Einmal klappt es, einmal nicht
Von Roland Freist
Es kommt immer auf die Rahmenbedingungen an. Eine generelle Überlegenheit von Open-Source-Software zu behaupten, wäre ebenso falsch wie durchwegs lizenzpflichtige Standardsoftware zu empfehlen. Gut darstellen lässt sich das an den Beispielen der Stadtverwaltungen von Freiburg und München: Beide waren in den vergangenen Jahren von kommerzieller auf Open-Source-Software umgestiegen und haben damit ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Das Beispiel Freiburg
Im Juni 2007 hatte der Stadtrat von Freiburg im Breisgau einen grundlegenden Wechsel in der IT-Strategie in die Wege geleitet. Anstatt auf geschlossene, lizenzpflichtige Software sollte die Verwaltung in Zukunft auf offene Standards setzen. In der Folge wurde ein Umstieg von dem bislang verwendeten MS Office 2000 auf OpenOffice 3.2.1 beschlossen, als neues Standardformat sollte die Verwaltung ODF verwenden. Das Betriebssystem sollte jedoch nach wie vor Windows bleiben. Ein Umstieg auf Linux wurde zwar erwogen, allerdings nicht in Angriff genommen.
Nach und nach installierte die IT-Abteilung OpenOffice auf rund 2500 PCs und Thin Clients. Im November 2012 wurde dieses Experiment jedoch schon wieder beendet, der Gemeinderat entschied sich für eine Rückkehr zu MS Office und ein Upgrade auf die Version 2010. Was war passiert?
Teil 1 fragt sich, wo eigentlich Linux steckt. Die Antwort: In Serverschränken, Smartphones und in jeder Menge Unterhaltungselektronik. Teil 2 schildert anhand der Beispiele Freiburg und München, wie die Umstellung auf OpenOffice und Open-Source-Systeme laufen kann. Teil 3 erklärt, was bei solchen Projekten zu beachten ist. Außerdem wollen wir wissen, wo es quelloffene Software für Unternehmenszwecke gibt.
Mehrkosten im Doppelbetrieb
Einer der entscheidenden Punkte war, dass es nach dem Umstieg auf OpenOffice in der Verwaltung an vielen Arbeitsplätzen zu einem Parallelbetrieb mit MS Office kam. Denn etliche der Fachverfahren in den Ämtern arbeiteten nur mit den Microsoft-Programmen zusammen. Beim Datenaustausch mit den Applikationen von OpenOffice kam es immer wieder zu Problemen. Außerdem beklagten sich die Anwender über diverse technische Probleme und bemängelten das fehlende Datenbankmodul.
Ein von der IT-Abteilung in Auftrag gegebenes Gutachten kam 2012 zu dem Schluss, dass der Einsatz von OpenOffice die IT-Kosten sogar erhöht habe. Zwar habe man rund 800.000 Euro Lizenzkosten gespart, dem stünden jedoch 730.000 Euro für die Einführung des freien Office-Pakets entgegen. Die Effektivitätsverluste, die durch den Parallelbetrieb mit MS Office und die mangelnde Kompatibilität entstanden seien, bezifferten die Gutachter auf 2,5 Mio. Euro. Diese Kosten seien unter anderem dadurch zustande gekommen, dass die IT-Abteilung und der Support wesentlich stärker belastet wurden. Mit der Umstellung auf MS Office 2010 würden noch einmal Kosten in Höhe von rund 900.000 Euro entstehen.
Das Gutachten ging auch auf die mangelnde Kompatibilität zu den Microsoft-Anwendungen und den Fachverfahren ein. Die Autoren bezweifelten, dass diese Probleme in naher Zukunft gelöst würden, zumal die verwendete OpenOffice-Version 3.2.1 nicht mehr weiterentwickelt werde. Die Aufspaltung in die beiden getrennten Entwicklungslinien OpenOffice und LibreOffice werfe zudem Fragen zu der weiteren Entwicklung des Office-Pakets auf. Dieses Gutachten gab schließlich den Ausschlag dafür, dass Freiburg wieder zu den Microsoft-Produkten wechselte.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Das Münchener LiMux-Projekt
In demselben Monat, in dem der Freiburger Gemeinderat die Kehrtwende vollzog, meldete die Münchener Rathausumschau einen Erfolg: Die Ziele des LiMux-Projekts seien erreicht. Unter dem Namen „LiMux“ (zusammengesetzt aus Linux und München) hatte die IT der bayerischen Landeshauptstadt seit 2003 ein auf Debian GNU/Linux mit K Desktop Environment 3 und OpenOffice basierendes Arbeitsplatzsystem entwickelt. Letzter Stand im Herbst 2013 war, dass mehr als 15.000 PCs auf Open Source umgestellt wurden. Das LiMux-Projekt gilt damit als abgeschlossen. (Mittlerweile, Stand Herbst 2014, haben sich jedoch neue Entwicklungen zugetragen.)
Genau wie Freiburg hatte auch München das Problem, dass verschiedene Anwendungen nur mit Microsoft-Software zusammenarbeiteten. So sind z.B. die Verfahren der Bundesdruckerei für den elektronischen Reisepass auf eine Windows-Umgebung angewiesen, das Gleiche gilt für eine Software im Veterinärwesen. Auf beides hat die Stadt keinen Einfluss und muss daher weiterhin eine gewisse Zahl von Windows-Rechnern bereithalten.
Auch der Umstieg von MS Office auf OpenOffice bereitete anfangs etliche Probleme. Viele Anwender benutzten beispielsweise in Excel selbstgeschriebene Makros oder verwendeten die Tabellenkalkulation als Datenbankersatz.
Neue Glieder in der Prozesskette
Mit diesem Wildwuchs räumte die IT-Abteilung im Zuge der Umstellung auf. Als Ersatz stellte sie das neu programmierte Tool WollMux zur Verfügung, das u.a. die Arbeit mit Formularen erleichtert und eine vereinfachte Serienbrieffunktion bietet. Da auch WollMux unter einer Open-Source-Lizenz läuft, kann es kostenlos heruntergeladen, verwendet und angepasst werden.
- Was sich aus den Erfahrungen von Freiburg und München lernen lässt, fasst Teil 3 dieser Serie zusammen, die außerdem prüft, was Open Source im Bereich von Business Software zu bieten hat.
Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikationswissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vaterstetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stellvertretenden Chefredakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computerzeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezialgebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netzwerke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.
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