Mehr Markterfolg mit Offenheit
Von Roland Freist
Als die ersten Open-Source-Projekte entstanden, wurden sie von den etablierten, kommerziellen Software-Herstellern noch misstrauisch bis ablehnend beäugt. Eine neue Form der Konkurrenz schien da heranzuwachsen, die man am besten ignorierte und totschwieg oder sogar aktiv bekämpfte. Insbesondere das Vorzeigeprojekt Linux gab oft zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass. Vor allem Microsoft sah darin eine Bedrohung für die eigenen, satten Marktanteile bei Betriebssystemen und Anwendungen.
Mittlerweile ist die einhellige Ablehnung einer differenzierteren Betrachtungsweise gewichen. Das liegt zum einen daran, dass den Software-Konzernen gar nichts anderes übrig blieb: Die Akzeptanz und Verbreitung von Open Source bei ihren Unternehmenskunden ist heute so groß, dass kein Hersteller daran vorbeikommt. Und der Trend setzt sich fort. Linux ist heute die am schnellsten wachsende Plattform für Enterprise-Applikationen.
Zum anderen haben viele Firmen entdeckt, dass auch sie von freier Software profitieren. So greifen sie etwa bei der Entwicklung von Werkzeugen und Bibliotheken für ihre eigenen Anwendungen gerne auf die Ressourcen von Open-Source-Communities zurück und stellen die fertigen Produkte als offene Software wieder zur Verfügung.
Facebook: 9,9 Mio. Zeilen Social-Media-Code
Beispiel Facebook: Anfang Juli 2014 wies das Unternehmen im Engineering Blog auf die große Bedeutung von Open-Source-Software für das Unternehmen hin. Dem Beitrag zufolge umfasste der Code der im Unternehmen entwickelten Open-Source-Programme Anfang Juli gigantische 9,9 Mio. Zeilen. Damit hat er sich im Verlauf von sechs Monaten glatt verdoppelt.
Rund ein Viertel davon stammt aus der Community, bei einigen großen Projekten zählt Facebook sogar mehr externe Beiträge als solche aus dem eigenen Haus. Es handelt es sich dabei nahezu ausschließlich um Werkzeuge und Plattformen für die Entwicklung und den Test von Anwendungen; sie decken das gesamte Spektrum von Mobilgeräten bis hin zu Big-Data-Auswertungen im Rechenzentrum ab.
Microsoft: Kompatibilität zur Windows-Welt
Auch Microsoft hat seine frühere Fundamentalopposition gegen Open Source aufgegeben und beteiligt sich aktiv an diversen Projekten. Auf einer eigens eingerichteten Webseite informiert das Unternehmen über seine Sicht auf freie Software und seine diesbezüglichen Aktivitäten und nennt als Motivation für sein Engagement das Ziel der „Interoperabilität“ zwischen Windows und Open-Source-Produkten.
Sieht man sich die genannten Projekte und die Mitwirkung von Microsoft genauer an, so zeigt sich, dass die Firma dabei nach einem klaren Plan vorgeht: In den Jahren 2011 und 2012 z.B. engagierte sie sich mit hohem personellen Aufwand an der Entwicklung des Linux-Kernels 3.0. Analysen ergaben, dass rund 1 % aller Änderungen in dieser Zeit von Microsoft-Mitarbeitern vorgenommen wurde. Sie kümmerten sich allerdings in erster Linie um die Verbesserung des Treibers für das hauseigene Virtualisierungssystem Hyper-V. Sobald diese Arbeit erledigt war, schieden sie aus dem Projekt wieder aus.
Es gibt freilich auch viele andere Beispiele von Open-Source-Projekten, bei denen sich Microsoft längerfristig engagiert. Ziel ist es jedoch nahezu immer, die Kompatibilität zur Windows-Welt zu sichern.
