Der Mittelstand zeigt Stehvermögen
Ein Patentprozess ist nicht nur schwierig und langwierig, sondern mitunter von vornherein ein Irrweg. Diplom-Ingenieur Daniel Papst, Geschäftsführer beim Patentverwertungsunternehmen Papst Licensing weiß aus seiner Praxis, dass sich bei genauerer Analyse nicht jede scheinbare Patentverletzung als eine solche erweist. „Immer wieder kommen Patentinhaber zu uns und beklagen sich über angebliche Patentrechtsverletzungen. Wenn wir den Fall dann aber zusammen mit Patentexperten genau analysieren, stellt sich alles als Fehlalarm heraus. Gerade Mittelständler kennen oft den genauen Inhalt ihrer Patente nicht. Viele sind zwar Techniker und eventuell sogar die Erfinder, aber vom Patentrecht haben sie wenig Ahnung.“
Es sei daher ratsam, in solchen Fällen erst einmal das eigene Patent genau zu studieren oder sich von einem Patentrechtsexperten erklären zu lassen, rät Papst. Tobias Kessler, Rechtsanwalt und Syndikus des Unternehmens ergänzt: „Viele Patentinhaber glauben, ihr Patent schütze die von ihnen produzierten Produkte komplett so, wie sie diese Tag für Tag in Händen halten.“
Schutzrechte auf dem Prüfstand
Tatsächlich seien aber oft nur Teilaspekte patentiert, weil der die Anmeldung begleitende Patentanwalt angesichts bereits vorhandener Patente und des Stands der Technik anders keine erfolgreiche Anmeldung hätte vornehmen können.
Zudem seien manche Patente zwar von einem Patentamt erteilt worden, aber bei genauer Prüfung durchaus angreifbar, z.B. durch eine Nichtigkeitsklage. Kein Wunder also, dass von hundert Fällen, in denen Patentinhaber ihre Patente von Papst Licensing durchsetzen lassen wollen, weniger als 3 % tatsächlich angenommen werden.
Kessler rät deshalb, bei scheinbar erkannten Patentverletzungen immer auf einen Gegenangriff in Form einer Patentnichtigkeitsklage des Verletzers gefasst zu sein. Es sei fast schon normal, dass ein Patentverletzer, wenn er verklagt wird, mit einer Nichtigkeitsklage antwortet. Um eine Gegenklage zu begründen, recherchiert der tatsächliche oder scheinbare Patentrechtsverletzer nach Dokumenten und Veröffentlichungen, die beweisen, dass die patentierte Technik zum Zeitpunkt der Patenterteilung bereits nicht mehr neu oder nicht erfinderisch war und deshalb das Patent des Klägers zu Unrecht erteilt wurde. Aber nicht jeder Fall von Patentverletzung lande vor Gericht. Sehr häufig gelingt es den Parteien, sich außergerichtlich auf einen Lizenzvertrag zu einigen.
Zwei reale Fallbeispiele
Dass in der Praxis kein Fall dem anderen gleicht, zeigen die folgenden beiden Beispiele, in denen typische mittelständische Unternehmen ihre Patente gegen große Konzerne verteidigen mussten.
CCP-Patent: JScribe
Die CCP Systems AG war 2004 eine kleine mittelständische Softwareschmiede in Zuffenhausen mit weniger als 40 Mitarbeitern. Damals sah für kurze Zeit alles danach aus, als begänne für den kleinen Betrieb der große Siegeszug: Dem ehemaligen IBM-Manager und damaligen Generalbevollmächtigten des Unternehmens, Roland Widuch war es gelungen, IBM eine Lizenz für die von CCP entwickelte und patentierte Software JScribe zu verkaufen.
Mit JScribe konnten Drucker Druckaufträge im Netz weiterreichen sowie Dokumente verschlüsseln und archivieren. IBM sah in der Software eine Chance, auf dem heiß umkämpften Druckermarkt mit dem Argument der Kosteneinsparung zu punkten. Tatsächlich ist die Software so gut, dass nach Schätzungen des US-Marktforschungsinstituts Gartner heute mehrere Millionen Drucker damit ausgestattet sind.
Teil 1 sagt, womit Mittelständler rechnen müssen, die ihre Patente widerrechtlich genutzt finden: mit einer Retourkutsche von Konzernseite. Teil 2 sieht sich um, wann eine Patentklage Erfolg verspricht, und schildert zwei Realbeispiele aus dem Wirtschaftsleben. Teil 3 zeigt Alternativen zum Prozessmarathon auf. Welches Vorgehen am besten ist, müssen am Ende nüchterne betriebswirtschaftliche Erwägungen zeigen.
In Zuffenhausen herrschte angesichts des Deals verständlicherweise große Freude. Aber während IBM sich langsam vom Druckermarkt verabschiedete, unterlizenzierte der amerikanische Riese die Software an den asiatischen Konzern Samsung, der zu dieser Zeit den weltweiten Druckermarkt aufrollen wollte. Das Fatale: Während das Patent für die kleine Softwareschmiede praktisch die Existenzgrundlage bildete, stellte es für den Konzernriesen IBM lediglich ein winziges Rädchen einer bereits verworfenen Strategie dar – und wurde deshalb wohl nur noch als Nebensache behandelt.
