Open-Source-Unternehmensportale, Teil 2

Was Portale können müssen

Von Oliver Jendro

Dass es Unternehmensportale auch auf Basis von Open Source nicht geschenkt gibt, hat Teil 1 gezeigt. Am stärksten ins Gewicht fallen die Folgekosten, namentlich für den Support. Woran Sie taugliche Entwicklungen erkennen und wie sich der Markt gliedert, sagt dieser Teil der Serie.

Serie: Open-Source-Unternehmensportale
Teil 1 gewichtet Lizenz­gebühren und Folge­kosten von Open-Source-Lösungen. Teil 2 nennt drei ent­schei­dende Qua­litäts­kriterien und nimmt sich die Kan­di­daten einzeln vor.

Eines vorneweg: Das „beste“ Open-Source-Unternehmensportal gibt es ebenso wenig wie das beste Auto. Es kommt auf die Anforderungen an. Es gibt aber drei elementare Kriterien, die gute Open-Source-Anwendungen auszeichnen.

  • Der wichtigste Indikator für eine gute, zukunftssichere Open-Source-Software ist die so genannte Community. Freie Software lebt von einer motivierten Nutzergemeinschaft, einem harten Programmiererkern und programmierenden Usern, die aktives Bugfixing betreiben. Das Web findet rasch heraus, wie groß und aktiv die Community ist und wie schnell die Entwicklung vorangeht. Einen ersten Hinweis kann meist die Plattform www.sourceforge.net geben, die Heimat nahezu aller großen Open-Source-Projekte. Über eine Art Protokollfunktion lassen sich dort die Aktivität, die Anzahl der Bugfixes bzw. Releases einsehen und die Projekthomepage nach News absuchen.
  • Der zweite wichtige Punkt ist die Dokumentation. Zwar ist der Quellcode immer offen, doch das nützt meist wenig, wenn es an der Dokumentation für Installation und Betrieb mangelt. Häufig finden sich hierfür Wikis oder zumindest Supportforen bei großen Open-Source-Projekten. Andernfalls steigt der Zeit- und Kostenaufwand für die Einarbeitung in die Software immens.
  • Einen dritten Hinweis auf die Qualität geben die Projekthomepage und die Referenzliste. Die Projektwebseite sollte aktuell sein, eine Demofunktion zum Testen vorweisen und eine ausführliche Referenzliste liefern. In dieser sollten im besten Fall auch Unternehmen stehen. (Universitäten und Privatwebseiten haben ganz andere Anforderungen.)
Kriterien im Vergleich
Eine gute Über­sicht über die Funk­tionen bei Unter­nehmens­portalen bietet die Web­seite www.cmsmatrix.org; dort ein­fach die ent­sprechen­den OS-Unter­nehmens­portale aus­wählen und die Leistungs­merkmale vergleichen.

Neben diesen drei Hauptgesichtspunkten spielen natürlich die technischen Daten eine wichtige Rolle – aber erst dann, wenn im Unternehmen geklärt worden ist, welche technischen Kriterien wirklich unabdingbar, welche sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig und welche unter die Rubrik „nice to have“ fallen.

Produkte im Wettbewerb

Ganz vorne steht momentan Liferay, ein Projekt, das die genannten Kriterien gut erfüllt: Die Software verfügt über eine sehr gute Dokumentation, ist stabil und leicht ausbaubar, basiert auf Java EE, und es gibt zahlreiche Dienstleister, die Support, Programmierung und Beratung anbieten. Auch die hohe Anzahl an bereits verfügbaren Portlets wird gelobt; das erspart den Anwendern viel Entwicklungszeit. Kritiker bemängeln allerdings die Performance, besonders bei interaktiven Web-2.0-Oberflächen. Die Codestruktur, so Programmierer, ist im Kern vergleichsweise komplex, da sie zahlreiche Funktionen abbildet.

Auf Platz zwei der Beliebtheitsskala steht seit einiger Zeit das Projekt eXo Portal, derzeit in der Version 2.0 erhältlich. Die Software zeichnet sich durch eine flexible Oberfläche aus und basiert ebenfalls auf Java EE. Allerdings ist die Dokumentation dürftiger als bei Liferay und die Anzahl der verfügbaren Portlets ist geringer. Auch erreicht das Portal laut Experten nicht die Stabilität von Liferay.

GridSphere ist das Ergebnis eines durch die EU geförderten Projekts. Wie alle großen Open-Source-Portale basiert es auf Java EE und ist derzeit in der Version 3.0.5 erhältlich. Der Leistungsumfang ist sehr gut, auch wenn es deutlich weniger Applikationen als Liferay hat. Professionellen Support gibt es zwar, in Deutschland sind Dienstleister allerdings dünn gesät. Wer Gridsphere einsetzen möchte, sollte daher über eigene Kapazitäten im Bereich Java-Programmierung verfügen.

Das JBoss-Portal läuft auf dem populären JBoss Application Server, nutzt den Standard JSR 168 und ist ein stabiler, solider Grundstock für ein Unternehmensportal. Pluspunkte sind die hohe Verfügbarkeit und ein professioneller Support. In Funktionsumfang und in Sachen Oberfläche kann die Software aber eXo Portal und Liferay nicht das Wasser reichen.

