POC21: Wo ein Fahrradtraktor durchs Gemüsebeet ackert

„Eco hacking the future“ war das Motto des ersten POC21-Camps 2015. Das fünfwöchige Event war gezielt auf Erfindungen aus, die ohne Erdöl auskommen und dazu beitragen, die Wegwerfgesellschaft zu überwinden. Roland Freist stellt die Zehnliterdusche, den Bicitractor und weitere Open-Hardware-Innovationen vor.

Open Hardware bereitet eine bessere Zukunft

Von Roland Freist

Und es funktioniert tatsächlich: eine Dusche, die pro Duschgang lediglich 10 l Wasser verbraucht und gleichzeitig auch noch Energie spart. Die Showerloop leitet das Abwasser nicht in die Kanalisation, sondern reinigt es mit einem mehrstufigen Filtersystem und führt es in einem Kreislauf zurück, sodass es immer wieder neu aus dem Duschkopf strömt. Das Projekt wurde ersonnen von einem finnischen Team, das damit den weltweiten Wasserverbrauch senken und die Umwelt schonen will. Gebaut und vorgestellt hat es seine Dusche beim Innovationscamp POC21, das ab Mitte August 2015 auf dem Château de Millemont in der Nähe von Paris stattfand. Rund hundert Mitglieder europäischer Open-Source-Initiativen trafen sich dort, um gemeinsam ihre Ideen in konkrete Produkte umzusetzen.

Ebenfalls um die Wasseraufbereitung kümmert sich der Filter Faircap des peruanischen Wirtschaftswissenschaftlers Mauricio Cordova. Sein Gehäuse lässt sich mit einem 3D-Drucker herstellen, auch die Aktivkohle kann der Benutzer selbst erzeugen, sodass der Filter alles in allem nur etwa 1 US$ kostet. Der fertige Filter wird auf eine handelsübliche PET-Flasche geschraubt und verwandelt auch stark verschmutztes Wasser in Trinkwasser. Die Bauanleitung gibt es auf Deutsch und auf Englisch.

Windkraftanlage aus Recycling-Material

Zur Stromerzeugung aus einer regenerativen Quelle dient die Windturbine des Briten Daniel Connell. Sie kostet nur etwa 25 Euro und lässt sich von zwei Personen in rund sechs Stunden vorwiegend aus Recycling-Materialien zusammenbauen. Anschließend liefert sie etwa 135 W Leistung – genug, um etwa eine kleine Wasserpumpe oder zwei Kühlschränke zu versorgen. Wie bei allen anderen Projekten auch handelt es sich um Open Hardware, die Bauanleitung ist sowohl auf Deutsch wie auch auf Englisch verfügbar.

Ebenfalls für die Stromerzeugung entwarf ein Berliner Team SunZilla, einen mobilen Solargenerator, der sich in kürzester Zeit aufbauen lässt und anschließend eine Batterie lädt. Seine Energie kann man an sonnigen Tagen aber auch direkt nutzen, etwa zum Aufladen von Smartphones oder Notebook-Akkus.

Mit dem Fahrradtraktor ums Kleingewächshaus

Drei weitere Projekte haben sich dagegen Gedanken über nachhaltige Nahrungserzeugung und -versorgung gemacht. Die Macher von myfood haben ein Gewächshaus für kleinere Gärten entworfen, mit dem jeder seine Nahrung selbst anbauen kann. Es kombiniert einen Fischtank, der den Dünger liefert, mit Gemüsepflanzen und einem elektronischen Bewässerungssystem und lässt sich über Open Hardware weitgehend automatisch betreiben. Kitchen B wiederum will den Energieaufwand in der Küche verringern und greift auf ein altes Verfahren zur Aufbewahrung von Lebensmitteln zurück, um den Kühlschrank überflüssig zu machen. Ein mechanischer Mixer dient zum Zerkleinern der Lebensmittel, die Küchenabfälle werden als Dünger genutzt, etwa beim Anbau von Kräutern. Nach der Präsentation bei POC21 wurden die Erfinder von der europäischen Weltraumagentur ESA eingeladen.

Der Bicitractor des Designers und Erfinders Mathieu Grosche schließlich ist ein Traktor, der wie ein Fahrrad mit Muskelkraft angetrieben wird und sich vor allem für Kleinbauern mit Gemüsebeeten eignet, die sich keine großen Landmaschinen leisten können. Noch während des Camps gingen 50 Vorbestellungen von einem lokalen landwirtschaftlichen Kollektiv ein, bei dem das Projektteam das Gerät getestet hatte.

Fazit: Es funktioniert tatsächlich!

POC21 hat weltweit Aufsehen erregt und damit seinen vorrangigen Zweck erfüllt. Doch auch viele der vorgestellten Projekte haben gute Chancen, erfolgreich eingesetzt zu werden. Die Macher möchten das Camp gerne wiederholen, eine konkrete Planung gibt es allerdings noch nicht.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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