Anders ist es kaum zu erklären, warum Samsung – nach Recherchen Widuchs – bis 2008 zwar 5 Mio. mit JScribe ausgestattete Drucker verkaufte, IBM im gleichen Zeitraum gegenüber CCP aber nur kapp 4000 Geräte abrechnete, so dass statt der erwarteten Millionen lediglich 10.000 Euro Lizenzgebühren bei den Schwaben landeten.
Als Widuch gegenüber IBM durchsetzen konnte, direkt mit Samsung verhandeln zu dürfen, schien sich die Sache kurzzeitig doch noch zum Guten zu wenden. Die Asiaten signalisierten ihre Bereitschaft, einen eigenen Lizenzvertrag abzuschließen, bestanden allerdings auf einer stückzahlunabhängigen Pauschallizenz. Das hatte seinen Grund, wie sich zeigen sollte: Zu diesem Zeitpunkt hatte nämlich ein Mitarbeiter Samsungs die Software – das Ergebnis einer umfangreichen Entwicklungsarbeit – bereits frei zugänglich ins Netz gestellt, so dass eine Stückabrechnung gar nicht mehr möglich war.
Die Bilanz des Streits: Neben dem erheblichen Verlust an Lizenzgebühren entstanden auch noch große Umsatzausfälle, denn mit den Recherchen zu möglichen Vertragsverletzungen waren zeitweise mehr als drei Viertel der ohnehin kleinen Belegschaft beschäftigt. Lange Zeit stand der Betrieb sogar mehr oder minder still. Vor einer Insolvenz rettete den Betrieb erst frisches Risikokapital.
Fälle wie dieser zeigen, dass nicht immer böse Absichten hinter Patentstreitigkeiten stecken, sondern manchmal lediglich unterschiedliche Prioritäten der Beteiligten.
Peter Jöst wagte den Schritt, sein Patent in die Obhut eines Patentverwerters zu geben. Nun kann er seinen Lebensabend von Patentstreitigkeiten unbeschwert genießen. (Bild: Papst Licensing)
Jöst-Patent: gelochte Schleifscheiben
Ganz anders gelagert ist der Fall Jöst. Peter Jöst betreibt im Odenwald ein kleines Unternehmen für Schleifprodukte, die Jöst GmbH. Er ist der Erfinder der bekannten gelochten Schleifscheibe mit Klettrückseite. Durch die von ihm erfundene Lochung kann der Schleifstaub entweichen, so dass die Scheibe erheblich später zusetzt. Diese Erfindung bescherte dem kleinen Unternehmen in den ersten 2000er-Jahren rund die Hälfte des Umsatzes.
Dann klopfte der französische Mischkonzern Saint-Gobain – mit 37 Mrd. Euro Umsatz ein Riese – bei den Odenwaldern um eine Lizenz an und orderte Muster. Für Jöst und seine Mannschaft schienen goldene Zeiten anzubrechen. Aber nach Lieferung der Muster herrschte Funkstille. Vier Monate später brachte der französische Multi eine Schleifscheibe auf den Markt, die jener Jösts ähnelte.
Jöst verklagte die Franzosen 2004 vor dem Landgericht Mannheim auf Patentverletzung. Saint-Gobain focht nun seinerseits Jösts Patent an. Dann wird der Prozess für fünf Jahre ausgesetzt. Am Ende spricht ein Münchner Gericht Jöst das Patent ab. Kaum geschehen, bringen vier weitere Unternehmen ähnliche Konkurrenzprodukte auf den Markt.
Daniel Papst (links) und Tobias Kessler (rechts) von Papst Licensing freuen sich darüber, dass sie das Schleifscheibenpatent Peter Jösts gegen Nachahmer erfolgreich verteidigen konnten. (Bild: Papst Licensing)
Eigentlich hätte Jöst nach diesem Desaster aus Vernunftgründen kapitulieren müssen. Aber er geht bis vor den Bundesgerichtshof – und gewinnt: Der BGH setzt im Sommer 2010 das Patent wieder in Kraft. Aber mit dem Urteil sind die eigentlichen Probleme noch nicht gelöst. Genau genommen stellt es lediglich den Ausgangszustand vor der Patentanfechtung durch Saint-Gobain wieder her, denn die nachgeahmten Schleifscheiben der Konkurrenten sind noch immer im Markt, und es gilt erneut, gegen die Patentrechtsverletzung durch die Franzosen sowie mittlerweile vier weitere internationale Patentrechtsverletzer anzugehen.
- Wie man am Fall Jöst sieht, besteht bei Patentrechtsklagen immer auch die Gefahr, schlafende Hunde zu wecken und am Ende vielleicht nicht nur auf Lizenzgebühren verzichten zu müssen, sondern darüber hinaus das Patent zu verlieren. Es gibt jedoch Hilfe. Und es gibt Alternativen. Davon berichtet der abschließende Teil 3 dieser Serie.