Etwas abgeschlagen steht das Unternehmensportalprojekt Jetspeed-2 des Server-Entwicklers Apache da. Weder Funktionsumfang noch grafische Oberfläche entsprechen dem Standard, den eXo Portal und Liferay setzen. Trotzdem: Da das Projekt als technisch ambitioniert gilt und die Community beständig wächst, kann Jetspeed in Zukunft vielleicht genug Tempo machen, um die etablierten Systeme zu überholen.

Unsere Weiße Liste* der Open-Source-Unternehmensportale

  • eXo Portal 2.0 | Umfassende Dokumentation; mit Mailinglisten. Support in den Lizenzgebühren enthalten. Sprachversionen u.a. auf Englisch, aber nicht Deutsch. Standards: JSR 286, JSR 170, JSF. Portlets: > 40. Datenbank: HSQL DB, Apache Derby, IBM, Sybase, Hypersonic, MySQL, Oracle, Postgre-SQL, MS SQL Server 2005, MySQL 5.x. Applikationen:¹ Contact Management, Forum, Events Kalender, File Distribution, Groupware, Suchmaschine, Site Map, Mail Forum, Data Entry
  • GridSphere 3.1 | Wenig und teilweise veraltete Dokumentation; mit Wiki und Mailinglisten. Support durch Partnerfirmen, Remote-Support auf Stundenbasis € 75–180. In zwölf Sprachen, auch Deutsch. Standards: JSR 286, JSR 170, JSF, AJAX. Portlets: > 30. Datenbank: Von Hibernate unterstützte Datenbanken, z.B. JDBC, IBM DB2, MySQL,Oracle, Microsoft SQL Server, MaxDB. Applikationen:¹ Admin-Tools, News, Profile, Personalisierung, Ressourcenverwaltung, Aufgabenverteilung
  • JBoss Portal 2.6.5 | Umfassende Dokumentation; mit Wiki und Forum. Support von € 24–3600, ab 32 CPUs: € 8000–24.000. Auf Englisch, Deutsch, Französisch. Standards: JSR 286 Portlet 2.0, JSR 170, JSF, JMX 1.2. Portlets: > 20. Datenbank: Von Hibernate unterstützte Datenbanken, z.B. JDBC, IBM DB2, MySQL,Oracle, Microsoft SQL Server, MaxDB . Applikationen:¹ Google Gadgets, Personal Dashboard, News Portlet & News Page, Feeds
  • Jetspeed 2.1.3 | Dokumentation teilweise veraltet; mit Wiki und Mailinglisten. Support nur von Drittanbietern. Auf elf Sprachen, auch Deutsch. Standards: JSF, AJAX, PHP. Portlets: > 25. Datenbank: Derby, Hypersonic SQL, MySQL,Oracle, PostgreSQL, DB2, Sybase, SQL Server, MS SQL, MaxDB. Applikationen:¹ CMS, Kalender, Bookmark, Datenbank-Browser, RSS
  • Liferay Portal 5.0 | Umfassende und sehr aktuelle Dokumentation; mit Wiki und Forum. Support gestaffelt in Silver, Gold und Platinum, ohne Angaben von Kosten. In 22 Sprachen, auch Deutsch. Standards: JSR 170, JSR 220, JSR 127, JSF, AJAX. Portlets: > 60. Datenbank: DB2, Firebird, Hypersonic, InterBase, JDataStore, MySQL, Oracle, Postgre-SQL, SAP, SQL Server. Applikationen:¹ Collaboration Suite, Message Boards, Chats, Adressbücher, Polls, Meta-Tagging Support, Blogs & Wiki, Google Portlets, Finance & News Portlets

Quelle: Aktualisierte Übersicht nach dem Open-Source-Portalvergleich der Ancud IT-Beratung. Stand: 1. Mai 2008. * Alphabetisch sortiert. ¹ Beispiele.

Fazit: Offen und schlüsselfertig

Unterm Strich ist erstaunlich, dass Open Source mit kommerziellen Anbietern durchaus mithalten kann – manchmal sogar noch mehr. Allerdings versteht sich, dass ein Microsoft Office SharePoint Server mit Word und Excel natürlich am besten kann.

Open Source lohnt sich jedenfalls für alle, die entweder Know-how im Bereich Java-Programmierung im Haus haben oder zukaufen können. Ein weiter Knackpunkt sind unternehmenskritische Anwendungen, die nicht dem JSR-168-Standard entsprechen. Wo solche Software in ein freies Portal eingebunden werden muss, kann die Implementierung teuer kommen. Kommerzielle Software bietet hier meistens schon vorgefertigte Schnittstellen und Applikationen für die gängigste Unternehmenssoftware an.

Ein Kandidat wie Liferay beweist aber, dass Open Source auch im Bereich von Unternehmensportallösungen attraktiv ist – durch eine große Auswahl an Portlets, die weit vorangeschrittene Standardisierung und nicht zuletzt durch die freie Verfügbarkeit. Speziell bei Liferay kommt neben sehr guter Benutzeroberfläche und großem Funktionsumfang als Bonus noch der professionelle (aber kostenpflichtige) Service hinzu.

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