Angebot und Anbieter in allen Facetten
Von Stefan Heng, Deutsche Bank Research
Während die Games-Branche wächst und längst ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor geworden ist, verschieben sich die Produkte zwischen den Dimensionen Technologie, Aufgabenstellung, Genre und Kulturkreis laufend gegeneinander, so dass die klassischen Genres schwer zu fassen sind. Immer wieder kombinieren die Games-Entwickler beliebte Elemente bereits arrivierter Games mit neuen Spielideen und kreieren damit neue Mischformen, wie Siedlungssimulationen, Straßenrennen oder Gehirntrainer.
Wegen dieser permanenten Evolution der Games stößt jeder Versuch der Kategorisierung bald zwangsläufig an seine Grenzen. Gleichwohl hilft eine Kategorisierung (von Action-, über Sport- bis hin zu Strategie-Games) dabei, die Branche besser zu begreifen.
Genres mit Schnittmengen
- Bei Action Games kommt es auf Reflex und Geschick, speziell die Koordination zwischen Hand und Auge des E-Spielers an. Mit Maus, Tastatur oder einer anderen Steuerung bewegt der E-Spieler seine Figur durch die animierte Spielwelt.
- Bei Adventure Games spielt das Erzählen einer fantasievollen, oft witzigen Geschichte eine wichtige Rolle. Wie ein Filmheld durchlebt die (zumeist fantasievolle) Spielfigur hier Abenteuer und löst Rätsel. Im Verlauf bereist die Spielfigur unterschiedliche Handlungsorte und vertieft sich so in die Handlungszusammenhänge der erzählten Abenteuergeschichte.
- Das Prinzip der Arcade Games leitet sich von den aus den Spielhallen der körperlichen Welt bekannten Arcarde-Automaten mit Geldeinwurf ab. Die Arcade Games, die darauf abzielen, dass besonders geschickte E-Spieler Geld ausgezahlt bekommen, werden als Skillgames bezeichnet.
Teil 1 skizziert die Bedingungen der Branche und wagt sich an eine erste Systematik. Teil 2 betrachtet die einzelnen Genres näher und wendet sich dann den Anbietern zu. Teil 3 wartet mit Zahlen zum Markt auf und erläutert unterschiedliche Erlösmodelle. Teil 4 behandelt den Wandel der Branche und nennt die treibenden Kräfte dafür. In einem Extrabeitrag untersucht Stefan Heng die Auswirkungen der Krise auf die Games-Branche. Ein Seitenblick geht außerdem auf das Berufsbild Game-Designer.
- Rollenspiele (Roleplaying Games, RPGs) fokussieren stärker als die eng verwandten Adventure Games auf die kontinuierliche Entwicklung der Spielfigur im Game (z.B. zaubern, reiten, jagen). Im Segment der Rollenspiele sind die Massively Multiplayer Online Roleplaying Games (MMORPGs) mit ihren oft mehreren tausend synchron interagierenden E-Spielern besonders faszinierend. MMORPGs sind hinsichtlich Entwicklung, Wartung und technischer Voraussetzungen für die Anbieter recht kapitalintensiv.
- Serious Games werden teilweise auch als Lernspiele bezeichnet. Diese Games wollen Lerninhalte und Fähigkeiten wie Problembewusstsein, Risikomanagement oder Teamwork spielerisch einüben; z.B. sollen Lernspiele Schulkindern das Lesen, Schreiben und Rechnen spielend näher bringen.
- Shooter Games sind eine Untergruppe der Action Games. Zumeist geht es bei Shooter Games um Antiterroreinsätze oder Fantasy-Abenteuer. Die Produktion von Shooter Games ist zumeist recht kapitalintensiv.
- Simulation Games wollen in ihren wesentlichen Parametern (z.B. Wetterverhältnissen) die Bedingungen der körperlichen Welt möglichst getreu nachbilden. Viele Simulationsspiele befassen sich mit den Themenfeldern Motorsport bzw. Flugzeug-, U-Boot oder Panzerkampf. Über den Freizeitbereich hinaus sind Simulation Games bereits seit einiger Zeit im Rahmen der Ausbildung in kapitalintensiven, sensiblen oder gefahrenträchtigen Berufsbildern wie Pilot oder Facharzt eine gute Hilfe.
