Erst die Enterprise Edition ist kostenpflichtig
Von Roland Freist
Bereits zum zehnten Mal lud die Organisation pro Software Escrow e.V. (OSE) im Januar 2015 zu ihrem jährlichen Symposium. Auf die knapp 100 Teilnehmer warteten in diesem Jahr Vorträge und Diskussionen zum Thema „Escrow und Nachhaltigkeit von IT-Geschäftsmodellen“. Einer der Sprecher war Prof. Dr. Dirk Riehle, der am Informatik-Department der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg eine Professur für Open-Source-Software innehat. Sein Vortrag beschäftigte sich mit dem Thema „Welche Open-Source-Geschäfts- und -Lizenzmodelle verdienen in der Praxis Geld?“
Laut Prof. Riehle wird Open-Source-Software über die Lizenz definiert, die Rechte und Pflichten des Benutzers festlegt. Wichtige Kriterien für Open-Source-Lizenzen sind, dass sie eine freie Verwendung der Software erlauben, dass der Source Code verfügbar ist, dass sie Veränderungen am Code ermöglicht und dass eine Verbreitung des modifizierten Programms möglich ist.
Die Entwickler sitzen in den Unternehmen
Entgegen weit verbreiteter Auffassungen wird Open-Source-Software in erster Linie von Unternehmen entwickelt. Eine Untersuchung der Beiträge zum Linux-Kernel 2.6.20 ergab, dass 65 % von Firmenangestellten stammten – sie wurden anhand ihrer E-Mail-Adressen identifiziert (z.B. xy@ibm.com). Tatsächlich dürfte der Anteil der professionellen Entwickler sogar noch höher liegen, da vermutlich einige ihre Beiträge unter ihrer privaten E-Mail-Adresse abgeschickt hatten. Auch eine Untersuchung von Prof. Riehle selbst liefert Indizien, dass Open-Source-Software nicht von Programmierern in ihrer Freizeit, sondern von professionellen Entwicklern im Auftrag ihrer Arbeitgeber geschrieben wird. So ergab eine Auswertung der Zeiten, zu denen die Beiträge eintrafen, dass die Entwickler vor allem zu den normalen Bürozeiten zwischen 8 und 18 Uhr und an Werktagen tätig waren.
Prof. Dr. Dirk Riehle hat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die erste deutsche Professur für Open-Source-Software inne. Zuvor war er Leiter der Open Source Research Group der SAP Labs in Palo Alto. Prof. Riehle ist u.a. Begründer des Open Symposiums, außerdem maßgeblicher Architekt der ersten UML Virtual Machine. Mehr zur Person: dirkriehle.com und Tweets von @dirkriehle. Seine Open Source Research Group an der Universität Erlangen-Nürnberg konzentriert sich auf die Erforschung von Open-Source-Prozessen, -Praktiken, -Projekten und -Werkzeugen; sie unterstützt dabei aktiv Entrepreneurship und Unternehmertum bei den Studierenden. Die Studierenden organisieren sich in Teams, die jeweils ein vorgegebenes Projekt abarbeiten. Dabei sind Industriepartner herzlich eingeladen, die Patenschaft für eigene Themen zu übernehmen.
Studierende entwickeln üblicherweise Software, die auf Open-Source-Software wie Linux oder Android aufsetzt, z.B. Webdienste oder Apps. Das betreuende Unternehmen wie auch die am Projekt beteiligten Studierenden erhalten ein nicht-exklusives Copyright an der Software. Die zugesprochenen Rechte erlauben es, die Software proprietär weiterzuentwickeln. Mehr dazu: osr.informatik.uni-erlangen.de und im AMOS-Blog osr.cs.fau.de/category/teaching/amos/.
