Strategische Unterstützung zahlt sich aus
Von Prof. Dr. Dirk Riehle*
Linux und Apache sind bekannte Open-Source-Beispiele, die in der gewerblichen Wirtschaft weit verbreitet sind. Am Anfang waren sie Freiwilligenprojekte ohne kommerziellen Rückhalt. Doch als man in den 1990er-Jahren erkannte, welche ökonomische Rolle sie spielen, entschieden sich Software-Entwickler und -Unternehmen dafür, die Zukunft dieser Vorhaben auf festeren Grund zu stellen und Non-Profit-Organisationen zu gründen. Es war die Stunde der Foundations.
Gemeinsame Interessen
Foundations fungieren als Sachwalter ihrer Projekte. Sie gewährleisten finanziellen Rückhalt und Rechtssicherheit und sorgen dafür, dass es weniger von Einzelnen abhängt, ob die Software überlebt. Wie eine Foundation genau ausgestaltet ist, hängt von den Zielen und Interessen der Gründer ab; in jedem Fall repräsentiert sie die Gemeinschaft der Entwickler. Die Software heißt daher auch Community Open Source.
Community Open Source unterscheidet sich von Open Source eines einzelnen Anbieters – vor allem darin, dass Einzelentwickler einen direkten Ertrag aus Softwareverkauf und zugehörigen Diensten erwarten. Bei gemeinschaftlicher Software ist das typischerweise nicht der Fall. Es gibt aber andere wirtschaftliche Gründe dafür, dass sich Software-Unternehmen zusammenschließen und Foundations unterstützen: Manche erwarten Kostensenkungen für Produkte, die der Gemeinschaftssoftware aufsitzen, andere erhoffen sich Mehrerlöse und Umsatzsteigerungen aus Zusatzprodukten und wieder andere wollen den Markt, den sie ansprechen, vergrößern.
Prof. Dr. Dirk Riehle hat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die erste deutsche Professur für Open-Source-Software inne. Zuvor war er Leiter der Open Source Research Group der SAP Labs in Palo Alto. Prof. Riehle ist u.a. Begründer des Open Symposiums, außerdem maßgeblicher Architekt der ersten UML Virtual Machine. Mehr zur Person: dirkriehle.com und Tweets von @dirkriehle. Seine Open Source Research Group an der Universität Erlangen-Nürnberg konzentriert sich auf die Erforschung von Open-Source-Prozessen, -Praktiken, -Projekten und -Werkzeugen; sie unterstützt dabei aktiv Entrepreneurship und Unternehmertum bei den Studierenden. Die Studierenden organisieren sich in Teams, die jeweils ein vorgegebenes Projekt abarbeiten. Dabei sind Industriepartner herzlich eingeladen, die Patenschaft für eigene Themen zu übernehmen.
Studierende entwickeln üblicherweise Software, die auf Open-Source-Software wie Linux oder Android aufsetzt, z.B. Webdienste oder Apps. Das betreuende Unternehmen wie auch die am Projekt beteiligten Studierenden erhalten ein nicht-exklusives Copyright an der Software. Die zugesprochenen Rechte erlauben es, die Software proprietär weiterzuentwickeln. Mehr dazu: osr.informatik.uni-erlangen.de und im AMOS-Blog osr.cs.fau.de/category/teaching/amos/.
Vorteil in der Gewichtung
Es gibt etliche wirtschaftliche Gründe, eine Open Source Foundation zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu unterstützen. In vielen Fällen geht es zuerst darum, Kosten zu sparen, indem man sich auf eine Plattform einigt und sich die Entwicklungsausgaben teilt. Das war z.B. in den späten 1990er-Jahren bei der GUI-Konsolidierung von Linux und Unix der Fall, die zu Gnome und dem K Desktop Environment führte, vertreten durch die Gnome Foundation bzw. KDE e.V. Das Argument kommt aber auch bei konsortialer Software-Entwicklung zum Tragen.
