Über den Start entscheidet die Vorbereitung
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Die Einführung von neuen Produkten ist ein Prozess, der mehrere Funktionsbereiche im Unternehmen einbezieht. In der Regel werden hiervon zumindest die Bereiche Entwicklung, Produktion, Controlling, Vertrieb, Marketing, Kommunikation und Werbung sowie Einkauf berührt. Im Gegensatz zu den Kernprozessen im Unternehmen (z.B. Vertrieb, Produktion, Finanzierung) handelt es sich beim Produkteinführungsprozess (Product Launch) um einen zeitlich befristet aufgesetzten Prozess, der das Ziel verfolgt, das definierte Produkt so weit fertig zu stellen, dass es dem Vertrieb zur Vermarktung übergeben werden kann.
Zur Steuerung des Prozesses sollte ein Projektmanager ernannt werden, der den Einsatz der Ressourcen überwacht und Probleme bei der Umsetzung löst. Oft ist der Projektmanager ein Marketing-Mitarbeiter, der später als Produktmanager die weitere Betreuung übernimmt. In vielen Fällen untergliedert sich die Produkteinführung in verschiedene Phasen mit deutlich unterschiedlicher Verbindlichkeit und Ressourcenbindung:
- Produktfindungsphase zur Identifikation attraktiver Produktideen,
- Auswahlprozess mit Priorisierung und Vorprüfung,
- Planung des Prozesses,
- Entwicklungsphase,
- Produktionsvorbereitung,
- Vorbereitung der Übergabe an den Vertrieb,
- Markteinführung.
Zu unterscheiden sind Produkteinführungsprozesse im Hinblick auf Chancen und Risiken, aber auch im Hinblick auf den Aufwand nach der Vertrautheit bzw. der „Nähe“ des neuen Produktes zum bestehenden Produktportfolio und der Bekanntheit der zu adressierenden Zielgruppen:
- Weiterentwicklung bestehender Produkte,
- Ergänzungsentwicklung zur Abrundung des Produktportfolios,
- Substitution eines bestehenden Produktes durch eine Neuentwicklung,
- Neuentwicklung eines Produktes für bestehende Zielgruppen im Rahmen eines Wachstumsvorhabens und von definierten Wachstumsstrategien,
- Neuentwicklung eines Produktes für neue Zielgruppen zur Realisierung von Wachstumszielen.
Produktfindung und Vorauswahl
Oft kommen von unterschiedlichen Stellen im Unternehmen Anregungen zu neuen Produkten. (Dabei ist es grundsätzlich einerlei, ob es sich um Hardware-, Software oder Dienstleistungsprodukte handelt). Ideen können von allen Mitarbeitern gemacht werden, egal ob sie im Marketing, im Vertrieb, der Entwicklung oder der Produktion tätig sind. Die Entwicklung von Anregungen kann über ein betriebliches Vorschlagswesen gefördert werden. Auch Kunden – sogar unzufriedene Kunden – und Multiplikatoren können Quellen für die Produktfindung sein. Dieser Prozess kann durch Workshops oder Fokusgruppen mit Kunden aktiv gefördert werden. Außerdem kann man neue Produktideen auch über eine speziell hierfür eingerichtete Projektgruppe oder externe Berater suchen.
Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Produktentwicklung und Zielgruppen. Wie ein systematischer Einführungsprozess Risiken mit Innovationen senkt“, den Sie kostenfrei als PDF in Vollversion im Pressezentrum des MittelstandsWiki bekommen.
Natürlich eignet sich nicht jede Idee für die Umsetzung. Es ist daher notwendig, im Vorfeld eine Bewertung durchzuführen. Die angesetzten Kriterien können sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden und hängen u.a. von der Unternehmensstrategie, der Finanzkraft und der Risikofreude ab.
Mögliche Kriterien sind
- die Verwandtschaft mit dem bestehenden Produktportfolio,
- der Diversifikationsgrad und die Risikoverteilung,
- das Entwicklungsrisiko für die Umsetzung,
- die Vermarktbarkeit an bestehende Kunden,
- die Abhängigkeit von anderen Unternehmen und Lieferanten,
- das erreichbare Marktpotenzial,
- der Innovationsgrad
- die Ressourcenbindung etc.