Im Folgenden beschäftigte sich der Vortrag mit den verschiedenen Geschäftsmodellen rund um Open Source und nahm sich zunächst die „Single-Vendor Open Source Firms“ vor. Es handelt sich dabei um kommerzielle Open-Source-Projekte, die einer einzigen Firma gehören. Diese Unternehmen ziehen unmittelbar Gewinn aus der Software (oder streben das zumindest an). Das Geschäftsmodell sieht dabei meist so aus, dass die Software parallel in einer Community- und einer Commercial-Edition vertrieben wird. Die Community-Edition umfasst lediglich das Kernprodukt, das unter eine Open-Source-Lizenz gestellt wird. Die Commercial-Edition hingegen läuft unter einer kommerziellen Lizenz und bietet z.B. zusätzliche Enterprise-Features für Unternehmen. Hinzu kommen regelmäßige Updates, Support- und Consulting-Vereinbarungen.
Nicht ohne Schutz des geistigen Eigentums
Voraussetzung ist dabei, dass das geistige Eigentum an der Software beim Unternehmen verbleibt. Dazu wird festgelegt, dass das Copyright an sämtlichen Code-Beiträgen von Außenstehenden automatisch an die Firma übergeht. Beispiele für Software mit entsprechenden Vereinbarungen wären MySQL oder Jaspersoft.
Bis sie ihre Produkte verkaufen können, müssen die Hersteller jedoch viel Geduld aufbringen. Die Open-Source-Version der Software dient dabei quasi als Türöffner. Unternehmen setzen sie zunächst probeweise, später regelmäßig ein. Irgendwann wird sie fester Bestandteil der Software-Ausstattung. Sobald dieser Punkt erreicht ist, wollen die IT-Abteilungen nicht mehr auf das Programm verzichten und es mitsamt Support-Vertrag fest lizenzieren. Parallel dazu analysieren die Hersteller oft die Anwender ihrer Programme, identifizieren die Verantwortlichen und gehen gezielt auf die Kunden zu.
Als zweites Geschäftsmodell im Open-Source-Umfeld nannte Prof. Riehle die Distributionen. Das bekannteste Beispiel dafür ist Linux, das von mehreren Herstellern, aber auch nicht-kommerziellen Organisationen in eigenen Varianten angeboten wird. Die Eigenleistung des Anbieters, für die in vielen Fällen auch Geld verlangt wird, besteht u.a. in der Integration der zahllosen Komponenten in das Betriebssystem.
Foundations entwickeln auf eigene Faust
Zum Schluss seines Vortrags ging Prof. Riehle noch auf die nicht-kommerzielle Open-Source-Entwicklung ein. Er unterschied dabei zwischen „Developer Foundations“ (Entwicklerkonsortien) und „User Foundations“ (Anwenderkonsortien).
In der ersten Variante werden die Open Source Foundations gegründet, um gemeinsam Software zu entwickeln und sie anschließend den eigenen Mitgliedern sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dahinter steht oft der Wunsch, sich einem marktbeherrschenden Hersteller und seinen kommerziellen Produkten zu entziehen und eine Alternative zu finden. Open-Source-Software hat dabei den Vorteil, dass sie lizenz- und patentrechtlich einfacher zu verwalten ist.
Anwenderkonsortien hingegen werden oft gegründet, um aus der Falle des Vendor-Lock-in herauszukommen, also dem Effekt, dass der Wechsel zur Software eines anderen Herstellers so teuer wird, dass die Kosten höher sind als der Nutzen.
Fazit: Erfolgreiche Geschäftsmodelle für Open Source
In der Zusammenfassung wies Prof. Riehle darauf hin, dass bei der Entwicklung von Open-Source-Software meist doppelte Kosten anfallen, nämlich zum einen für die Finanzierung der Programmierer, die für das Projekt abgestellt werden, und zum anderen durch die daran anschließenden, eigenen Anpassungen. Dennoch habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass das Ergebnis preiswerter sei, als in einem Vendor-Lock-in zu verharren.
Open Source biete heute ein festes rechtliches Grundgerüst und ein erprobtes Modell für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Die Vorteile seien in erster Linie die schnellere Entwicklung bei gleichzeitig niedrigeren Kosten, ein preiswerteres Management sowie die höhere Rechtssicherheit gegenüber kommerzieller Software. Mit dem Slogan „Open Source is here to stay“ schloss der Vortrag ab.
Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikationswissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vaterstetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stellvertretenden Chefredakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computerzeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezialgebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netzwerke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.
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