Darüber hinaus spielen Open Source Foundations eine wichtige Rolle im Wettbewerb. So ging es den ersten Unternehmensbeiträgen zu Linux und Apache darum, eine Alternative zu teuren Closed-Source-Lösungen zu unterstützen. Denn wer Business-Software verkauft, die ein Betriebssystem erfordert, wird mehr Kaufkraft für seine Produkte vorfinden, wenn den Käufern keine Kosten für Betriebssystemlizenzen entstehen. Der Kunde spart mit Open Source unmittelbar, der Software-Anbieter schafft sich kaufkräftigere Kunden – zulasten des Closed-Source-Anbieters. Genau das war z.B. die Taktik hinter der IBM-Förderung von Linux, als das IBM-OS/2 gegenüber Microsoft Windows ins Hintertreffen geriet.
Ein weiterer Effekt dieser Preisflexibilität ist, dass Software-Entwickler in der Folge neue Käuferschichten erschließen, nämlich genau die preisempfindlichen Segmente unterhalb der vorherigen Selbstkostenschwelle von Software und Betriebssystem. Unterm Strich gelingt es Software-Herstellern durch die Unterstützung von Open-Source-Alternativen, die Erträge aus einem Begleitprodukt eines anderen Herstellers auf sich selbst umzuleiten.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Mehr bringt noch mehr
Die Logik der Marktausweitung gilt prinzipiell für jede Art von Plattform, nicht nur für Betriebssysteme und Middleware. In den nächsten Jahren ist eine Vielzahl neuer (Open-Source-)Plattformen zu erwarten, ob für den Finanzdatenaustausch, die medizinische Bildgebung oder für Automotive-Schnittstellen. Überall gilt: Die Größe des Marktes, den ein Software-Unternehmen bedienen kann, hängt von der Plattform ab, auf der sie basiert. Je weiter verbreitet diese ist, desto besser. Insofern ist die Wahl einer Open-Source-Plattform für Hersteller direkt von Vorteil. Hinzu kommt, dass sie weitere Käuferkreise anziehen wird, wenn mehr und bessere Anwendungen verfügbar werden. Im Endeffekt vergrößert Software auf der Grundlage einer Open-Source-Plattform auf diese Weise den Absatzmarkt überproportional.
Die Teilhabe an der Entwicklung der Open-Source-Plattform liegt also im strategischen Interesse des Softwarehauses. Sie garantiert Sichtbarkeit bei potenziellen Kunden und verspricht außerdem hohe Qualität. Eine starke Position in der Foundation und in den Entwicklungsprozessen verschafft einen deutlichen Stellungsvorteil gegenüber späteren Mitbewerbern.
Fazit: Open-Source-Entscheidungshilfe
Jedes Unternehmen, das heute Software entwickelt, muss für sich beantworten, welche Open Source Foundation es unterstützt bzw. (falls nötig) gründet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Unternehmen kann direkte Einsparungen erwarten, eine bessere Marge im Verkauf, höhere Umsätze und obendrein eine Marktausweitung. Die einzig offene Frage ist die, wie viel man investieren möchte (und was man dafür erwartet).
Hierzu gibt es zum gegenwärtigen Stand der Forschung allerdings noch keine verlässlichen Rechenmodelle. Die Open Source Research Group an der Universität Erlangen-Nürnberg beschäftigt sich aber genau mit dieser Frage. Aktuelle Studienergebnisse macht die Forschungsgruppe in Zusammenarbeit mit der Open Source Business Foundation öffentlich zugänglich.
Nützliche Links
- Freeware, Shareware und freie Software
- Open Hardware/Open-Hardware-Förderung
- Open Source für Kommunen
- Open-Source-Geschäftsmodelle
- Open Source und die Software-Industrie
- Software-Urheberrecht
* Übers. aus d. Englischen: MittelstandsWiki. Den englischsprachigen Gesamttext dieser gekürzten Übertragung gibt es frei zugänglich im Riehle-Blog: „The Economic Case for Open Source Foundations“.