Die angesetzten Kriterien sollten allen Mitarbeitern bekannt sein, und das Ergebnis der Vorbewertung sollte offen kommuniziert werden, damit die Motivation der Mitarbeiter für die weitere Ideenfindung aufrechterhalten bleibt.
Für die in der ersten Phase ausgewählten Produktideen sollte vor der weiteren Vertiefung eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, um den Aufwand und die Umsetzungsrisiken von der technischen Seite her abzusichern. Dabei ist auch zu bewerten, welche Abhängigkeiten von Lieferanten und Geschäftspartnern bestehen könnten, und welchen Einfluss rechtliche Rahmenbedingungen haben könnten.
Mit Business Plan durchdenken
Ein erster Business Plan ist notwendig, weil unrealistische Annahmen zum Markt und damit zu hohe Absatzerwartungen ein Unternehmen genauso gefährden wie unrealistische Annahmen zu den am Markt durchsetzbaren Preisen. Die für den Planungszeitraum angesetzten Absatzwerte müssen nicht nur im Kunden- und Wettbewerbsumfeld realistisch sein, sondern auch mit den vorhandenen Mitteln im Unternehmen erreichbar sein. Gerade dieser Abgleich und die frühzeitige Identifikation von zusätzlich erforderlichen Investitionen oder Personaleinstellungen wird auf das Planungsergebnis möglicherweise erhebliche Auswirkungen haben. Der Plan sollte daher berücksichtigen:
Teil 1 beginnt bei der Ideenfindung und erklärt, warum es nach der Vorauswahl einen eigenen Business Plan braucht. Teil 2 schlägt die Eckpfeiler der Entwicklung ein und lässt das Ergebnis auf Tauglichkeit testen. Teil 3 wagt dann mit dem fertigen Produkt den Schritt auf den Markt und gibt Tipps, wie man ihn am besten vorbereitet.
- Quantifizierung des Produktnutzens,
- Absatzpotenzial nach Zielgruppen,
- Preismodelle für die einzelnen Zielgruppen,
- Zielableitung für Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation,
- Umsatzaufteilung über den Planungszeitraum nach Vertriebskanälen und Zielgruppen,
- Entwicklungsaufwand und Fremdleistungen für die Entwicklung,
- Investitionsbedarf für die Produktionsvorbereitung,
- Kosten für Zukaufteile,
- Stückkosten in der Produktion,
- Vertriebskosten nach Vertriebskanälen,
- Kosten für Marketing-Maßnahmen etc.
Damit diese Größen auf einer fundierten Basis ermittelt werden können und das Ergebnis auch für die Gesellschafter und Finanzierungspartner verifizierbar ist, müssen zunächst systematisch die erreichbaren Informationen gesammelt und für die weitere Bearbeitung aufbereitet werden. Dann erfolgt eine detaillierte Analyse der Ist-Situation des Unternehmens und seiner vorhandenen Produkte, damit eine realistische und nachhaltig erreichbare Positionierung für das innovative Produkt abgeleitet werden kann.
Mit Hilfe der übergeordneten Unternehmensziele und der identifizierten Positionierung im Marktumfeld werden die operativen Ziele abgeleitet und in einzelne operationalisierbare Maßnahmen heruntergebrochen, die in ihrem Kosten- und Personalaufwand quantifiziert werden. Der Abgleich mit den vorhandenen Ressourcen zeigt mögliche Unstimmigkeiten auf, die vor der Festlegung der Planung ausgeräumt werden müssen. Entweder müssen dann Maßnahmen – und damit Ziele für das neue Produkt – zurückgenommen werden oder es können bestehende Ressourcen von anderen Produkten abgezogen oder zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden.
- Wie eine mustergültige Entwicklung geplant sein sollte, damit das Resultat erfolgreich in Serie gehen kann, setzt Teil 2 dieser Serie auseinander.