Apple: Offene Software in engen Grenzen
Auch Apple, ein Unternehmen, das nicht gerade für Offenheit bekannt ist, nutzt Open Source und entwickelt die Software weiter. Sowohl iOS, das Betriebssystem für iPhone und iPad, als auch Mac OS X basieren auf Darwin, einem offenen, Unix-ähnlichen Betriebssystem ohne grafische Oberfläche, das Apple im Jahr 2000 präsentierte. Selbst einige Komponenten von OS X, etwa das Schachspiel, stammen aus der Open-Source-Welt. Das gilt auch für die Browser-Engine WebKit, aus dem der Browser Safari entstand. Da die Lizenzbedingungen vorschreiben, dass bearbeiteter Open-Source-Code wieder der Community zur Verfügung gestellt werden muss, hat Apple eine Website eingerichtet, über die man Open-Source-Bestandteile des Quellcodes aus den verschiedenen Betriebssystemversionen herunterladen kann.
Auf der anderen Seite gibt es dennoch immer mal wieder Spannungen zwischen dem wertvollsten Unternehmen der Welt und der Open-Source-Gemeinschaft. So durfte z.B. der VLC Media Player zweieinhalb Jahre lang nicht über den App Store vertrieben werden, da seine GPL-Lizenz in einigen Punkten den Nutzungsbedingungen des Stores widersprach. Erst als 2013 eine neue Version des Players unter der Mozilla Public License v2 erschien, wurde die App wieder ins Programm aufgenommen.
Google: Android und Chrome, eine Erfolgsgeschichte
Unter den großen Playern auf dem Software-Markt ist Google sicherlich die Firma, die Open Source am stärksten in ihr Produktspektrum eingebunden hat. Das erfolgreichste der diversen Projekte des Konzerns ist Android, das auf dem Linux-Kernel aufbauende Betriebssystem für Mobilgeräte. Android ist freie Software und wird quelloffen entwickelt, enthält jedoch auch zahlreiche proprietäre Bestandteile wie etwa Google Maps oder die Anbindung an die Online-Dienste Google Mail oder die Google-Suchmaschine.
Für Desktop-PCs stellt Google hingegen das Chrome OS zur Verfügung, ein Betriebssystem, das sich im Wesentlichen aus einem Linux-Kern und dem hauseigenen Browser Chrome zusammensetzt. Es wurde speziell für Netbooks entwickelt, die sogenannten Chromebooks, die ohne Festplatten auskommen und lediglich Web-Applikationen ausführen. Google Chrome wiederum, das genauso wie Apples Safari mit der WebKit-Engine arbeitet, hat sich laut den Daten des Marktforschungsinstituts StatCounter zum weltweit am häufigsten genutzten Webbrowser entwickelt.
Google Chrome und das Chrome OS sind angepasste Versionen der Open-Source-Projekte Chromium und Chromium OS, die unter der BSD-Lizenz laufen. Bei seinem Browser ergänzt Google u.a. einen Adobe Flash Player und Google Update, bei Chrome OS kommen z.B. noch ein PDF-Plugin und Google Talk dazu.
IBM: Early Adopter und Linux-Motor
Einer der größten Förderer von Linux und anderen Open-Source-Projekten ist IBM. Bereits Ende der 90er-Jahre begann sich der Konzern für das offene Betriebssystem zu interessieren; 2000 kündigte das Unternehmen an, Linux in seine strategische Planung einbeziehen zu wollen. 2001 kam dann der Paukenschlag: IBM investierte eine Milliarde Dollar, um seine Hardware- und Software-Produktlinien fit für Linux zu machen. Unter anderem wurde für die Power-Server der Firma, die mit den hauseigenen Power-Prozessoren ausgestattet sind, eine Linux-Plattform geschaffen.
Heute ist das freie Betriebssystem ein wichtiger Faktor in nahezu sämtlichen Geschäftsbereichen des Konzerns. Linux läuft auf sämtlichen Servermodellen der Firma, und es sind rund 500 Software-Produkte für dieses Betriebssystem verfügbar. IBM ist einer der fünf aktivsten, kommerziellen Mitwirkenden bei der Weiterentwicklung von Linux, rund 600 Mitarbeiter der Firma sind in etwa 100 Open-Source-Projekte eingebunden.
Im Herbst 2013 kündigte das Unternehmen Investitionen von einer weiteren Milliarde Dollar für Open-Source-Projekte an, die u.a. in ein neues, europäisches Kundenzentrum sowie in eine Entwicklungsumgebung in der Cloud für Linux auf Power fließen sollen.