem Finanzamt im Clinch liegen, weil es einen Posten bei Ihrer letzten Einkommenssteuererklärung nicht anerkennen will, kann ein Verweis auf ein Urteil, in dem über einen identischen oder sehr ähnlichen Sachverhalt in Ihrem Sinne entschieden wurde, Wunder wirken.
Auch bevor Sie klagen, sollten Sie sich die betreffenden Urteile zum Thema anschauen. Richter orientieren sich nämlich gerne an Entscheidungen, die andere Kollegen bereits zur Sache getroffen haben. Das gilt besonders dann, wenn es sich um Urteile der obersten Bundesgerichte handelt.
Denn auch bei den Gerichten gibt es Hierarchien. So gilt das Urteil eines einfachen Amtsgerichts vergleichsweise wenig. Wird über dieselbe Sache an einem Landgericht noch einmal gerichtet, hat das in der Regel aufhebende Wirkung für das Urteil des Amtsgerichts. Amtsgericht und Landgericht fallen unter die ordentliche Gerichtsbarkeit. Hier werden Zivilrechts- oder Strafrechtsverfahren verhandelt. Über dem Landgericht steht noch einmal das Oberlandesgericht. Und darüber thront schließlich der Bundesgerichtshof.
Das System der Zuständigkeiten
Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind für bestimmte Bereiche gesonderte Gerichte zuständig. Da wäre zum einen das Arbeitsgericht. Seine Urteile werden, der üblichen Hierarchie folgend, vom Landesarbeitsgericht und dessen Entscheidungen wiederum vom Bundesarbeitsgericht gestochen.
Bei Verwaltungsangelegenheiten ist das Verwaltungsgericht zuständig, über dem das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht stehen. Wenn es um Geld, Steuern oder Zölle geht, kommen die Finanzgerichte und gegebenenfalls der Bundesfinanzhof ins Spiel. Die Urteile vom Sozialgericht werden nötigenfalls vom Landessozialgericht und anschließend vom Bundessozialgericht korrigiert.
Fazit: Auf Aktualität und Hierarchien achten
Insgesamt ist es also kein Wunder, dass in Rechtsfragen gilt: Am besten nichts ohne Beistand unternehmen. Wenn Sie aber zuvor schlau machen wollen und sich an einem Urteil orientieren wollen – und es sich nicht gerade um eine Grundsatzfrage handelt – sollten Sie darauf achten, dass es halbwegs aktuell ist. Denn Gesetze veralten erstaunlich schnell. Ebenso ist es sinnlos, wenn Sie sich auf ein Urteil Ihres heimatlichen Amtsgerichts berufen, obwohl der Bundesgerichtshof bereits eine ganz andere Entscheidung getroffen hat. Falls Ihnen aber Ihr Amtsgericht eine Strafe aufbrummt, die Ihnen absolut ungerechtfertigt erscheint, kann es sich durchaus lohnen, die nächsthöhere Instanz anzurufen.
Bei Klagen gegen Bundesgesetze haben Sie hingegen kaum eine Chance. Es sei denn, Sie entdecken eine Diskrepanz zum Grundgesetz. Dann steht es Ihnen frei, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu erheben. Seine Entscheidung ist dann endgültig bindend.