- Sports Games bilden eine Vielzahl der gängigen Sportarten ab, wie Basketball, Eishockey, Fußball, Golf, Motorrennen oder Tennis. Dabei kommen Sports Games dann besonders gut an, wenn die Sportart in dem betreffenden Kulturkreis verankert ist (z.B. Baseball in den USA oder Fußball in Europa). Dabei ist der Entwickler speziell gefordert, die Bewegungsabläufe der Sportart realitätsnah auf die Vorgaben des Endgeräts zu übertragen (z.B. die Steuerung der Schussbewegung des Fußballspielers über den Joystick mit der Hand).
- Bei Strategy Games geht es darum, dass der E-Spieler die Ressourcen (wie Geld, Bodenschätze, Vereinsspieler) innerhalb des Strategiespiels profitabel einsetzt und einen vorgegebenen Auftrag erfüllt. Er kann seine Ziele z.B. durch den Aufbau von Handelsbeziehungen oder das Führen von Kriegen erreichen.
Sportspiele bedienen den Wunsch der E-Spieler, sich mit anderen Akteuren im friedlich-sportlichen Wettkampf zu messen. Im Umfeld dieser Games hat sich der Begriff „E-Sport“ etabliert. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft nehmen ihn immer ernster. Dies zeigt sich auch daran, dass mittlerweile einige Länder wie Brasilien und China den E-Sport als offizielle Sportart anerkennen und eine eigene Vereins- und Verbandsstruktur aufbauen. Einige dieser E-Sport-Verbände arbeiten nun sogar daran, den E-Sport bei Olympischen Spielen als Demonstrationswettbewerb zu präsentieren. Diesbezüglich bezeichnete die Global Gaming League das parallel zu den Olympischen Spielen 2008 in Shanghai ausgetragene Digital-Games-Turnier als wichtigen Schritt.
Player in der Marktdynamik
Nicht nur die Games selbst, auch die Games-Anbieter sind in horizontaler und vertikaler Hinsicht sehr breit aufgestellt. Daher lassen sie sich nicht streng kategorisieren. So engagieren sich die Anbieter in horizontaler Hinsicht üblicherweise in ganz verschiedenen Genres. In vertikaler Hinsicht gibt es etliche Anbieter, die die beiden Geschäftsbereiche Entwicklung und Verlag in unterschiedlich starker Ausprägung integriert haben.
Anbieter der Genres Rollenspiele, Shooter Games, Sports Games oder Strategy Games sind tendenziell größer als Anbieter von Serious Games; umso mehr wenn diese Anbieter mit dem Anspruch antreten, Kassenschlager auf höchstem technischem Niveau anzubieten. Gleichwohl hat sich bei all dem Facettenreichtum in der jungen Games-Branche bislang keine deutliche Struktur herausgebildet. So sind Verleger und Entwickler mit weniger als zehn Mitarbeitern genauso anzutreffen wie solche mit mehreren hundert Mitarbeitern.
Bei der regionalen Gliederung zeigen die Daten, dass in Kanada, den USA, Japan, Korea, England und in Frankreich die größten „klassischen“ Verleger sitzen. In Deutschland waren 2007 rund 200 Games-Anbieter mit insgesamt 3300 Angestellten erfasst. Diese Anbieter sind überwiegend in Ballungsräumen wie München, Berlin, Hamburg und Rhein-Main ansässig. In den großen klassischen Games-Segmenten sind diese deutschen Anbieter abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen allerdings nur wenig bedeutend. Eine größere Rolle spielen die Deutschen dagegen bei den Browser Games, speziell bei den Skillgames und auch bei den Shooter Games.
- Wie sich Games und Anbieter auf den Märkten schlagen, wird Teil 3 dieser Serie näher untersuchen, bevor Teil 4 schildert, wie sich der Markt selbst wandelt.
Nützliche Links
Diesen Beitrag gibt es im Volltext bei DB Research als PDF zum Download (auch in englischer Sprache).